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Investoren ignorieren Risiken "WeWork-Pleite forciert neue Realität auf Büromarkt"

Das Geschäftsmodell von WeWork, Flächen langfristig anzumieten und für kurze Zeit weiterzuvermieten, ist in Schieflage geraten.

Das Geschäftsmodell von WeWork, Flächen langfristig anzumieten und für kurze Zeit weiterzuvermieten, ist in Schieflage geraten.

(Foto: imago images/IP3press)

Von 47 Milliarden Dollar auf praktisch null: WeWork, das einst am höchsten bewertete Startup der US-Geschichte, flüchtet sich in die Insolvenz. Im Interview erklärt Tech-Investor Philipp Klöckner, inwiefern der Bürovermittler von der Immobilienkrise profitieren kann und was Investoren versäumt haben.

ntv.de: Mit WeWork hat das am höchsten bewertete Startup der US-Geschichte diese Woche Insolvenz angemeldet. Bricht jetzt der komplette Coworking-Spaces-Markt zusammen?

Philipp Klöckner: Das glaube ich nicht. Es kann schon sein, dass andere Anbieter ähnliche strukturelle Probleme haben. Auch kleinere Konkurrenten haben sicherlich langfristige Mieten zu Höchstpreisen unterschrieben, die sie immer wieder kurzfristig weitervermieten müssen und die sich heute nicht rechnen. Durch die Insolvenz hat WeWork jetzt die Chance, neue Mieten zu verhandeln. Obwohl die Preise für Büroimmobilien sinken, ist das kein Grund, das Ende von Coworking auszurufen. Im Gegenteil. Die Mieten müssen günstiger werden, dadurch wird das Model sogar attraktiver. Vorausgesetzt, WeWork schafft es, langfristige Verträge mit den Vermietern neu zu verhandeln. Außerdem wird es durch alternative Arbeitsmodell weiter eine hohe Nachfrage für Coworking geben. Das Konzept wird definitiv bleiben.

Philipp Klöckner ist Tech-Investor und Moderator des Podcasts "Doppelgänger Tech-Talk".

Philipp Klöckner ist Tech-Investor und Moderator des Podcasts "Doppelgänger Tech-Talk".

(Foto: Philipp Klöckner)

WeWork hat einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 eingereicht. Was bedeutet das?

Mit der Sanierung nach US-Insolvenzrecht will WeWork Schulden abbauen und unrentable Mietverträge loswerden oder neu verhandeln. Die Schulden drücken auf die Umsätze. Sich von diesen zu trennen, ist eine große Chance, um das Unternehmen der Profitabilität näherzubringen. Darüber hinaus wird man sicherlich die Locations in drei große Budgets unterteilen. Locations, die man heute nicht mehr eröffnen würde, wird man schließen. Locations mit hohen Mieten, die profitabel sein können, werden neue Verträge verhandeln. Sind die Schulden weg, profitieren vor allem die Locations in bester Lage, die heute schon eine hohe Auslastung haben. Vielleicht kann man auch da noch mal an den Preisen verhandeln.

Werden sich die Vermieter von Büroimmobilien auf solche Verhandlungen einlassen?

Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben. Sie leiden im Moment sehr darunter, dass große Firmen immer mehr Büros schließen. In den USA droht dem Markt der Büroimmobilien die nächste große Krise. Davon kann WeWork profitieren. Von den momentan 780 Standorten werden meiner Einschätzung nach ungefähr 500 überleben.

Schwarze Zahlen hat WeWork nie geschrieben. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?

Ja, da bin ich mir sicher. Viele kleine Anbieter sind bereits profitabel. Wenn es WeWork gelingt, sich gesundzuschrumpfen, kann das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben. Die Hälfte der massiven Verluste bei WeWork werden durch hohe Zinsen für Kredite verursacht. Hinzu kommt, dass das Unternehmen nur 15 Prozent mehr einnimmt durch Mieten, als das Unternehmen selbst für Mieten zahlt. Und dann sind die Overheadkosten mit ungefähr 500 Millionen Dollar im Jahr noch zu hoch.

