Wirtschaft

Tausende Coba-Jobs bedroht Und wieder hat Olaf Scholz ein Bankenproblem

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Neun Prozent hält die italienische Bank durch den Aktiencoup jetzt an der Commerzbank und ist damit der größte Anteilseigner nach dem Staat.

Neun Prozent hält die italienische Bank durch den Aktiencoup jetzt an der Commerzbank und ist damit der größte Anteilseigner nach dem Staat.

(Foto: picture alliance / Arne Dedert/dpa)

Einst wollte der Kanzler aus der Commerzbank einen nationalen Finanzchampion schmieden. Nun macht er sie leichtfertig zum Übernahmeziel. Und holt so potenziell nicht nur italienische Probleme nach Deutschland. Sondern die nächste Zerreißprobe in die Ampel-Koalition.

Als sich Olaf Scholz zuletzt mit der Commerzbank beschäftigte, hatte er kein gutes Händchen. 2019 war das, und Scholz war noch Finanzminister im Kabinett Merkel. Die hiesigen Banken hätten nicht die kritische Größe, um deutsche Industriegiganten ins Ausland zu begleiten. Es brauche einen nationalen Bankenchampion, monierte Scholz. Und agierte monatelang hinter den Kulissen als Kuppler einer Zwangsehe aus Commerzbank und Deutscher Bank. Am Ende platzte die Fusion.

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Auch seitdem ist Scholz‘ Beziehung zum Finanzsektor reichlich glücklos geblieben. Nicht nur sind da seine frappierenden Erinnerungslücken als einstiger Erster Bürgermeister von Hamburger bezüglich millionenschwerer Cum-Ex-Steuergeschenke an die Warburg-Bank. Auch als Regierungschef im Kanzleramt läuft es nun nicht viel besser für Scholz mit der Commerzbank. Diesmal hat er sich nicht zu viel, sondern offenbar zu wenig für die Belange des zweitgrößten deutschen Geldhauses engagiert. Und sich und seine Koalition damit vollends blamiert.

Mit dem dilettantischen Blockverkauf der ersten Anteile an der Commerzbank, die der Bund seit der Finanzkrise hält, hat Scholz das Finanzinstitut leichtfertig in die Hände der italienischen Unicredit gespielt. Es droht der Abbau von tausenden Jobs. Die standen in der reichlich überversorgten deutschen Bankenlandschaft zwar immer auf der Kippe, egal wer bei der Coba einsteigt.

Doch weil der Kanzler den Verkauf sorglos vermasselt hat, bekommt er langfristig nun womöglich genau das, wovor er sich 2019 am meisten gefürchtet hat: Einen ausländischen Champion im deutschen Bankenmarkt, der sich von Berlin nichts mehr sagen lässt. Für Deutschland könnte dieser Fehler zum Milliardenrisiko werden. Und für die Ampel-Koalition, die nur noch auf Zeit spielt, zum gefährlichen Zankapfel.

Kanzler in einer Nacht- und Nebelaktion überrumpelt

Nicht nur Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein ist "irritiert". "Das Ganze ist ohne Einbindung der hessischen Landesregierung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erfolgt, die selbst innerhalb der Bundesregierung manchen überrascht hat." Die brachte ein Paket von 4,5 Prozent an der Commerzbank einfach meistbietend unter den Hammer. Und war dann verdutzt, dass die Unicredit bei der Auktion dankend zuschlug. Nun, wo es zu spät ist, soll die Sache laut "Bloomberg" plötzlich Chefsache werden. Im Kanzleramt wollen demnach interne Ermittler aufarbeiten, wie es überhaupt zu der Blamage kommen konnte.

Scholz und seine Strategen haben sich völlig überrumpeln lassen. Dabei kann ihnen das Interesse ausländischer Großinvestoren nicht verborgen geblieben sein. Schon 2019 standen sie bei der geplanten Fusion von Commerzbank und Deutsche Bank Schlange. Eigentlich kann also weder im Kanzleramt noch im Finanzministerium irgendjemand überrascht sein, dass die Unicredit bei der Coba ihren Fuß in die Tür gestellt hat. Am wenigsten der Kanzler selbst: Damals hat Scholz als Finanzminister über fast ein ganzes Jahr hinweg bei diskreten Treffen mit den Chefs von ING, UBS, BNP und auch Unicredit deren Interessen ausgelotet, während die Gespräche liefen.

