Wirtschaft

Lagarde unter Druck Putin zwingt die EZB zur Zinserhöhung

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Der von Wladimir Putin angeordnete Angriff auf die Ukraine  treibt die Ölpreise in die Höhe.

Der von Wladimir Putin angeordnete Angriff auf die Ukraine treibt die Ölpreise in die Höhe.

(Foto: IMAGO/Russian Look)

Der russische Angriff auf die Ukraine bringt die EZB in Schwierigkeiten. Sie muss die Zinsen erhöhen, weil die Inflation vor allem wegen der steigenden Energiepreise außerordentlich hoch bleibt. Die Nachteile eines solchen Schritts sind gewaltig.

Die Europäische Zentralbank hat ein Problem: Wladimir Putin. Die Inflation in der Eurozone scheint aus dem Ruder zu laufen, sie liegt bei 7,5 Prozent. Das liegt vor allem an rasant steigenden Energiepreisen. Diese schießen wegen des vom russischen Präsidenten angezettelten Angriffskrieges in die Höhe. Im April verteuerte sich Energie in Deutschland um rund 35 Prozent.

Drohender Lieferstopp von Gas aus Russland, der Umstieg auf Alternativen zu billigen russischen Importen, der Zwang, die Gasspeicher aufzufüllen - all das führt zu dem immensen Preissprung bei Energie, den Haushalte und Industrie zu spüren bekommen.

Auch für die EZB wird es unangenehm. Denn ihr bleibt nichts anderes übrig, als bald die Zinsen zu erhöhen. Lange hielt die Notenbank unter Führung von Christine Lagarde daran fest, den Leitzins an der Nulllinie zu lassen, um damit die Konjunktur zu stützen.

Tatsächlich gab es gute Argumente, die Zinsen trotz hoher Inflation nicht anzutasten. Die Zentralbank ging davon aus, dass die zwei wesentlichen Ursachen der Preissteigerung vorübergehend seien: Die gestörten Lieferketten würden sich bald einrenken und am Ende der Heizsaison würden die Energiepreise mit abnehmender Nachfrage sinken. Höhere Zinsen würden weder Lieferketten reparieren, noch Öl billiger machen.

Außerdem kann eine Zinserhöhung kontraproduktiv sein und die Konjunktur ausbremsen, obwohl sie Unterstützung braucht. Höhere Zinsen wirken preisdämpfend, weil sie Kredite verteuern und Sparen attraktiver machen. Firmen investieren weniger, Konsumenten geben weniger Geld aus. Die Nachfrage sinkt. Ein weiteres Problem: Zinserhöhungen wirken nicht sofort, sondern mit einer Verzögerung. Im schlimmsten Fall würde ein solcher Schritt also erst seine Wirkung entfalten, wenn sich die Eurozone wegen eines Gas-Lieferstopps des Kremls ohnehin schon in der Rezession befindet.

Angst vor Lohn-Preis-Spirale

Das ändert allerdings nichts daran, dass die hohe Inflation in der Eurozone und in Deutschland sich nicht ignorieren lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass eben nicht nur Energie teurer wird. Die Verbraucherpreise ziehen auf breiter Front an. Damit wird die Sorge größer, dass der allgemeine Preisschub von Dauer sein wird.

Damit wächst für die EZB die größte Gefahr: der Verlust der Glaubwürdigkeit. Monatelang haben die Notenbanker versichert, dass die hohe Inflation vorübergehend sei. Doch spätestens mit dem russischen Überfall zeigt sich, dass sie sich festzusetzen droht. Dabei spielt keine Rolle, dass Krieg und Verwerfungen auf den Energiemärkten nicht vorhersehbar waren. Entscheidend ist die Wahrnehmung in der Bevölkerung.

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich waren die steigenden Lebenshaltungskosten ein dominierendes Thema, von der die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen profitierte. Für die EZB wird diese Stimmung zum Problem, wenn sich in der Bevölkerung die Erwartung durchsetzt, die Inflation nehme immer weiter zu und die Notenbank unternehme nichts dagegen.

Dann droht eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale. Die Logik dahinter: Arbeitnehmer geben branchenübergreifend ihre Zurückhaltung auf und setzen höhere Löhne auf breiter Front durch. Unternehmen erhöhen als Ausgleich die Preise. Daraufhin steigt das allgemeine Preisniveau weiter, es entsteht eine Kettenreaktion. Das klassische geldpolitische Mittel dagegen sind Zinserhöhungen. Dem Wirtschaftsweisen Achim Truger zufolge ist in Deutschland zwar "noch kein übermäßiges Lohnwachstum zu sehen". Das liege aber an den Entlastungspaketen der Bundesregierung, die teilweise die inflationsbedingten Einkommensverluste privater Haushalte kompensierten.

Die EZB hat mittlerweile signalisiert, dass sie bald die Zinsen erhöhen wird. Aufgrund von Putins Krieg bleibt ihr wohl keine andere Wahl. Dennoch ist der Zeitpunkt äußerst ungünstig: Die Konjunktur in der Eurozone verliert bereits an Fahrt. In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal des Jahres nur um 0,2 Prozent gewachsen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen