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Exklusiver Startup-Club Blindes Vertrauen in Einhörner ist gefährlich

Für Startups ist es auch deswegen immer einfacher geworden, schneller zu wachsen, weil sie von ehemaligen Einhörnern profitieren.

Für Startups ist es auch deswegen immer einfacher geworden, schneller zu wachsen, weil sie von ehemaligen Einhörnern profitieren.

(Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

Startups mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar sind vor einigen Jahren noch die Ausnahme. Heute werden immer mehr sogenannte Einhörner hoch gehandelt - auch wenn sie keine Gewinne erwirtschaften. Die Hoffnung der Investoren: Bloß nicht den nächsten Trend verschlafen.

Als die Risikokapitalgeberin Aileen Lee vor sechs Jahren den Begriff "Einhorn" für Startups prägt, deren Wert bereits vor dem Börsengang mit über einer Milliarde US-Dollar beziffert wird, sind großzügige Kapitalspritzen von Investoren noch eine Seltenheit. Damals liegen gerade mal 39 Unternehmen über dieser Marke. Doch seitdem hat sich in der Branche viel geändert. Mit dem Startup-Boom floss einiges an Kapital in junge Unternehmen. Der Klub der Einhörner wächst seitdem stetig. Das chinesische Magazin "Hurun" zählt in einem Ranking inzwischen 494 Startups aus 24 Ländern, die im Schnitt 3,4 Milliarden Dollar schwer sind - mehr als 80 Prozent von ihnen stammen aus den USA oder China.

Auch wenn nur wenige Einhörner aus Deutschland kommen, schafft es die Bundesrepublik laut "Hurun" immerhin noch auf Platz fünf. Mit der Smartphone-Bank N26 und der Ticketplattform Getyourguide ist es zwei Startups gelungen, 2019 dem exklusiven Club beizutreten.

Obwohl der Begriff Einhorn etwas Seltenes beschreibt, haben junge innovative Unternehmen Hochkonjunktur. Dabei bieten Startups, die die magische Schwelle erreichen, oft einen Nischenservice oder ein Produkt an, das nur eine bestimmte Gruppe von Menschen anspricht. Lee fand in ihrem Bericht heraus, dass die meisten erfolgreichen Einhörner verbraucherorientiert waren, gefolgt von Unternehmen, die Dienstleistungen für andere Unternehmen erbringen.

Für Startups ist es auch deswegen immer einfacher geworden, schneller zu wachsen, weil sie von ehemaligen Einhörnern profitieren. Facebook, Google und Amazon haben erschwingliche Cloud-Services und Web-Plattformen gegründet, die es der neuen Generation ermöglichen, ihr Geschäft zu betreiben, schreibt Lee in einem Beitrag für TechCrunch.

Doch ist die 1-Milliarde-Dollar-Marke heute noch etwas Besonderes, wenn sich jedes Jahr mehr Tiere zu der Herde gesellen? Einhorn-Unternehmen lassen Rückschlüsse darüber zu, an welche Zukunft, Technologien und gesellschaftlichen Umbrüche eine kleine Gruppe einflussreicher Investoren glaubt, schreibt Autor und  Betriebswirt Joel Luc Cachelin in seinem Buch "Einhorn-Kapitalismus". Für ihn sind Startups mit einer Milliarden-Bewertung deswegen auch "Botschafter der Zukunft".

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Er räumt aber auch ein: "Umgekehrt könnte man sagen, dass der Innovationsansatz von Einhörnern sehr eindimensional ist. Schließlich folgen sie fast ausschließlich dem Megatrend der Digitalisierung." Genauso wichtige Themen wie die ökologische Wende oder der demografische Wandel spielen für sie noch keine Rolle. Cachelin fordert deswegen, dass sich die Unternehmen vom digitalen Fokus befreien und auch andere gesellschaftspolitische Entwicklungen berücksichtigen. Gleichzeitig warnt er vor dem wachsenden Einfluss der Unternehmen.

Seiner Einschätzung nach schalten Einhörner die Kreativität gleich, führen zu einer Entsolidarisierung und fördern Spekulationsblasen. "Wenn die ganze Kreativität nicht in soziale Innovation fließt, sondern in die Wirtschaft, wo es um Eigeninteressen und nicht das Gemeinwohl geht, ist das gefährlich", sagt Cachelin. Die Digitalisierung führe auch dazu, dass die Gesellschaft in Communities von Gleichgesinnten zerfällt. "Wir bestätigen uns gegenseitig in unseren Vorurteilen und verlieren dabei das Verständnis für Andersdenkende." Doch das blinde Vertrauen der Investoren ist gefährlich. Dass viele Startups trotz hoher Verluste hoch gehandelt werden, ist keine Ausnahme. Tiefrote Zahlen und ein geplatzter Börsengang beim Büroraum-Anbieter Wework sind dieses Jahr zum Paradebeispiel eines maßlos überbewerteten Startups geworden. Der japanische Investor Softbank pumpt trotzdem weiter fleißig Geld in das strauchelnde Unternehmen.

Die Hoffnung auf Wertsteigerung besteht nach wie vor - auch wenn Wework bislang keinerlei Gewinn erwirtschaftet hat. Mit der neuen Geldspritze wird das Unternehmen auf acht Milliarden Dollar taxiert. Damit kommt es nur noch auf einen Bruchteil der 47 Milliarden US-Dollar-Bewertung von Anfang des Jahres.

Die Erfolgsgeschichten von so vielen Startups haben zu mehr Investitionen von Risikokapitalgebern geführt. Investoren wollen dadurch sichergehen, dass sie das nächste große Ding nicht verschlafen. Doch solange sich die Wirtschaft nicht in einer Rezession befindet, geht Cachelin nicht davon aus, dass großzügige Kapitalgeber in Zukunft weniger Geld in bislang unprofitable Unternehmen stecken.

Zur Infografik: In der Top 10 der wichtigsten Herkunftsstaaten teilt sich Deutschland derzeit mit Israel Platz 5. In beiden Staaten zählen die Analysten von Hurun Research aktuell sieben Startups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar.

Quelle: ntv.de

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