VW-Chef gegen Dieselsubventionen Vom Bremser zum Antreiber
11.12.2017, 17:55 Uhr
Im eigenen Konzern hat Müller die Weichen längst Richtung Elektroantrieb und digitale Verkehrskonzepte gestellt. Nun treibt er auch die politische Debatte an.
(Foto: picture alliance / Boris Roessle)
In der politischen Debatte zur Zukunft der eigenen Branche spielen die Autobauer bislang die Rolle des Bremsers. Mit seiner Forderung, E-Mobilität statt Diesel zu subventionieren, kommt VW-Chef Müller endlich aus der Defensive.
Mehr als zwei Jahre lang ließ sich Deutschlands wichtigster Industriezweig von der ausländischen Konkurrenz, von der Politik, Umweltschützern, Medien, Verbraucher- und Anleger-Anwälten vor sich her treiben. Abblocken, Verzögern, Zeitgewinnen schien die Strategie der Autobauer zu sein angesichts der sich seit dem VW-Abgasskandal stetig verschärfenden Forderungen in der Debatte über die Zukunft der Verbrennungsmotoren und insbesondere des Dieselantriebs - bis gestern.
Mit seine Vorstoß, die Steuersubventionen des Dieselmotors zugunsten einer stärkeren Förderung der E-Mobilität zu beenden, schafft es Volkswagen-Chef Matthias Müller endlich wieder, nicht als Bremser, sondern als Führungsfigur bei der Gestaltung des politischen Rahmens der Autoindustrie wahrgenommen zu werden.
Die großen deutschen Autobauer hatten zuletzt immer wieder betont, was sich alles bloß nicht ändern dürfe. Der Diesel sei auf absehbare Zeit unverzichtbar und der Verbrennungsmotor sowieso, predigten sie mantraartig. Hardware-Nachbesserungen an älteren Diesel-Autos mit untragbar hohen Stickstoff-Emissionen? Zu teuer. Die neuen Abgas-Grenzwerte der Europäischen Union? Für die hiesigen Autokonzerne untragbar hart. VW stand zudem durch seine Weigerung, betroffene europäische Kunden für die Dieselmanipulationen zu entschädigen, besonders schlecht da.
Vom Dieselkäufer zum Straßenbahnfahrer
Dass erstaunliche am Beharren auf diesen alten Positionen ist, dass gerade Volkswagen im eigenen Konzern die Weichen in Richtung nachhaltige Zukunft und E-Mobilität längst gestellt hat und deshalb von einem politischen Wandel nur profitieren kann. Der Konzern hat sich nicht nur das ehrgeizige Ziel gesetzt weltweit führender Anbieter von Elektroautos zu werden, sondern dies auch mit einem Investitionsprogramm mit einem Volumen von 34 Milliarden Euro untermauert. VW ist laut einer aktuellen Studie der EU-Kommission der Konzern, der weltweit am meisten in Forschung und Entwicklung investiert - vor der Google-Mutter Alphabet und Microsoft. Die deutschen Autobauer sind zusammen - gemessen an der Zahl der entsprechenden Patente - technologisch führend auf dem Feld der Elektromobilität.
Mit ihrem öffentlichen Auftreten und ihren politischen Positionen, sei es auf dem Diesel-Gipfel oder in Interviews, unterstrichen die Automanager diesen Führungsanspruch bislang allerdings nicht. Stattdessen betonte Müller vor einigen Wochen im Interview mit n-tv noch, er würde sich jederzeit wieder einen Diesel kaufen. Das klingt nun im Gespräch mit dem "Handelsblatt" völlig anders: "Ich habe mein Mobilitätsverhalten längst verändert", bekannte der VW-Boss da. "Inzwischen fahre ich am Wochenende in der Stadt viel mehr Straßenbahn als früher." Das kann man ihm persönlich glauben oder eher nicht. Das entscheidende ist jedoch, dass Müller inzwischen die Botschaft aussendet, den Wandel voranzutreiben.
Quelle: ntv.de