Nur "Anschein einer Reform" Rechnungshof rügt Wissing für Umgang mit der Bahn
10.05.2024, 14:53 Uhr Artikel anhören
Die Darstellungen des Verkehrsministers zum Zustand der Bahn seien ""in Teilen unvollständig", heißt es in einem internen Bericht des Rechnungshofs.
(Foto: picture alliance / Jochen Tack)
Eigentlich hat sich die Bundesregierung viel für die Bahn vorgenommen. Doch die angespannte Haushaltslage bremst einem Bericht zufolge den Ausbau des Schienennetzes. Einige dringende Projekte werden demnach wegfallen. Derweil geht der Bundesrechnungshof mit Verkehrsminister Wissing hart ins Gericht.
Der Bundesrechnungshof sieht den Umgang von Bundesverkehrsminister Volker Wissing mit der Deutschen Bahn einem "Spiegel"-Bericht zufolge kritisch. Die bisherigen Bemühungen um Verbesserungen bei der Bahn seien nur ein "Anschein einer Reform", zitierte das Magazin aus einem Bericht der Rechnungsprüfer für den Bundestag. Grund sei auch, dass die Darstellungen des Ministers "in Teilen unvollständig" seien. Sie "vermitteln so kein zutreffendes Bild über die schwierige wirtschaftliche und betriebliche Situation der DB AG".
Für die Reformierung der Bahn hat die Bundesregierung eine neue Gesellschaft für Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Infrastruktur gegründet. Die InfraGo ist weiterhin Teil des DB-Konzerns, soll aber "gemeinnützig" handeln. Der Bund ist im Aufsichtsrat vertreten. Der Bundesrechnungshof hält dies für nicht ausreichend, "um die Eigentümerrolle des Bundes bei der DB AG zu stärken und die Interessen des Bundes besser vertreten zu können", zitierte der "Spiegel" weiter aus dem Bericht. Zur dringend nötigen Modernisierung des Konzerns trage die Gründung der InfraGo nicht bei. Sie verfestige lediglich einen "zentralen Mangel in der bisherigen Konzernstruktur".
Seit Jahren wird eine Debatte über eine von mancher Seite geforderte Entflechtung des DB-Konzerns angesichts der massiven Probleme geführt. Unter anderem die Monopolkommission, ein Beratergremium der Bundesregierung, hatte gefordert, die Verwaltung der Infrastruktur strikt vom Bahnbetrieb zu trennen. Der Rechnungshof sieht das offenbar auch so: Die Probleme blieben bestehen, "solange die Infrastruktursparte Teil des DB-AG-Konzerns ist".
Bericht: Für Schienennetz-Ausbau fehlt Geld
Die angespannte Finanzlage des Bundes wird zudem mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich der Bund von seinen Zielen zum Ausbau des Schienennetzes verabschieden muss. Ein Schreiben des Verkehrsministeriums, das dem "Spiegel" vorliegt, zeigt, für welche dringenden Projekte künftig das Geld fehlen könnte.
Betroffen sind unter anderem die Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark, der Neubau von Strecken der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel mit einem Tunnel in Offenburg, der lang geplante Ausbau einer Hauptachse im Ruhrgebiet für den Rhein-Ruhr-Express in Duisburg sowie eine Güterzugstrecke von Uelzen nach Halle.
Ebenfalls stehen die Anbindung der Gäubahn in Baden-Württemberg über den neu zu bauenden Pfaffensteigtunnel an den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof unter Vorbehalt, genauso wie der Ausbau einer Bahnstrecke von München über Mühldorf an die österreichische Grenze und die Elektrifizierung der Strecke von Weimar nach Gößnitz über Gera.
Zwar sei für diese Projekte eine sogenannte Baufinanzierungsvereinbarung geplant, heißt es in dem internen Papier des Verkehrsministeriums. Es könnte also grundsätzlich gebaut werden. Eine "abschließende Entscheidung hierüber" sei aber erst dann möglich, wenn die Haushalte für 2025 sowie 2026 aufgestellt sind. Angesichts der aktuellen Haushaltslage und der Sparvorgaben des Finanzministeriums ist eine Finanzierung nach "Spiegel"-Informationen kaum realistisch.
Fernverkehr bedient weniger Städte
Indes sind in diesem Jahr weniger deutsche Städte an den Fernverkehr der Deutschen Bahn angeschlossen als im vorherigen Jahr. Das geht aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums an den Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli hervor. Demnach halten ICE- und IC-Züge unter anderem nicht mehr in Northeim (Niedersachsen), Ibbenbüren (Nordrhein-Westfalen), Bebra (Hessen), Rastatt (Baden-Württemberg) sowie in Leverkusen-Mitte (Nordrhein-Westfalen). Zwar kommen den Angaben zufolge Fernverkehrshalte in Ludwigsstadt (Bayern), Rudolstadt (Thüringen), Eichenberg (Hessen) sowie Heilbronn (Baden-Württemberg) hinzu.
Die letzten beiden Städte werden wegen Bauarbeiten nur zeitweise vom Fernverkehr bedient. Das Ministerium schreibt, die Anbindung dieser Bahnhöfe sei durch ein "gutes Nahverkehrsangebot" sichergestellt. Das Ziel der Ampelkoalition, mehr Fernverkehr in der Fläche anzubieten, dürfte allerdings schwer umzusetzen sein. Grund dafür sind die steigenden Preise für die Infrastruktur. Sie könnten die Deutsche Bahn zur Einstellung unwirtschaftlicher Intercity-Verbindungen zwingen. Linkenpolitiker Perli kritisiert: "Wie soll es bei dieser miserablen Entwicklung gelingen, mehr Menschen vom Bahnfahren zu überzeugen? Verkehrsminister Wissing muss endlich ein Konzept vorlegen, wie er die Anbindung ländlicher Regionen stärken will."
Quelle: ntv.de, mdi/AFP