Wirtschaft

Deutschland größter Verlierer "Trump führt Generalangriff auf die WTO"

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Wird das auf den WTO-Regeln beruhende Welthandelssystem gestört, droht Deutschland eine Wirtschaftskrise.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Im Handelskonflikt zwischen den USA und der EU geht es um viel mehr als um Stahl und Aluminium. Es gehe um die Existenz des Welthandelssystems und seiner Regeln, sagt Wirtschaftsprofessor und Handelsexperte Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut im n-tv.de Interview. Niemand brauche dieses System so dringend wie wir Deutschen.

n-tv.de: Die EU-Kommission hat als Reaktion auf Trumps Zölle bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. Wie gefährlich ist dieser Handelskrieg um Stahl und Aluminium für den freien Welthandel?

Gabriel Felbermayr: Der Stahl ist gar nicht das eigentlich entscheidende Thema. In diesem Handelskrieg geht es um viel mehr. Die US-Regierung führt einen Generalangriff auf die Welthandelsorganisation mit ihren Regeln als Grundlage des globalen Handels. Die Reaktion der EU wird entscheidend dafür sein, ob das Handelssystem überlebt.

Vor welcher Wahl steht die EU-Kommission?

Die EU muss entscheiden, ob sie mit ihrer Reaktion auf Trumps Entscheidung im Rahmen des WTO-Rechts bleibt oder ob sie dies ebenfalls verlässt. Wenn Europa zu einem schnellen, massiven Gegenschlag ausholt, könnte es selbst die WTO-Regeln verletzen und damit ein verheerendes Signal aussenden, das den regelbasierten Welthandel erschüttern könnte. Zu warten, bis die USA für die neuen Zölle von einem WTO-Gericht verurteilt werden, könnte aber sehr lange dauern, falls es überhaupt passiert. Denn beim WTO-Schiedsgericht sind derzeit nur vier von sieben Richterstellen besetzt - weil die USA seit Jahren Neubesetzungen verhindern. Bevor es zu einer Entscheidung zu Trumps Zöllen kommt, könnten noch weitere Stellen vakant und die WTO praktisch handlungsunfähig werden.

Sollte sich die EU also besser zurückhalten und nicht mit eigenen Strafzöllen reagieren?

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Gabriel Felbermayr ist Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am Ifo-Institut in München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Eine Gefahr des Handelskriegs, den Trump gerade von Zaun bricht, ist, dass er einen Keil zwischen die übrigen WTO-Mitglieder treibt. Die europäische Stahllobby fordert bereits EU-Zölle etwa gegen koreanischen und chinesischen Stahl, der nicht mehr wie bisher in die USA exportiert werden kann und daher nun auf den europäischen Markt drängen dürfte. Dem darf die Kommission auf keinen Fall nachgeben, damit würde der Handelskrieg global ausgeweitet. Gezielte Strafzölle dort, wo es der US-Regierung politisch wehtut, sind dagegen richtig. Wenn die EU gar nicht reagiert, könnten andere Akteure wie Indien oder Russland das als Einladung verstehen, die WTO-Regeln ebenfalls zu verletzen.

Glauben Sie, dass die US-Regierung bewusst versucht, die WTO zu zerstören?

Davon muss man ausgehen. Bereits im vergangenen Jahr ist ein Dokument aus dem Weißen Haus aufgetaucht, in dem die Regierung sich aus Gründen der nationalen Souveränität vorbehält, WTO-Entscheidungen gegen die USA nicht anzuerkennen.

Welche Folgen hätte es für Deutschland als Exportnation, sollte das von den WTO-Regeln bestimmte Handelssystem zusammenbrechen?

Deutschland ist diejenige unter den großen Industrienationen, die bei einer Eskalation des Handelskriegs am meisten verlieren würde. Unsere Modellrechnungen zeigen, dass US-Zölle von 20 Prozent das BIP in Deutschland um etwa 0,3 Prozent senken würden. Das hört sich erstmal nicht dramatisch an. Kommen dazu aber noch nicht-tarifäre Handelshemmnisse - etwa Schikanen durch Regulierungen - dann könnte sich das auf 0,6 bis 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung erhöhen. Und dabei ist nur der Handel mit USA berücksichtigt. Weitet sich der Krebs des Protektionismus weltweit aus, droht Deutschland eine nachhaltige Rezession.

Heißt das nicht, dass wir uns selbst mehr schaden als den USA, wenn die EU Revanche-Zölle erhebt und der Konflikt eskaliert?

Wenn wir gar nicht reagieren, dann werden Trumps Zölle für die USA zumindest kurzfristig einen positiven Effekt haben und für uns einen negativen. Wenn wir gegenhalten, verlieren auch die Amerikaner - und deutlich, denn die USA sind beim Konsum stark von Importen abhängig. Klar ist: Bei einem Handelskrieg kommt für niemanden etwas Positives heraus. 

Mit Gabriel Felbermayr sprach Max Borowski

Quelle: ntv.de, mbo

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