Wirtschaft

Lindner gegen Habeck Wer bekommt das Finanzministerium?

Wollen beide den gleichen Job: Robert Habeck und Christian Lindner.

Wollen beide den gleichen Job: Robert Habeck und Christian Lindner.

(Foto: picture alliance/dpa)

Früher war das Außenministerium heiß begeht, jetzt das Finanzressort. FDP-Chef Lindner hat sein Interesse bereits deutlich geäußert, bei Grünen-Co-Chef Habeck ist der Wunsch ein offenes Geheimnis. Doch der Poker hat erst begonnen.

Olaf Scholz hat es vorgemacht. Der scheidende Bundesfinanzminister hat in den vergangenen Jahren viele Entscheidungen der Großen Koalition maßgeblich mitgeprägt - und die Finanzpolitik in der Corona-Krise völlig neu aufgestellt. Aus dem Schlüsselressort heraus ist ihm gelungen, die Bundestagswahl für die SPD zu gewinnen und wahrscheinlich der nächste Kanzler zu werden. Heiß begehrt ist entsprechend das Finanzministerium bei den beiden kleineren Ampel-Partnern Grünen und FDP.

Wer wird künftiger Finanzminister?

Das steht noch nicht fest und wird vermutlich erst Ende November geklärt, wenn die Ampel-Partner die letzten Details für einen Koalitionsvertrag festzurren wollen. Die FDP hat aber bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass Parteichef Christian Lindner das einflussreiche Amt anstrebt. Die Grünen wollen das Ministerium, das über die Finanzierung von konkreten Projekten bei allen Themen de facto ein Veto-Recht hat, der FDP aber nicht kampflos überlassen. Co-Parteichef Robert Habeck erhebt ebenfalls Anspruch darauf - zumindest intern, wie Insider berichten.

Wer hat das erste Zugriffsrecht?

Wenn - vermutlich am Ende der Verhandlungen – die Personalien geklärt werden, wird die SPD als stärkste Fraktion der drei Ampel-Partner das Kanzleramt für Olaf Scholz nehmen. Die Grünen könnten danach den Finger für das Finanzministerium heben, die FDP ist als kleinster Partner erst danach dran. Doch die Grünen wollen nicht nur das Finanzministerium, sondern auch das mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestatte Klimaministerium, über das verhandelt wird, wie Lindner bereits öffentlich gesagt hat.

Warum sollten die Grünen verzichten?

Die Ampel-Koalition wird nur funktionieren, sagen Spitzenpolitiker aus den drei Parteien, wenn alle an einem Strang ziehen, sich gegenseitig Erfolge gönnen und jede Partei ihre eigenen Anhänger überzeugen kann. Nur dann gäbe es eine Chance, die von Scholz bereits ausgegeben Ziele auch zu erreichen - nämlich für einen Aufbruch zu sorgen, Deutschland zu modernisieren und in vier Jahren wiedergewählt zu werden. Weil sich SPD und Grüne inhaltlich deutlich näher sind, könnten sie der FDP mit dem Finanzministerium eine Trophäe überlassen, die die Liberalen dann mitziehen lässt. Schließlich ist Scholz auf FDP-Stimmen angewiesen, wenn er wie geplant Anfang Dezember zum Kanzler gewählt werden will.

Warum ist das Ministerium für die FDP so wichtig?

Das geht auf die schwarz-gelbe Koalition ab 2009 zurück. Die FDP hatte damals vor der Bundestagswahl erfolgreich für Steuersenkungen geworben - der Wahlkampf-Slogan "Mehr Netto vom Brutto" verhalf ihr zu einem Rekordergebnis. Doch die Liberalen entschieden sich für das Außenministerium sowie das Wirtschaftsministerium und ließen der CDU mit Wolfgang Schäuble das Bundesfinanzministerium. Dieser legte nach der globalen Finanzkrise den Schwerpunkt aber auf die Konsolidierung des Haushalts - und nicht auf Steuersenkungen. Die FDP saß am kürzeren Hebel und flog vier Jahre später sogar aus dem Bundestag. FDP-Politiker, die momentan über die erste Ampel-Regierung im Bund verhandeln, sprechen von einem Riesenfehler, teilweise auch von einem Trauma. Das dürfe der Partei nicht noch einmal passieren.

Was könnten die Liberalen alternativ bekommen?

