Größeres Umweltproblem als CO2 Wassernot wird Konzerne viele Milliarden kosten
30.06.2021, 19:05 Uhr
Ein Schild mit der Aufschrift "Pray for Rain" (Bete für Regen) in Stockton, Kalifornien. Der Staat, einer der wichtigsten Agrargebiete der USA, ist seit Jahren mit einer Wasserkrise konfrontiert. Ist Klimaschutz zu teuer? Nichts tun ist teurer, sagen Experten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Geht es um nachhaltige Investments, schauen Investoren immer noch auf die CO2-Kosten für Unternehmen. Ein großer Fehler, warnt eine Studie. Denn die finanziellen Wasserrisiken seien dreimal höher. Um nicht in die Kostenfalle zu tappen, sortieren Konzerne sich neu. Das Ziel lautet: Wasser-Neutralität.
In unseren Breiten gehört Wasser immer noch zu den selbstverständlichen Gütern und ist damit auch kaum ein Mangel-Thema. Es läuft aus dem Wasserhahn, ist reichlich vorhanden und kostet obendrein auch noch wenig. In Afrika ist die Wertschätzung für Wasser umso höher. Überall, wo die Quelle versiegt, ist dem Klimawandel und der wachsenden Dürre unbedingte Aufmerksamkeit gewiss. Und das wird künftig mehr werden, sind sich Experten einig.
Klimaaktivisten, Umweltschützer und Menschenrechtler, auch große Organisationen wie die UN haben den Klimawandel als "Risikomultiplikator" für Wasserknappheit schon länger auf dem Schirm. Der UN-Menschenrechtsexperte David Boyd forderte in seinem Bericht Human Rights and the Global Water Crisis im März: "Angesichts der verheerenden Auswirkungen der globalen Wasserkrise auf Leben, Gesundheit und Menschenrechte müssen schnell und systematisch Abhilfemaßnahmen ergriffen werden."
Auch Analysten haben die Folgen von Wasserknappheit für Wirtschaft und Unternehmen mittlerweile erkannt - und berechnet. Die Experten von Barclays bezeichnen das Risiko in ihrer jüngsten Studie als "das größte Umweltproblem" für den globalen Konsumgütersektor, angefangen von Lebensmitteln und Getränken bis hin zu Landwirtschaft und Tabak.
Wie sich die Lage auf dem Wassermarkt verändert, spiegeln die weltweit steigenden Preise wieder. In den 30 größten US-Städten kletterten diese im Schnitt um 60 Prozent zwischen 2010 und 2019. Die Wasser-Futures in Kalifornien hätten sogar Sprünge bis zu 300 Prozent in den vergangenen Jahren gemacht, zitiert der US-Fernsehsender CNBC aus der Studie.
Die Wirtschaft hängt am "Wasser-Tropf"
Am meisten seien hiervon die Hersteller von Basisgütern wie Grundnahrungsmittel betroffen. Laut Barclays werden sie die Wassernot finanziell am meisten zu spüren bekommen. Den Berechnungen der Experten zufolge summieren sich die Risiken allein in diesem Bereich nach jetzigem Stand auf insgesamt 200 Milliarden US-Dollar. Als Gründe hierfür nennen sie die Abhängigkeit von Agrarrohstoffen, die Anfälligkeit für Schwankungen vom Wasserpreis sowie Störungen durch Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen ebenso wie Bußgelder oder Klagen.
Der Lebensmittelriese Unilever, der Konsumgüterhersteller Colgate und der Produzent von Reinigungsprodukten Reckitt Benckiser dienen als konkrete Beispiele. Der Studie zufolge werden die Wasserrisiken den operativen Gewinn mit 40 bis 50 Prozent belasten. Die ersten Unternehmen räumen ein, Vorsorge zu treffen. "Wir haben die Auswirkungen erkannt, die Wassernot auf Menschen, ihr Leben, ihre Gesundheit und auch auf unser Geschäft hat", zitiert CNBC den Sprecher von Reckitt Benckiser. Der Konzern hat ein klares Ziel ausgerufen: In seinen 20 in wasserarmen Regionen gelegenen Fabriken will Reckitt Benckiser bis 2030 "wasserneutral" wirtschaften.
Bewusstsein für Wasser-Risiken nimmt zu
Aber nicht nur bei Reckitt hat ein Umdenken begonnen: Dass Unternehmen sich heute regelmäßig mit dem Problem befassen, zeigt eine Auswertung der ihrer Protokolle. Laut den Studienautoren haben die wasserbezogenen Kommentare im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 43 Prozent zugenommen.
Gehe es um nachhaltige Investments, stünden bei Anlegern immer noch - völlig zu Unrecht - die CO2-Kosten im Vordergrund, bemängeln die Autoren. Dabei sei das Wasserrisiko geschätzt dreimal höher als die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Kohlendioxid.
Die Diskussion um Elektromobilität zeigt das Problem: Die CO2-Belastungen werden häufig immer noch nicht ganzheitlich erfasst. Elektroautos werden gepriesen und gefördert, weil sie emissionsfrei fahren. Diese "End of the Pipe"-Betrachtung lässt jedoch außen vor, dass auch bei der Gewinnung der nötigen Rohstoffe wie Kupfer oder Eisenerz sowie beim Bau der Autos selbst umfangreiche Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden.
Dass es eine große Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung der Wasserkrise in der Öffentlichkeit gibt, zeigen laut der Studie auch die Preise. Obwohl sie gestiegen sind, schätzt Barclays die "wahren Kosten" von Wasser immer noch drei- bis fünfmal höher ein, wenn man die direkten und indirekten Kosten von Wasserknappheit und anderen Risiken berücksichtigt.
Sollte sich der globale Konsumgütersektor für ein proaktives Wassermanagement entscheiden, dürfte es laut Baclays für die Unternehmen jedenfalls deutlich preiswerter werden: Die Analysten schätzen die Kosten für entprechende Maßnahmen auf rund 11 Milliarden US-Dollar. Die Kosten für Untätigkeit liegen nach ihren Berechnungen 18-mal höher.
Laut S&P Global Ratings hat Wasserknappheit zwar nur in seltenen Fällen einen direkten Einfluss auf die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens, es gibt aber andere Auswirkungen, die sehr teuer werden können. Das kann ein Reputationsschaden oder ein Bußgeld sein. Auch physische Probleme können ein empfindlicher Schlag ins Kontor sein. In Deutschland zum Beispiel fielen 2018 Frachtkähne auf dem Rhein, einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten des Kontinents, wegen Niedrigwasserstände als Transportmittel aus. Die Folge waren Produktionsstillstand, erhöhte Herstellungskosten und unterbrochene Lieferketten in Teilen ganz Europas.
Quelle: ntv.de, ddi