Russen wollen Kontrolle zurück Warum Schwedt die deutsche Problem-Raffinerie ist
28.02.2023, 16:11 Uhr Artikel anhören
Öl aus Kasachstan soll die ostdeutsche Raffinerie Schwedt mitversorgen.
(Foto: REUTERS)
Die Bundesregierung versucht, den russischen Mehrheitseigner der Raffinerie in Schwedt auszumanövrieren. Doch der zieht vor Gericht. Derweil hilft Polen nur zurückhaltend, die Versorgung mit Öl zu sichern. Nun sollen Lieferungen aus Kasachstan kommen. Doch die müssen durch Russland fließen.
Die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt ist wichtig, um Ostdeutschland einschließlich Berlin mit Benzin und Diesel zu versorgen. Auch das Kerosin für den Hauptstadtflughafen BER stammt zum Großteil von dort. Das Problem: Die Belieferung der Anlage, die dem Gemeinschaftsunternehmen PCK gehört, mit Öl ist - zurückhaltend ausgedrückt - kompliziert.
Das liegt daran, dass die Raffinerie vor der russischen Invasion in der Ukraine nahezu ausschließlich mit Öl aus Russland versorgt wurde. Der Rohstoff wurde durch die Pipeline Druschba über Polen nach Schwedt gepumpt. Fast zwölf Millionen Tonnen wurden dort jedes Jahr verarbeitet.
Nach dem Überfall auf die Ukraine stoppte Deutschland den Bezug von russischem Öl. Seitdem wird nach Ersatz gesucht - und dieser Prozess gestaltet sich zäh. Verkompliziert wird die Lage vor allem dadurch, dass der vom Kreml kontrollierte Öl-Riese Rosneft als Mehrheitseigentümer der Raffinerie rund 54 Prozent der Anteile hält. Die Bundesregierung hat die Deutschland-Töchter des Staatskonzerns, die die Anteile halten, aber unter Treuhandschaft gestellt. Damit haben die Russen den direkten Einfluss auf die Anlage verloren.
Um verlässlich für eine hohe Auslastung der Raffinerie zu sorgen, ist Deutschland derzeit auf Unterstützung aus Polen angewiesen. Der Grund: Über Anlieferungen per Schiff über den Hafen Rostock ist geschätzt eine Auslastung nur etwa zur Hälfte möglich. Angestrebt ist aber einer Kapazität von mindestens 70 Prozent, auch damit die Spritpreise im Osten nicht zu stark steigen. Schon jetzt sind sie dort meist höher als im Westen.
Tanker sollen Öl bringen
Eine Lösung sind Lieferungen mit Tankern, die den Hafen im polnischen Danzig anlaufen. Von dort kann das Öl durch das Druschba-Leitungsnetz auf polnischem Territorium nach Schwedt gepumpt werden. Derzeit sieht es so aus, als ob Polen das tatsächlich ermöglicht - allerdings sehr zögerlich. Einzelne Tanker werden dort zwar entladen. Nach einer dauerhaften Belieferung über diesen Weg sieht es derzeit aber nicht aus.
Denn rein rechtlich ist Rosneft noch immer der Mehrheitseigentümer der Raffinerie. Die polnische Regierung sieht darin ein großes Problem und ist offenbar erst zu langfristigen Zusagen bereit, wenn die Russen die Kontrolle über die Anlage endgültig verloren haben.
Ein Ausweg könnte sein, dass die Bundesregierung die unter Treuhand stehenden Anteile verkauft. Dafür hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Durch sie wird es einfacher, Anteile von Unternehmen zu verkaufen, die unter Treuhandverwaltung stehen.
Formal würde Rosneft Deutschland zwar weiterhin unter Treuhandschaft bleiben. Aber der Käufer der Raffinerie-Anteile könnte über seine Neuerwerbung verfügen. Der juristisch schwierige und damit riskantere Versuch, die Rosneft-Tochter zu enteignen, könnte so vermieden werden.
Der polnische Ölkonzern Orlen, bei dem der Staat größter Anteilseigner ist, hat Interesse signalisiert, bei PCK einzusteigen, wenn Rosneft nicht mehr an der Raffinerie beteiligt ist. Deutsche Unternehmen haben ebenfalls Interesse. Auch Kasachstan liebäugelt dem Vernehmen nach mit einer Beteiligung.
Rosneft klagt
Der zweitgrößte Eigentümer des Raffineriebetreibers, der britisch-niederländische Shell-Konzern, hat bereits angekündigt, seine Anteile in Höhe von rund 37 Prozent verkaufen zu wollen. Die italienische Eni, der rund 8 Prozent an der Raffinerie gehören, will dagegen Miteigentümer bleiben.
Doch es gibt ein Problem. Rosneft klagt gegen die Treuhandverwaltung. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird frühestens nächste Woche ein Urteil fällen - wie es ausfallen wird, ist offen. Und es ist durchaus wahrscheinlich, dass nach dem Urteil der Rechtsstreit in höheren Instanzen fortgesetzt wird.
Ein Ende der Hängepartie um die Ölversorgung mit Schwedt ist also nicht in Sicht. Um für höhere Auslastung zu sorgen, soll nun Öl aus Kasachstan fließen - zumindest in kleineren Mengen. Allerdings muss das Öl über mehrere Tausend Kilometer über russisches Gebiet transportiert werden. Das führt zu zwei Problemen: Zum einen kassiert Russland für die Durchleitung Transitgebühren. Zum anderen kann der Kreml die Durchleitung plötzlich und ohne Vorwarnung stoppen. Und dass er dazu bereit ist, hat die Vergangenheit gezeigt.
Derweil bestätigten der kasachische Pipeline-Betreiber KazTransOil sowie das russische Unternehmen Transneft, dass über die Druschba-Leitung Öl nach Deutschland fließen werde. Doch dass die Russen dauerhaft kasachisches Öl durchleiten, daran gibt es große Zweifel. Die wurden verstärkt, weil Transneft parallel zum grünen Licht nach Deutschland ankündigte, die Lieferungen nach Polen einzustellen. Das Land hatte noch per Pipeline Öl direkt aus Russland bezogen.
Um die längerfristige Versorgung sicherzustellen, soll die Pipeline erneuert werden, die von Rostock nach Schwedt führt. Die Bundesregierung will die dafür veranschlagten Kosten von 400 Millionen Euro übernehmen. Dem Wirtschaftsministerium zufolge könnten dann rund neun Millionen Tonnen pro Jahr durch die Pipeline gepumpt werden. Bisher seien es zwischen sechs und sieben Millionen Tonnen. Die Ausweitung soll ermöglichen, die Raffinerie allein durch Öl-Transport über den Hafen Rostock zwischen 75 und 80 Prozent auszulasten. Doch auch hier gibt es eine Hürde: Die EU-Kommission muss den Plänen noch zustimmen.
Quelle: ntv.de