Bei SPD und Grünen heißt es hinter vorgehaltener Hand, Lindner wäre ein idealer Wirtschaftsminister, gerne mit zusätzlichen Kompetenzen für die Digitalisierung. Reizvoll könnte für ihn auch das Innenministerium sein, ergänzt um Digitales. Dann könnten die Grünen nach dem Finanzministerium in der zweiten Runde auch das Klimaministerium bekommen.

Würde die FDP da mitspielen?

Eindeutig nein, heißt es in Parteikreisen und teilweise auch bei den Ampel-Partnern. Die FDP könnte dann einfach ihrerseits das Klimaministerium nehmen - mit dem Ziel, es gegen das Finanzministerium zu tauschen. Die Grünen, so das Kalkül der Liberalen, könnten es sich gar nicht erlauben, ein Klimaministerium nicht selbst zu übernehmen und es der FDP zu überlassen, die in der Klimapolitik ganz andere Ansätze verfolgt und auf weniger staatliche Eingriffe setzt. Allerdings dürfte das Klimaministerium - anders als von den Grünen im Wahlkampf gefordert - kein Veto-Recht bekommen. Das spricht zwar machtpolitisch für das Finanzministerium, die Grünen müssen aber auch ihre Mitglieder überzeugen. Denn diese sollen in einer Urabstimmung den Koalitionsvertrag billigen. Teilweise gab es schon nach der Sondierungsphase intern Kritik, die Klimapläne seien zu unkonkret. Beispielsweise soll der Kohleausstieg "idealerweise" bis 2030 gelingen.

Was spricht bei den Grünen für das Finanzministerium?

Bei den Grünen wird spekuliert, SPD und FDP wollen das Klimaministerium gar nicht. Denn die Aufgabe ist immens, selbst bei deutlichen Investitionen und neuen Maßnahmen wird es hier keine schnellen Erfolge geben, sind sich Experten einig. Die bestehenden Klimaziele bis 2025 einzuhalten, gilt als kaum möglich. Insofern müsste Habeck, sollte er das Ministerium übernehmen, jedes Jahr erklären, warum man noch Zeit brauche. Klimaschutzmaßnahmen wie steigende Benzinpreise oder Windräder in der eigenen Region sind zudem oft unpopulär in der Bevölkerung. Fraglich, ob die Grünen ihr Rekordergebnis aus diesem Jahr bei der nächsten Bundestagswahl dann halten können.

Die Grünen pochen zudem auf zusätzliche Investitionen im Umfang von 50 Milliarden Euro, die ein Finanzminister aus den eigenen Reihen trotz aller Haushaltslöcher eher mobilisieren dürfte. Ansonsten ist man immer abhängig von der FDP. Allerdings wären die Liberalen, sollten sich die Grünen mit dem Finanzministerium durchsetzen, brüskiert - und der erhoffte gute Start des neuen Bündnisses könnte zum Fehlstart werden.

Was will Lindner als Finanzminister erreichen?

Unter Scholz hat sich die Finanzpolitik ab 2020 stark geändert. Hauptgrund dafür war die Coronavirus-Pandemie, die nicht nur Europa in eine schwere Krise gestürzt hat. Seitdem ist die Schwarze Null im Haushalt Geschichte, Rekord-Schulden werden aufgenommen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Auch auf europäischer Ebene wurden riesige Summen mobilisiert, die über gemeinsame Anleihen der EU-Länder finanziert werden. Genau hier dürfte Lindner ansetzen: ein stärkerer Fokus auf die sich abzeichnenden Inflationsgefahren, eine baldige Rückkehr zur Schuldenbremse in Deutschland, nachhaltig tragfähige Finanzen in Europa und wenn möglich auch noch Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürger.

In der SPD heißt es, Habeck wäre besser geeignet das "Erbe von Scholz" als Finanzminister fortzuführen. Als Beispiel wird immer wieder die Integration der EU-Länder genannt - etwa über Investitionen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds oder über die Schaffung eigener Einnahmequellen. Scholz habe wieder für Vertrauen der Südländer gesorgt - nach den rigiden Sparvorgaben infolge der Griechenland-Krise. Es sei zu befürchten, dass Lindner gegenüber Italien, Spanien und Griechenland nicht den richtigen Ton finde.

Quelle: ntv.de, jga/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen