Relativer Reichtum auf dem Land? Teure Städte fressen Kaufkraft
06.11.2023, 17:05 Uhr Artikel anhören
Blick auf Starnberg: Im Schnitt bleiben hier je Haushalt 32.800 Euro an frei verfügbarem Einkommen pro Jahr übrig.
(Foto: picture alliance / RUIZ)
Wo viele Reiche leben, ist das Leben oft auch teuer. Gleicht das die regionalen Einkommensunterschiede aus? Nur teilweise, wie ein neues regionales Kaufkraft-Ranking zeigt. Aktuelle Daten zeigen: Die meisten großen Städte stürzen drastisch ab.
Reichtum ist relativ: In Deutschland ergeben sich beim frei verfügbaren Einkommen laut einer aktuellen Datenanalyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) regional erhebliche Unterschiede. Insbesondere die regionalen Lebenshaltungskosten zehren Gehaltsvorsprünge schnell auf, wie die ausführliche Analyse der Wirtschaftsforscher zeigt.
Wie wohlhabend oder arm jemand ist, hängt demnach nicht nur am Einkommen, sondern vor allem auch am gewählten Wohnort. Im Ranking der Regionen mit dem im Schnitt höchsten verfügbaren Einkommen ergibt sich eine klare Verteilung. Bundesweit vorn liegt den IW-Daten zufolge die als besonders wohlhabend bekannte Gemeinde Starnberg im Südwesten von München.
Starnberg liegt um 34,7 Prozent über dem bundesweiten Schnitt. Das bundesweit niedrigste Niveau beim preisbereinigten verfügbaren Durchschnittseinkommen weist das IW-Ranking für Gelsenkirchen aus. Dort liegen die Werte um 22,5 Prozent unter dem deutschen Mittel.
Die nächsthöheren realen Einkommen gibt es im Hochtaunuskreis, Baden-Baden und den Landkreisen Miesbach und München. Die nach Gelsenkirchen niedrigsten in Offenbach, Duisburg und Herne. Berücksichtigen die Forscher allerdings die örtlichen Lebenshaltungskosten - die sich in ihrer Höhe bedingt durch Mieten und Abgaben teils erheblich unterscheiden -, dann sieht die deutsche Rangliste des relativen Wohlstands ganz anders aus.
Reicher Wohnort, höhere Kosten
Der zugrunde liegende Mechanismus ist simpel: Wer in einer Kommune mit niedrigen Abgaben und günstigen Mieten beziehungsweise Immobilienpreisen wohnt, hat selbst mit einem vergleichsweise niedrigeren Einkommen am Ende des Monats mehr Geld zur freien Verfügung als mit vergleichbarem Einkommen etwa in Starnberg. Auf diese Weise können Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten einen Teil der Einkommensunterschiede ausgleichen.
Die Stadt München zum Beispiel liegt in der Rangliste nach Einkommen bundesweit auf Platz zwei. Weil die Lebenshaltungskosten dort aber 25,1 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen, reicht es preisbereinigt für die bayerische Landeshauptstadt nur für Rang 24. Andere Großstädte stürzen durch die Preisbereinigung noch weiter ab: Bei Stuttgart geht es um 259 Plätze nach unten: Rang 301 statt 42. Für Frankfurt am Main geht es von 118 auf 370, für Hamburg von 64 auf 297.
Im Gegenzug steigen günstige Landkreise weit nach oben auf: In der Datenanalyse der IW-Forscher ragt zum Beispiel Tirschenreuth im Nordosten Bayerns weit aus dem Mittelfeld heraus. Der idyllisch gelegene Ort kann durch lokale niedrige Preise 140 Plätze gutmachen und bis auf Rang 60 nach oben springen. Der Landkreis Vulkaneifel weit im Westen verbessert sich um 139 Plätze, Cochem-Zell - ebenfalls in Rheinland-Pfalz - um 135 und die Landkreise Hof und Regen (beide in Bayern) um 133 beziehungsweise 132 Positionen.
Starnberg auf Platz 1
Das höchste verfügbare Jahreseinkommen in regionalen Preisen findet sich den IW-Berechnungen zufolge mit gut 32.800 Euro im bayerischen Landkreis Starnberg. Das sind 34,7 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt. Starnberg ist schon beim nominalen Einkommen Nummer eins und der Vorsprung schlicht so groß, dass er von den hohen Lebenshaltungskosten, die dort 14,1 Prozent über dem Bundesschnitt liegen, nicht ausgeglichen wird.
Auch auf den nächsten vier Plätzen liegen Städte, Kreise oder Landkreise, die schon beim nominalen Einkommen ganz weit vorne liegen: Der Hochtaunuskreis 27,1 Prozent über dem Bundesschnitt, Baden-Baden mit 26,5 sowie die Landkreise Miesbach und München mit 19,8 und 18,6 Prozent überdurchschnittlichen preisbereinigten Einkommen.
Das niedrigste preisbereinigte verfügbare Jahreseinkommen errechnen die IW-Experten für Gelsenkirchen. Mit 18.886 Euro liegt es 22,5 Prozent unter dem Bundesschnitt. Die Rote Laterne hat die Stadt schon vor der Preisbereinigung. Die um 5,1 Prozent unterdurchschnittlichen Kosten dort ändern daran nichts mehr. Dahinter folgen Offenbach am Main, Duisburg, Herne und Freiburg, die 21,7 bis 16,2 Prozent unter dem Bundesschnitt liegen.
Die beiden deutschen Extreme Starnberg und Gelsenkirchen bleiben auch unter Berücksichtigung der regionalen Lebenshaltungskosten stabil auf ihren Plätzen. Im Mittelfeld wirft das gewichtete Ranking nach verfügbarem Einkommen (abzüglich Lebenshaltungskosten) einiges durcheinander. Das liegt allerdings auch daran, dass die Unterschiede in der Masse der deutschen Regionen teils nur relativ klein sind. Insgesamt nivellieren die regionalen Kosten die Einkommensunterschiede ein Stück weit. "Die Streuung wird kleiner", erklärt Christoph Schröder vom IW. Auch die Unterschiede zwischen Ost und West gingen zurück.
Auch auf dem Land hätten die Menschen oft ein gutes Einkommen, sagt Schröder. Der Kreis Olpe in Nordrhein-Westfalen liege beispielsweise auf Rang 25 beim Nominaleinkommen. Zusammen mit Lebenshaltungskosten unter dem Durchschnitt reicht das dann für Platz neun beim Realeinkommen.
Ermöglicht wurde die flächendeckende Datenanalyse durch ausführliche Vorarbeiten: Die Daten zum nominalen Einkommen zum Beispiel stammen komplett vom Statistischen Bundesamt mit Stand 2021. Das IW-Institut führte diesen Datensatz mit einem kürzlich von ihm zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) veröffentlichten Index der regionalen Lebenshaltungskosten auf Ebene der Kreise, Landkreise und Städte zusammen. Der Preisindex basiert unter anderem auf 24 Millionen teilweise automatisiert im Jahr 2022 abgefragten Preisdaten. Entscheidend für größere Unterschiede waren dabei die Wohnkosten. Nicht berücksichtigt in der Rangliste sind Unterschiede in der Ausgabenstruktur, dass beispielsweise Städter möglicherweise weniger hohe Pendelkosten haben als Menschen aus billigeren Landkreisen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa