CO2-Zertifikate wertlos? Rossmann stoppt seine "Klimaneutral"-Werbung
25.01.2023, 17:37 Uhr
Mehrere Unternehmen kündigten die Überprüfung von eigenen Kompensationsprojekten an, darunter auch Rossmann.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Viele Firmen stoßen enorme Mengen CO2 aus, wollen sich aber grün geben. Dafür kaufen sie zum Beispiel Zertifikate von Waldschutzprojekten, die vermeintlich Emissionen einsparen. Laut Recherchen sollen die Angaben aber oft manipuliert sein - die Drogeriekette Rossmann zieht Konsequenzen.
Nach einem Bericht von "Zeit" und "Guardian" aus der vergangenen Woche über fragwürdige CO2-Zertifikate, mit denen Unternehmen ihre Emissionen kompensieren, haben mehrere Firmen eine Überprüfung angekündigt. Der Chef der Drogeriemarktkette Rossmann, Raoul Roßmann, sagte der "Zeit" laut Vorabmeldung sogar, seine Firma werde die CO2-Emissionen ihrer Eigenmarken künftig nicht mehr kompensieren und diese als "klimaneutral" bewerben.
"Wir denken schon länger darüber nach, diese Label auf unseren Produkten wieder einzustellen - und das werden wir nun auch tun", sagte Roßmann der "Zeit". Die "Klimaneutral"-Label stünden seit Monaten in der Kritik. "Bislang war meine Haltung, solange die Klimaschutzprojekte dahinter nicht infrage stehen, kann man mit der Kritik an den Labels auch umgehen, aber nun frage ich mich: Welcher Kunde nimmt das noch als Mehrwert wahr?"
"Zeit" und "Guardian" hatten berichtet, dass erhebliche Teile der CO2-Zertifikate, mit denen Unternehmen ihre Emissionen kompensieren, offenbar wertlos sind. Der italienische Kaffeehersteller Lavazza erklärte gegenüber der "Zeit" nun, er sei "ernsthaft beunruhigt" über die Ergebnisse der Recherche und habe sofort alle betroffenen Abteilungen eingebunden, um die Vorwürfe zu prüfen. Auch der Softwarekonzern SAP teilte der "Zeit" mit, sein Portfolio an Kompensationsprojekten zu überprüfen. Volkswagen erklärte gegenüber der Zeitung, der Konzern sei "selbst abhängig von den am Markt etablierten Standards und darauf angewiesen, dass diese kritisch betrachtet werden".
Manipulierte Wald-Zertifikate?
Kompensationsprojekte, die bestehende Wälder schützen, berechnen laut Bericht ihre Klimawirkung zum Beispiel auf Basis einer spekulativen Annahme: Wie viel Wald würde zerstört werden, wenn man ihn nicht schützen würde?
Weltweit erstellen Projekte CO2-Zertifikate, die darüber spekulieren, wie viel Emissionen durch den Schutz, also die Nichtabholzung eines Waldes, eingespart werden. Firmen kaufen diese dann über Vermittler, um damit die eigenen CO2-Emissionen ausgleichen und sich als klimaneutral zu bewerben. Laut den Recherchen wurde bei vielen Zertifikaten allerdings in erheblichem Ausmaß manipuliert: Diverse Projekte zum Schutz von Wäldern sollen viel weniger Emissionen einsparen als angegeben - was die Zertifikate quasi wertlos macht.
Das Bundeswirtschaftsministerium kritisierte gegenüber der "Zeit": "Waldschutzzertifikate sind grundsätzlich klimapolitisch fraglich." Es seien bei der freiwilligen Kompensation "robuste Regeln" nötig.
Quelle: ntv.de, rog/AFP