"Projekt Panther" Wieso wollte Wirecard die Deutsche Bank schlucken?
25.08.2020, 12:56 Uhr
Wirecard wird abgewickelt.
(Foto: imago images/Christian Ohde)
Während die Zweifel an der Seriosität von Wirecard wuchsen, erwog der Zahlungsabwickler einen großen Coup: Er plante, die größte deutsche Bank zu übernehmen - eine verwegene Idee.
Wenige Monate, bevor Wirecard implodierte, hatte die Konzernführung eine Idee: Der Zahlungsdienstleister wollte die Deutsche Bank kaufen. Der "Financial Times" zufolge erschien eine Übernahme für Wirecard aus zwei Gründen attraktiv: Zum einen wäre ein solcher Schritt die Krönung des rasanten Aufstiegs gewesen. Zum anderen hätte sich ein Weg geboten, um jahrelangen Betrug zu verschleiern.
Wirecard hatte, wie auch die Agentur "Bloomberg" berichtet, bei der Beratungsgesellschaft McKinsey eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die im vergangenen November der Wirecard-Führung präsentiert wurde. Ein Name des fusionierten Instituts kursierte auch schon: Wirebank. Sie würde das Finanzsystem "grundlegend umgestalten" und "wie ein Fintech handeln - in der Dimension einer globalen Bank", hieß es. Durch den Zusammenschluss ließen sich jährlich zusätzliche Gewinne in Höhe von sechs Milliarden Euro freisetzen.
Damals wurden Deutsche Bank und Wirecard an der Börse mit jeweils rund 14 Milliarden Euro bewertet. McKinsey stellte einem fusionierten Unternehmen eine Marktkapitalisierung von knapp 50 Milliarden Euro in Aussicht. Wie der "Spiegel" berichtet, war Wirecard-Chef Markus Braun in dem Plan als Vorstandsvorsitzender der "Wirebank'" vorgesehen. Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing sollte der Vorsitz des Aufsichtsrats angeboten werden. Der Codename für den Angriff auf das Traditionshaus: "Projekt Panther".
Ein solcher Deal hätte nicht nur das Ego der Wirecard-Chefetage befriedigt, sondern hätte auch ein Problem lösen können, das mittlerweile die Existenz des Zahlungsabwicklers bedrohte: Rund 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten bei philippinischen Banken lagen, waren verschwunden oder hatten nie existiert - und ein beträchtlicher Teil der Umsätze mit Drittfirmen in Asien beruhte offenbar auf Scheingeschäften. Mittlerweile drohte das System aufzufliegen.
Vernichtendes Urteil
Denn seit Monaten warf die "Financial Times" Wirecard wiederholt falsche Bilanzierungen bei Auslandstöchtern vor. Die Zweifel an der Seriosität des Unternehmens wuchsen. Mit dem Aufgehen des Geschäfts von Wirecard in der riesigen Bilanz der Deutschen Bank wäre es Wirecard womöglich gelungen, die Tricksereien weiter zu verschleiern oder das fehlende Geld als Aufwendungen im Fusionsprozess zu verbuchen.
Doch es kam anders. Wirecard sah sich gezwungen, die Vorwürfe zu entkräften und engagierte KPMG mit einer Sonderprüfung. Und ohne grünes Licht der Wirtschaftsprüfer, die die Bücher des Zahlungsdienstleisters durchforsteten, war an Fusionsgespräche nicht einmal ansatzweise zu denken.
Der ersehnte Persilschein kam allerdings nicht. KPMG stellte Wirecard ein vernichtendes Zeugnis aus: Das Management behindere Untersuchungen und mauere bei internen Kontrollen. Wenig später meldete Wirecard Insolvenz an. Der langjährige Vorstandschef Markus Braun sitzt in Untersuchungshaft, Ex-Finanzvorstand Jan Marsalek ist untergetaucht. Der einstige Börsenüberflieger wird abgewickelt und zerschlagen. Die Deutsche Bank schließt derweil nicht aus, Teile von Wirecard zu erwerben. Konzernchef Sewing ist jedoch skeptisch. Zukäufe müssten stets Wert für Aktionäre schaffen, sagt er. Vor allem aber müssten die neuen Teile besser sein als das eigene Angebot - und das "ist eine hohe Hürde."
Quelle: ntv.de, jga