Hoher Investitionsbedarf Tennet will deutsches Netz an Bund verkaufen
10.02.2023, 12:11 Uhr
Der Bund müsste hierzulande 15 Milliarden Euro in den Netzausbau des niederländischen Betreibers Tennet stecken.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Stromnetzbetreiber Tennet muss in den nächsten Jahren Milliarden in den Netzausbau investieren. Doch die Niederlande als Eigner haben wenig Lust, Geld in Deutschland auszugeben. Die Tausende Kilometer Leitungen sollen deswegen an Berlin verkauft werden. Dort ist man nicht abgeneigt.
Der niederländische Betreiber Tennet will mit der Bundesregierung über den Verkauf seines deutschen Stromnetzes an den Staat verhandeln. Grund ist der hohe Eigenkapitalbedarf für die Energiewende, den Tennet allein für den Ausbau seines deutschen Netzes auf 15 Milliarden Euro bezifferte. Die Bundesregierung begrüßt den Vorstoß Tennets, "einen vollständigen Verkauf ausloten zu wollen", wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte.
Tennet hatte im vergangenen Jahr den Investitionsbedarf ins Netz auf 35 Milliarden Euro bis 2035 beziffert, wobei der Löwenanteil auf Deutschland entfiele. Die zuletzt deutlich höheren Zinsen am Kapitalmarkt verteuern die Investitionen zusätzlich. Tennet zufolge hat die niederländische Regierung kein Interesse, die Investitionen in Deutschland mitzufinanzieren. "Der Eigenkapitalbedarf von Tennet für dieses Jahrzehnt steigt", hieß es in der Mitteilung. "Es ist deutlich geworden, dass die niederländische Regierung es präferiert, die niederländischen Aktivitäten von Tennet zu finanzieren, derzeit schätzungsweise zehn Milliarden Euro."
Eigentümer der Tennet-Muttergesellschaft ist der niederländische Staat. In Deutschland ist das Unternehmen einer der vier Übertragungsnetzbetreiber. In beiden Ländern zusammen betreibt Tennet nach Firmenangaben 24.500 Kilometer Hoch- und Höchstspannungsleitungen. Das deutsche Tennet-Gebiet ist das flächenmäßig größte der vier Betreiber und reicht in einem Nord-Süd-Korridor von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze. Sitz der deutschen Tochter ist Bayreuth.
Sowohl die niederländische als auch die deutsche Regierung haben umfangreiche und teure Ausbaupläne für die jeweiligen Stromnetze. In Deutschland sei vor allem das Tennet-Netzgebiet von den Ausbauplänen betroffen, sagte die Ministeriumssprecherin. Das würde die Finanzkraft des Unternehmens jedoch übersteigen, wie aus der Tennet-Mitteilung hervorgeht.
FDP warnt vor Staatsmonopol
Bereits 2020 hatte die niederländische Regierung öffentlich gemacht, dass sie zur Deckung des Geldbedarfs eine Beteiligung des Bunds bevorzugen würde. Beide Regierungen sprechen seit Oktober über eine mögliche deutsche Beteiligung an Tennet Deutschland, wie die Ministeriumssprecherin mitteilte. "Die Gespräche sind konstruktiv."
Der FDP-Energieexperte Michael Kruse sagte, eine mögliche Übernahme der deutschen Tennet-Tochter dürfe nur ein Zwischenschritt sein. "Die Bundesregierung müsste in diesem Fall an einer Vergabe an Private arbeiten. Sollten sich in Deutschland keine privaten Investoren mehr für Energienetze finden, dann wäre das ein Alarmsignal, dass etwas mit der Ausgestaltung der Energiewende schiefläuft. Staatsmonopole sind nicht in der Lage, die hier nötigen Innovationen zu erbringen."
Der Bund hatte 2018 über die KfW bereits 20 Prozent an dem ostdeutschen Netzbetreiber 50Hertz übernommen, nachdem auch eine chinesische Gesellschaft ein Auge darauf geworfen hatte. Zudem greift die KfW Insidern zufolge nach einer Minderheitsbeteiligung an dem Stromnetzbetreiber TransnetBW. Im Zuge des russischen Gaslieferstopps hatte der Bund im vergangenen Jahr zudem die Versorger Uniper und Sefe, die frühere Gazprom Germania, verstaatlicht.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts