Glasbranche schlägt Alarm "Wir verbrennen jeden Tag Geld"
05.03.2022, 08:30 Uhr
Mehrere Flakons werden in den Produktionshallen der Firma Heinz Glas im bayerischen Kleintettau über ein Förderband transportiert.
(Foto: picture alliance/dpa)
Glasschmelzwannen laufen das ganze Jahr. Die Betriebe müssen sie auf mehr als 1500 Grad Celsius erhitzen. Das kostet die Branche wegen steigender Energiepreise seit einigen Monaten Unmengen an Geld. Mit dem Krieg in der Ukraine rückt das nächste Problem in den Fokus.
Die besonders energieintensive Glasindustrie kämpft seit Monaten mit den hohen Strom- und Gaspreisen, nun kommen auch noch Sorgen um die Versorgungssicherheit hinzu. "Wir verbrennen jeden Tag Geld", sagte Carletta Heinz, Chefin des Familienunternehmens Heinz-Glas mit Sitz im oberfränkischen Tettau. Der Bundesverband Glasindustrie fordert schnelles Handeln wegen der Energiepreise und gegen drohende Versorgungsengpässe.
Die Glasschmelzwannen in den Betrieben laufen das ganze Jahr und rund um die Uhr, sie müssen auf mehr als 1500 Grad erhitzt werden. In Deutschland passiert das laut dem Verband zu 75 Prozent mit Erdgas, sonst meist mit Strom. Die Preise dafür aber sind im vergangenen Jahr in die Höhe geschossen - ein Problem für eine Branche, in der 15 bis 20 Prozent der Betriebskosten laut Verband Energiekosten sind.
Gewinne würden aufgezehrt, die Glasproduktion werde unrentabel. Dabei gehe es der Branche an sich gut, betonen die Betriebe. "Die schlimmste Krise wäre, wenn Produkte nicht mehr gebraucht würden. Das ist beim Glas nicht so, das Geschäft geht sehr gut", sagte Nikolaus Wiegand von Wiegand-Glas im oberfränkischen Steinbach am Wald. Die Rennsteig-Region in Nordbayern und Thüringen ist ein Kerngebiet der Glasbranche.
"Geht nicht ewig so weiter"
Die Energiekosten hätten sich mehr als verfünffacht, rechnen die Unternehmen in einem Video vor, mit dem sie auf ihren "Existenzkampf" aufmerksam machen. In den thüringischen Werken von Wiegand und Heinz werden deshalb neu angeschaffte Schmelzwannen vorerst nicht in Betrieb genommen. Finanziell gesunde Unternehmen würden gerade mit Ressourcen gespeist, die sie jahrelang aufgebaut hätten, sagte Wiegand. "Aber das geht nicht ewig so weiter."
Konkurrenten im Ausland hätten das Problem meist nicht, sagte Heinz. Wiegand kritisierte, man produziere unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Die Unternehmen fordern, die Preise für Gas und Strom zu deckeln. Der Bundesverband hofft außerdem auf Soforthilfen. Helfen würde demnach eine rückwirkende Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Januar. Allerdings gilt für stromintensive Betriebe bereits eine Ausnahmeregelung: Sie müssen nur eine reduzierte Umlage zahlen.
Ukraine-Krieg schlägt durch
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt sich die Branche zudem um die Versorgungssicherheit mit Erdgas. Man müsse von dem fossilen Brennstoff schneller weg, als es ohnehin geplant sei, sagte Heinz. Die Glasbranche sieht sich als mögliche Vorreiterin bei der Energiewende: Man sei für die Transformation in eine CO2-freie Produktion geeignet, gerade die kleineren Wannen ließen sich schon komplett auf Strom umstellen, sagte Heinz. Die Unternehmen fordern den Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft und Fotovoltaik.
Im Fall eines Versorgungsengpasses stehen laut dem Bundesverband katastrophale Folgen bevor: Eine Komplettabschaltung sei in der Glasindustrie nicht möglich. Glaswannen werden demnach kontinuierlich betrieben. Würde das Feuer abgestellt, gingen sie kaputt. Es gäbe also nicht nur einen Produktionsausfall, sondern irreversible Anlageschäden von bis zu 50 Millionen Euro je Anlage, hieß es.
Quelle: ntv.de, chr/dpa