Wirtschaft

Enormer Schaden durch Blockade So wichtig ist der Suezkanal für Deutschland

Der 400 Meter lange Gigant steckt seit Tagen fest.

Der 400 Meter lange Gigant steckt seit Tagen fest.

(Foto: REUTERS)

Viele Schiffe stecken wegen des im Suezkanal festgefahrenen Container-Giganten im Stau. Für die deutsche Wirtschaft ist das ein enormes Problem, das jeden Tag größer wird.

Im Suezkanal steckt ein riesiges Containerschiff fest und die Blockade dürfte sich noch hinziehen. Ein Ende der Arbeiten, um die "Ever Given" wieder flottzubekommen, ist noch nicht in Sicht. Mit jedem Tag, an dem der 400 Meter lange und mehr als 50 Meter breite Riese den Kanal blockiert, wird der Schaden größer. Die Schifffahrt auf dem Kanal ist bis auf Weiteres eingestellt - dadurch hat sich vor einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt ein Stau gebildet, der jede Stunde wächst. Mehr als 200 Schiffe warten bereits auf die Passage. Zur Einordnung: Im Jahr fahren rund 19.000 Frachtschiffe durch den Kanal, das sind im Schnitt mehr als 50 pro Tag.

Die 193 Kilometer lange Wasserstraße verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und ist damit der kürzeste Weg zwischen Europa und Asien. Containerschiffe, Tanker und Massengutfrachter nutzen die Passage. Nach Schätzung des Schifffahrt-Fachmagazins "Llyod's List" werden jeden Tag Waren im Wert von rund 9,6 Milliarden Dollar durch den Kanal transportiert. Die größten Schiffe können bis zu 20.000 Container transportieren.

Um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum - jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan Europa oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien und weiter nach Ostasien verkürzt der Kanal um etwa 7000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung kostet ein Schiff bei der normalen Geschwindigkeit von rund 16 Knoten (etwa 30 Kilometer pro Stunde) je nach Route etwa anderthalb Wochen. Das ist teuer: Schiffe wie die "Ever Given" werden von Container-Reedereien in der Regel mit zugehöriger Besatzung vom Eigentümer gechartert. Für einen der Giganten werden mehrere Zehntausende Dollar fällig - pro Tag.

Die Geschwindigkeit auf der längeren Route zu erhöhen, ist ebenfalls problematisch. Die Container-Riesen können zwar bis zu 23 Knoten schnell fahren - doch mit höherem Tempo steigen auch der Treibstoffverbrauch und damit die Kosten extrem. Denn die Maschinen der Schiffe sind darauf ausgelegt, bei niedriger Geschwindigkeit möglichst treibstoffsparend zu arbeiten.

"Jeder Hafen wird das merken"

Durch den Suezkanal fließen deshalb rund zwölf Prozent des globalen Frachtvolumens und etwa 30 Prozent des Containervolumens. Für Deutschland als Exportnation ist die Route besonders wichtig. China ist seit Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner, mit einem gegenseitigen Handelsvolumen von mehr als 212 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Etwa zwei Drittel aller Im- und Exporte zwischen der Bundesrepublik und Ostasien nehmen den Schiffsweg.

Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft zufolge fahren 98 Prozent der Containerschiffe durch den Suezkanal, wenn sie auf dem Weg zwischen Deutschland und China unterwegs sind. Damit laufen 8 bis 9 Prozent der deutschen Warenimporte und -exporte durch ihn.

Durch den Kanal werden auf Containerschiffen vor allem Elektronik, Maschinen und dazugehörende Teile sowie Textilien von Asien nach Europa bewegt. "Natürlich wird auch Öl durch den Suezkanal transportiert", sagt IfW-Experte Vincent Stamer. Aber Deutschland bekommt Öl vor allem aus Russland, Großbritannien und Norwegen. "Deswegen spielt das für Deutschland eine kleinere Rolle", sagt Stamer. Für andere Länder hat die Passage hierbei allerdings eine enorme Bedeutung: Aus dem Mittleren Osten werden durch den Kanal jeden Tag 600.000 Barrel (je 159 Liter) Rohöl in Richtung Europa und USA transportiert. Auch der Weg von Öl aus dem Atlantischen Becken nach Asien läuft durch den Kanal - mit einem Volumen von 850.000 Barrel täglich.