Neun Prozent hält die italienische Bank durch den Aktiencoup jetzt an der Commerzbank und ist damit der größte Anteilseigner nach dem Staat. Unicredit-Chef Andrea Orcel will die Beteiligung auf bis zu 30 Prozent ausbauen und wirbt für eine Übernahme. Wann genau es mit dem Verkauf weitergeht, ist noch unklar. Die zuständige Finanzagentur hat beschlossen, die restliche Zwölf-Prozent-Beteiligung vorerst weiter zu halten und bis auf Weiteres keine Anteile der Commerzbank mehr abzustoßen.

Doch FDP-Finanzminister Christian Lindner lässt keinen Zweifel daran, dass er nach 16 Jahren raus aus der Commerzbank will: "Der Bund kann, darf, will nicht auf Dauer an einer privaten Bank beteiligt sein". Strategische Erwägungen scheinen ihm egal zu sein: Er wolle "keine Industriepolitik betreiben", sondern die Staatsanteile "diskriminierungsfrei" in den Markt geben, sagt Lindner. So stößt er die Tür für eine Übernahme durch die Unicredit weit auf. Und für einen weiteren Belastungstest in der Ampel-Koalition, die sich ein Jahr vor den nächsten Wahlen ohnehin nur noch dahinschleppt.

Nächster Belastungstest für die Ampel

Denn Olaf Scholz sieht die Sache ganz anders. Er wusste immer, was auf dem Spiel steht: Sollte ein Deal mit der Unicredit zustande kommen, könnten zwei Drittel der Jobs wegfallen, warnt Commerzbank-Gesamtbetriebsratschef Uwe Tschäge. Das ist sicher ein Stückweit Panikmache, um Hürden für die Übernahme aufzubauen. Doch erheblich dürfte der Jobkahlschlag in jedem Fall werden. Verdi-Chef Frank Werneke macht bereits Druck: "Der Bund darf keine weiteren Anteile an der Commerzbank abgeben, sondern muss sich klar für den Erhalt der Commerzbank als eigenständiges Institut positionieren".

Scholz‘ schlimmster Alptraum wahr: Massive Jobverluste waren bei der Commerzbank so oder so kaum vermeidbar. Doch nun muss der Kanzler sie womöglich schlucken, ohne etwas dafür zu bekommen. Denn sollte die Unicredit die Oberhand gewinnen, dürfte Berlins Einfluss auf den neuen Finanzgiganten schwinden. Die Regierung in Rom hat für eine etwaige Übernahme bereits Zustimmung signalisiert - wenn die Konzernzentrale weiter in Mailand bleibt.

Zugleich wächst im Kanzleramt die Sorge, dass Deutschland mit der Unicredit Probleme aus Italien importiert. Denn dort schwelt seit Jahren eine gigantische Staatsschulden- und Bankenkrise. Die Geldhäuser sitzen auf einem Berg fauler Kredite, die Regierung in Rom hat immer Milliarden in die Finanzinstitute gepumpt. Und zapft sie regelmäßig zur Refinanzierung ihrer Schuldenorgien an. Bei einer neuen Finanzkrise in Rom droht dann die Gefahr, dass der deutsche Steuerzahler erneut einspringen und sich wieder an der Commerzbank beteiligen müsste.

"Im Moment sind wir nur ein Finanzinvestor bei der Commerzbank", sagt Unicredit-Chef Orcel. „Wir könnten die Beteiligung auch wieder verkaufen und einen bedeutenden Gewinn machen, denn der Aktienkurs ist schön gestiegen." Wie das Spiel um das zweitgrößte deutsche Geldhaus am Ende ausgeht, hängt nun von Olaf Scholz ab.

Quelle: ntv.de

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