Vor zwei Jahren kostete eine Aktie noch 500 Dollar. Sind ähnlich Höhenflüge in absehbarer Zeit realistisch?

Für die nächsten zehn Jahre ist das ausgeschlossen. Einerseits wurden ja, um Schulden aufzunehmen, immer wieder neue Aktien ausgegeben. Es gibt inzwischen mehr als doppelt so viele WeWork-Aktien als noch vor einem Jahr. Die Anteile werden immer mehr und mehr verwässert. Rein rechnerisch sind solche Höhenflüge also sehr unwahrscheinlich. Auch das jetzige Zinsszenario macht das unwahrscheinlich.

Die Pleite ist auch für Investor Softbank ein schwerer Schlag. Das Unternehmen schreibt wegen der WeWork-Insolvenz Milliardenverluste. Was müssen Geldgeber aus der Pleite lernen?

Softbank hat nicht nur Milliarden in das Unternehmen, sondern auch bereits in die Sanierung des Bürovermieters gesteckt. Um die Firma am Laufen zu halten, musste der Tech-Investor Bürgschaften einreichen, damit WeWork sich überhaupt weiter verschulden konnte. Diese Bürgschaften werden jetzt gezogen und sorgen für Verluste. Softbank-Gründer Masayoshi Son ist jemand, der bereit ist, ein hohes Risiko einzugehen. Wie viele erfolgreiche Investoren weiß auch er: In Bubbles lässt sich viel Geld verdienen. Man darf nur den Ausstieg nicht verpassen. Das ist ihm nicht gelungen. Die Erkenntnis sollte sein, mittelfristig solche Engagements in Blasen abzubauen.

Haben Investoren Warnzeichen ignoriert?

Absolut. Einerseits hätte Investoren bewusst sein müssen, dass dieses Geschäftsmodell viele Risiken bietet. In so zyklischen Marktphasen können sich die Preise, die die kurzfristigen Mieter zahlen, gerade im Vergleich zu der Konkurrenz sehr stark verändern. Gleichzeitig sind die langfristigen Preise, die WeWork bezahlt, mit zehn, manchmal 20 Jahren ziemlich starr. Wo Investoren außerdem hätten hellhörig werden müssen, ist die Governance Struktur der Firma. Gründer Adam Neumann hat beispielsweise eigene Häuser an die Firma vermietet. Nach deutschem Recht würde man das wahrscheinlich Veruntreuung nennen. Diese Strukturen hätte bei einer vernünftigen Prüfung alle Warnzeichen angehen lassen. Während WeWork nur noch 50 Millionen Dollar wert ist, ist Neumann weiterhin Milliardär.

Also sind die Investoren blind gewesen?

Die Aufgabe von Wagniskapitalgebern ist es, auf Menschen und Teams zu setzen. Und ohne jeden Zweifel ist Neumann jemand, der Vision zeichnen und damit auch immer mehr Geld einsammeln konnte. Hätten beim Börsengang nicht einige Journalisten und Analysten das Geschäftsmodell sehr genau unter die Lupe genommen, wäre es unter Umständen noch so lange gut gegangen, dass Investoren noch einen großen Teil ihres Geldes zurückbekommen und oder sogar Gewinne damit gemacht hätten.

Der US-Markt für Büroimmobilien steht eh schon unter Druck. Gerät er durch die Insolvenz jetzt noch weiter unter Stress?

Die Pleite von WeWork forciert zwar eine neue Realität auf dem Markt. Der Bürovermittler selbst trägt dazu aber nur bedingt erschwerend bei. In den vergangenen Jahren haben einfach zu viele Firmen auf zu große Büros gesetzt, die sie jetzt nicht mehr brauchen. Große Tech-Unternehmen haben bis zu 20 Prozent ihrer Angestellten entlassen. Dementsprechend gaben sie für ihre großen Büros jetzt keine Verwendung mehr. Hinzu kommt, dass immer mehr Angestellte remote arbeiten wollen. Diese Aspekte haben einen größeren Effekt auf die Branche als die Insolvenz von WeWork.

Mit Philipp Klöckner sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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