Wirtschaft

"Schreckliche Entscheidung" Türkische Zentralbank erhöht Leitzins nur leicht

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Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan hat die Trendwende eingeleitet.

Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan hat die Trendwende eingeleitet.

(Foto: picture alliance / AA)

Die hohe Inflation in der Türkei hält sich hartnäckig. Die Notenbank hebt den Leitzins nun zwar erneut an, allerdings weniger stark als erwartet. Ökonomen sind alles andere als begeistert.

Die türkische Zentralbank hat ihren Leitzins angesichts der hartnäckig hohen Inflation und der kräftigen Lira-Abwertung den zweiten Monat in Folge angehoben. Er steige von 15,0 auf 17,5 Prozent, teilten die Währungshüter mit. Ökonomen hatten allerdings mit einer kräftigeren Anhebung auf 20,0 Prozent gerechnet.

Die Zentralbank hat erst im vergangenen Monat unter ihrer neuen Chefin Hafize Gaye Erkan eine Trendwende eingeleitet und den Leitzins von 8,5 auf 15,0 Prozent heraufgesetzt. Sie signalisierte nun weitere Schritte. "Die Straffung der Geldpolitik wird so weit wie nötig zeitnah und schrittweise weiter verstärkt, bis eine deutliche Verbesserung der Inflationsaussichten erreicht ist", kündigte die Notenbank an.

Bei Ökonomen stieß der unerwartet kleine Schritt auf Kritik. "Eine schreckliche Entscheidung", sagte Analyst Tim Ash vom Vermögensverwalter Bluebay Asset Management. "Ich halte sie für einen Fehler." Andere Experten äußerten Verständnis. "Es bestehen ernsthafte Bedenken, dass ein zu schnelles Vorgehen möglicherweise die Finanzstabilität gefährden und die Wirtschaft im Allgemeinen erschüttern könnte", sagte Chefvolkswirt Stuart Cole von Equiti Capital. Ökonomen gehen davon aus, dass der Leitzins bis zum Jahresende auf 25 Prozent steigen wird. Bei den Aktien-Anlegern kam die unerwartet geringe Zinserhöhung gut an. Der Leitindex legte um 1,6 Prozent zu.

Inflationsziel in weiter Ferne

Die Inflation ist im Juni zwar stärker als erwartet zurückgegangen, bleibt jedoch mit 38,21 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat sehr hoch. Das von der Zentralbank angestrebte Inflationsziel von fünf Prozent ist damit allerdings immer noch in weiter Ferne. Zu den größten Preistreibern gehören Lebensmittel und alkoholfreie Getränke, die fast 54 Prozent mehr kosteten als im Juni 2022. "In unserem Land deuten die jüngsten Indikatoren darauf hin, dass der zugrundeliegende Inflationstrend weiter ansteigt", begründete die Zentralbank ihren Zinsentscheid.

Türkische Lira / Euro
Türkische Lira / Euro ,02

Erschwert wird der Kampf gegen die Inflation durch die Abwertung der Lira. Der Kurs der Landeswährung fiel allein in diesem Jahr um 30 Prozent und markierte in dieser Woche ein Rekordtief zum Dollar. Schon 2021 hat der Kurs um 44 Prozent nachgegeben, 2022 um weitere 30 Prozent. Das rohstoffarme Land muss viele Waren aus dem Ausland beziehen, die in Devisen bezahlt werden müssen. Höhere Zinsen machen eine Währung für Anleger attraktiver und können den Kursverfall stoppen.

Laut gängiger Lehrmeinung helfen bei einer hohen Inflation höhere Zinsen, um die Wirtschaft abzukühlen, die Nachfrage zu senken und so die Preise herunterzubringen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan lehnte dies jedoch lange ab und setzte vor allem auf Produktionssteigerungen und Wachstum. Auf die türkische Zentralbank übte er entsprechend Druck aus, um steigende Zinsen zu verhindern. Nach seiner Wiederwahl im Mai ernannte er dann den liberalen Ökonomen Simsek und die Wall-Street-Bankerin Erkan. Beide gelten als Verfechter konventioneller Geldpolitik.

Quelle: ntv.de, chl/rts/AFP

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