"Jeder Hafen in Westeuropa wird das merken", sagte ein Sprecher für den Hafen von Rotterdam, der größte in Europa. Die deutsche Wirtschaft dürfte der Stau teuer zu stehen kommen. "Das wird uns noch mindestens ein, zwei Monate auf Trab halten", sagte der Lieferketten-Experte Joachim Schaut vom Logistikdienstleister DB Schenker. Der Schaden sei enorm.

Begrenzte Kapazitäten

Noch hat der Vorfall keine gravierenden Auswirkungen auf den Hamburger Hafen. Die Blockade könnte aber zu einem Problem für Europas drittgrößte Anlaufstelle für Seeschiffe werden. Sie führt dazu, dass zunächst weniger Schiffe nach Hamburg kommen. Sobald der Weg wieder frei ist und der Stau sich auflöst, tauchen plötzlich sehr viele Schiffe an der Elbmündung auf. Da der Platz zum Be- und Entladen der Schiffe an den Terminals im Hafen begrenzt ist, wird sich der Verkehr bei der Einfahrt in die Elbe stauen - damit sind nicht nur weitere Verzögerungen die Folge.

"Das Problem im Suezkanal wird sich nach seiner Auflösung im Anschluss unmittelbar auf die europäischen Häfen und ihre Terminals übertragen", sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik DSLV. Diese müssten mit begrenzten Kapazitäten und Stellplätzen dann ein "verspätetes, gigantisches Containervolumen innerhalb kürzester Zeit geballt abfertigen und auf die Seehafenhinterland-Verkehre mit Lkw, Bahn und Binnenschiff verteilen".

Die deutsche Wirtschaft kommt der Schiffsstau durch den blockierten Suezkanal bereits teuer zu stehen. Chemieindustrie und Maschinenbauer warnen vor einer Störung der Lieferketten, die durch die Corona-Pandemie ohnehin unter Druck stehen. Selbst wenn die Ever Given" bald wieder flottgemacht und die wichtige Wasserstraße wieder befahrbar wird, rechnen Logistiker mit wochenlangen Problemen an den deutschen Häfen.

"Die Störung kommt zu einem schlechten Zeitpunkt", so der Verband der Chemischen Industrie (VCI). "Die Kapazitätsauslastung in der Chemie ist hoch. Entsprechend stark ist der Bedarf an Lieferungen aus Asien." Die indirekten Effekte dürften noch stärker sein, befürchtet VCI-Chefvolkswirt Henrik Meincke: "Wenn bei unseren industriellen Kunden in Europa die Produktion stillsteht, weil Lieferungen aus Asien ausbleiben, sinkt die Nachfrage nach Chemikalien".

Industrieverband beunruhigt

Auch die Maschinen- und Anlagenbauer blicken mit Sorge auf die Havarie im Kanal. "Die asiatischen Märkte sind aktuell die Wachstumstreiber für den Maschinen- und Anlagenbau", sagte der Chefvolkswirt des Branchenverbands VDMA, Ralph Wiechers. "Mit Blick auf die Exporte bedeutet der Stau im Suezkanal möglicherweise Verzögerungen in der Belieferung asiatischer Kunden mit Maschinen, Maschinenteilen und -komponenten." Bei den Zulieferungen aus Asien spüre die Branche auch ohne diese Störung schon Engpässe - insbesondere bei elektronischen Komponenten und Halbleitern. "Abhängig vom gewählten Transportweg könnte es auch hier zu Verschärfungen kommen", sagte Wiechers. "Da Seefrachten aber längere Zeit unterwegs sind, wird sich die aktuelle Lage am Suezkanal vermutlich erst in einigen Tagen bemerkbar machen."

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist deshalb beunruhigt. "Zentrale Lieferketten geraten aufgrund mangelnder Container, unpünktlicher Schiffe und fehlender Transportkapazität ins Stocken, während die Kosten steigen", sagte Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. "Dies wirkt sich in der Industrie bereits negativ auf die Produktionsabläufe aus."

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa

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