Chinesische Medien dementieren Zensierte Google-Version sorgt für Empörung
02.08.2018, 15:54 Uhr
2010 zog sich Google vom chinesischen Markt zurück. Nun plant der US-Konzern offenbar ein Comeback.
(Foto: REUTERS)
Berichte über eine Rückkehr Googles auf den chinesischen Markt sorgen bei Menschenrechtlern für Entsetzen. Denn der US-Konzern plant offenbar eine zensierte Version seiner Suchmaschine. Chinas Staatsmedien bestreiten den Vorgang.
Der US-Internetkonzern Google plant Medienberichten zufolge eine zensierte Version seiner Suchmaschine, um wieder auf den weltgrößten Internetmarkt in China zu kommen. Aktivisten und Menschenrechtler reagierten empört und sprachen von einem "schwarzen Tag für die Internetfreiheit". Nach den Enthüllungen im US-Portal "The Intercept" bestätigten nicht näher genannte Quellen auch der "New York Times" die Pläne.
Die zensierte Suchmaschine mit dem Namen "Dragonfly" (Libelle) würde in China gesperrte Webseiten und Suchanfragen nach Menschenrechten, Demokratie, Religion oder friedlichen Protesten aussortieren, wie die beiden US-Medien berichteten. Damit entspreche die Suche den strikten Zensurvorschriften der kommunistischen Führung in Peking. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem "schweren Angriff auf die Informationsfreiheit".
Google ist in China aktuell gesperrt, weil es sich der Zensur zumindest bisher nicht beugen wollte. Der Konzern sucht aber nach einem Zugang zu den 730 Millionen chinesischen Internetnutzern. Google wollte die Berichte nicht bestätigen: "Zu Spekulationen äußern wir uns nicht", sagte ein Sprecher. Das Unternehmen biete eine Reihe mobiler Apps in China an, unterstütze chinesische Entwickler und investiere in dortige Unternehmen.
Projekt "Dragonfly" begann im Frühjahr 2017
Die renommierte Zeitung "China Securities Journal", die von der staatlichen Wertpapieraufsicht herausgegeben wird, nannte Spekulationen über eine Rückkehr Googles nach China "nicht richtig". Dagegen erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Kreisen des US-Konzerns und chinesischer Behörden weitere Einzelheiten über die Arbeit an einer Suchmaschine, die die Zensurvorgaben der kommunistischen Regierung erfüllen soll. Das Projekt sorgt offenbar innerhalb des Konzerns für Unruhe.
Das Projekt "Dragonfly" begann Google nach den Medienberichten im Frühjahr 2017 und beschleunigte es seit einem Treffen zwischen Konzernchef Sundar Pichai und einem hohen chinesischen Funktionär im Dezember, schreibt "The Intercept" unter Berufung auf unternehmensinterne Dokumente und mit dem Vorhaben Vertraute. Die Suchmaschine für das mobile Betriebssystem Android sei bereits chinesischen Regierungsstellen vorgeführt worden. Innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate könnte Google die App für chinesische Nutzer herausbringen, sobald Peking die Genehmigung erteile, hieß es weiter.
Dagegen hieß es in chinesischen Behördenkreisen dazu, es sei "sehr unwahrscheinlich", dass die Suchmaschine noch in diesem Jahr in Betrieb gehen werde. Google stehe in Kontakt mit der chinesischen Cyberspace-Behörde (CAC), sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Eine Genehmigung für das Projekt liege nicht vor. Ein Google-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte Reuters, an dem Projekt werde weiter aktiv gearbeitet. Er habe entsprechende Präsentationen gesehen, viele hochrangige Manager hätten davon Kenntnis. Er selbst habe sich versetzen lassen, um sich nicht beteiligen zu müssen.
Google war Opfer eines Hackerangriffs
Die Berichte über die neue Suchmaschine lösten heftige Proteste aus. Amnesty-Forscher Patrick Poon sah "einen Sieg für die chinesische Regierung". "Es sendet ein Signal, dass sich niemand mehr die Mühe macht, die Zensur herauszufordern." Er fragte, wie Google dann die Privatsphäre seiner Nutzer schützen werde: "Wird Google auch einknicken und persönliche Daten herausrücken, sollten die chinesischen Behörden das verlangen?"
Auch die Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich für Grundrechte im Internetzeitalter einsetzt, äußerte Kritik. "Das ist äußerst enttäuschend", sagte Eva Galperin von EFF der Zeitung "Wired". Die chinesische Regierung benutze Google dann "letztendlich als Propagandawerkzeug - und Google lässt sich benutzen". Eine zensierte Suchmaschine wäre eine Wende in Googles Chinapolitik: Das Unternehmen hatte sich 2010 aus dem großen Markt zurückgezogen, um sich nicht weiter selbst zensieren zu müssen. Auch war Google kurz zuvor Opfer eines schweren Hackerangriffs geworden, dessen Ursprung in China vermutet worden war.
Chinas "Große Firewall" sperrt nicht nur Google und seine Dienste wie die Suchmaschine oder den E-Mail-Dienst Gmail. Auch soziale Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube und WhatsApp sind geblockt - ebenso Nachrichtenseiten der "New York Times", des "Wall Street Journals" und politisch heikle oder chinakritische Webseiten.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/rts