Plattform vor Zusammenbruch? Viele Twitter-Mitarbeiter flüchten vor "Hardcore"-Musk
18.11.2022, 07:49 Uhr
Elon Musk hat 44 Milliarden US-Dollar in Twitter investiert.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Die Hälfte der ursprünglich 7500 Twitter-Angestellten ist bereits verschwunden, auch 80 Prozent aller Vertragsdienstleister wurden gekündigt. Nun setzt ein neuer Exodus ein: Anscheinend Hunderte Mitarbeiter wollen nicht unter Beweis stellen, dass sie "extrem hardcore" sind.
Bei Twitter hat in den vergangenen Stunden ein neuer Mitarbeiter-Exodus eingesetzt. "Ich bin vielleicht außergewöhnlich, aber verdammt - ich bin ganz einfach nicht hardcore", erklärte eine Mitarbeiterin ihre Entscheidung. Sie nahm damit Bezug auf eine Ankündigung des neuen Twitter-Chefs Elon Musk, wonach das Unternehmen "extrem hardcore" sein müsse, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Musk hatte die Mitarbeiter am Mittwoch in einem Memo auf "lange Arbeitstage mit hoher Intensität" vorbereitet. "Nur außergewöhnliche Leistung wird als ausreichend bewertet", teilte der neue Twitter-Chef mit - und setzte der Belegschaft eine Frist, bis Donnerstagnachmittag (Ortszeit) online ein entsprechendes Arbeitsbekenntnis abzulegen. Wer das nicht tue, werde mit drei Monaten Gehalt als Abfindung gefeuert.
Dieses Ultimatum sollen unterschiedlichen Berichten zufolge mehrere Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgelehnt haben - und damit deutlich mehr als erwartet, wie der britische "Guardian" meldet. Demnach soll sogar der Betrieb des Kurzmitteilungsdienstes in Gefahr sein, da sich unter den Abgängen erneut wichtige Angestellte befinden, die für die Behebung von Störungen und Fehlern in der App und Webversion von Twitter verantwortlich sind.
Nach Angaben der "Washington Post" sollen mehrere kritische Systeme von nur noch ein, zwei oder gar keinen Software-Ingenieuren mehr betreut werden. Musk hatte bereits zuvor die Hälfte der ursprünglich 7500 Angestellten entlassen und 80 Prozent aller Vertragsdienstleister gekündigt.
Musk lockert die Zügel - ein wenig
Als Zeichen für einen größeren Exodus wird unter anderem gewertet, dass Musk am Donnerstag eine strikte Büropflicht, die er vergangene Woche angeordnet hatte, wieder lockerte. Wer am meisten leiste und die Erlaubnis seiner direkten Vorgesetzten habe, dürfe weiter von zu Hause aus arbeiten, schrieb der Milliardär in einer E-Mail an die Belegschaft. "Es fühlt sich an, als wenn sie einige Mitarbeiter vom Bleiben überzeugen wollen", zitiert die "Financial Times" einen Angestellten.
Wenig später berichtete die Branchenjournalistin Zoe Schiffer von einer weiteren Mail, in der das Twitter-Management den verbliebenen Mitarbeitern mitteilte, dass alle Büros vorübergehend geschlossen würden und selbst mit einem elektronischen Türöffner nicht zugänglich seien. In der Mitarbeiterversion der Twitter-App soll der Betrieb anonymen Quellen zufolge bereits erheblich eingeschränkt sein. Wie der "Guardian" weiter schreibt, sollen auch die Fehlermeldungen der öffentlich zugänglichen Version zunehmen. Noch sind App und Webseite allerdings erreichbar. In den Charts trenden #RIPTwitter oder #TwitterDown.
Musk hatte Twitter Ende Oktober für 44 Milliarden Dollar (rund 43 Milliarden Euro) übernommen und umgehend die Chef-Etage gefeuert. Wenig später entließ er rund die Hälfte der 7500 Angestellten und kündigte mehrere Neuerungen an. Der Umbau zu einer profitablen Plattform verläuft allerdings äußerst chaotisch: Erst am Dienstag verschob Musk das neue Abomodell mit dem blauen Verifizierungssymbol auf Ende November. Er reagierte damit auf eine Flut von gefälschten Profilen auf Twitter. Mehrere große Konzerne haben wegen Bedenken über die Entwicklung von Twitter inzwischen ihre Werbung in dem Netzwerk ausgesetzt.
Quelle: ntv.de, chr/AFP