F-Pace will SUV-Pfründe Jetzt springt der Jaguar ins Unterholz
16.04.2016, 18:46 Uhr
Mit einem Einstiegspreis von 42.390 Euro ist der Jaguar F-Pace schon recht weit von einem Schnäppchen entfernt.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die deutschen Jaguar-Händler wissen bereits jetzt: Der F-Pace wird ein Hit, sehr wahrscheinlich sogar das bestverkaufte Auto, das sie je in ihren Schaufenstern hatten. Das Crossover-Modell wird vieles bei der britischen Traditionsmarke ändern.
Mit dem neuen Jaguar F-Pace ändert Jaguar nicht nur seine Modellphilosophie, sondern auch seine Kunschaft. Die hat sich zwar schon gewandelt, aber die Metamorphose geht weiter. Nicht mehr nur der englische Landedelmann weiß den Jaguar zu schätzen. Seit den Modellen XF und XE sind es auch zunehmend wirtschaftlich erfolgreiche Menschen vom Kontinent, denen das deutsche Dreigestirn der Premium-Marken zu uniform geworden ist. Mit einem Allrad-Sportwagen wie den F-Pace ist das nun noch besser möglich, denn der bietet anders als zum Beispiel der rassige Zweisitzer F-Type Platz für Familie und Freizeit, reichlich Gepäck und die Möglichkeit, auch mal einen Wasser- oder Pferdesportanhänger zu ziehen.
Angenehmer Nebeneffekt für den Hersteller: Die Menschen, die sich für ein SUV interessieren, sind in der Regel deutlich jünger als die angestammte Jaguar-Kundschaft. Etwa 40 Jahre alt soll der F-Pace-Käufer im Schnitt sein, erwartet Deutschland-Geschäftsführer Peter Modelhart, und dass es zu einem Drittel Käuferinnen sein werden. Jüngere Kunden werden von Autoherstellern geschätzt, als loyale Fahrerinnen und Fahrer einer bestimmten Marke machen sie den Konzernen in der Regel mehrere Jahrzehnte Freude.
Prominente Konkurrenz
Hart und Zielstrebig hat Jaguar unter der Obhut des Tata-Konzerns daran gearbeitet, das Markenimage so zu formen, dass die Ergänzung des Model-Portfolios um ein SUV als logische Konsequenz erscheint. Allein in Deutschland haben rund 1000 Kunden den Fünftürer verbindlich bestellt, und das ohne überhaupt einen Meter damit gefahren zu sein. Weltweit sollen es zehnmal so viele sein. Die Mittelklasse-Limousine XE wird der F-Pace wahrscheinlich noch dieses Jahr von Platz eins der deutschen Jaguar-Verkaufsstatistik verdrängen.
Es gibt Bereiche des Pkw-Marktes, wo man leichter zum Erfolg kommen kann, als im Segment der mittelgroßen SUV. Audi mit dem Q5, BMW mit X3 und X4, Mercedes mit GLC und GLE haben ihre Claims schon lange abgesteckt, Porsches Macan als sportliche Speerspitze ist ebenfalls positioniert. Als Importeure wollen auch Lexus (NX) und Volvo (XC60) zum Zug kommen. Prominente Wettbewerber also und dennoch ist Peter Modelhart zuversichtlich, dass neun von zehn seiner Crossover-Kunden von anderen Marken kommen werden. In einer Disziplin hat der F-Pace die Konkurrenz schon mal hinter sich gelassen: Das Schaulaufen um die fetteste Felge ab Werk hat das First-Edition-Sondermodell mit 22-Zoll-Alus klar für sich entschieden.
Anders als bei der Schwestermarke Land Rover, wo die Modelle Evoque und Discovery Sport mit angetriebener Vorderachse starten und per Haldex-Kupplung bei Bedarf oder elektronischer Vorwahl die Motorkraft auf die Hinterräder lenken, ist der F-Pace wie alle anderen Jaguar-Modelle von seinem Grundkonzept her ein Hecktriebler. Folgerichtig wird das Basismodell mit Vierzylinder-Dieselmotor und 180 PS mit nur einer angetriebenen Achse für 42.390 Euro angeboten. Das gleiche Fahrzeug mit 4x4-Antrieb kostet 44.990 Euro, dann folgen V6-Diesel- und -Benzinmotoren, bis das Ende der Preisliste bei 84.350 Euro für 380 PS und Top-Ausstattung erreicht ist.
Vierzylinder ab 180 PS
Die Front-Signatur, die trotz der riesigen, waben-bewehrten Lufteinlässe die Verwandtschaft zu XF und XE signalisiert, setzt auf vertraute Merkmale und Proportionen. In Gestalt der Heckleuchten zum Beispiel erinnern sie an den F-Type. Die lange Haube und ein kurzer vorderer Überhang charakterisiert in typischer Weise die Katzenmarke. Unter dem Motordeckel ist so viel Platz, dass man sich gut vorstellen könnte, zu einem späteren Zeitpunkt dort einen V8-Benziner wieder zu finden. Die "Special Vehicles"-Abteilung würde eine solche Aufgabe wahrscheinlich nur zu gerne in die Realität umsetzen.
Bis es soweit ist, stellt der mittels Kompressor aufgeladene, drei Liter große V6-Benziner mit 380 PS das leistungsmäßige Optimum dar. Darunter rangiert das gleiche Aggregat mit 340 PS. Der V6-Diesel mit 300 PS, der gerade in der XJ-Limousine Einzug gehalten hat, wird ab 57.690 Euro im F-Pace zu haben sein. Das jüngste Aggregat ist der Vierzylinder-Turbodiesel aus dem neuen Motorenwerk in Wolverhampton, dessen spritzige Kraftentfaltung den Leistungsunterschied zum V6-Selbstzünder geringer erscheinen lässt, als er tatsächlich ist. Peter Modelhart geht davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Vierzylinder-Kunden sich für eine Version mit Allradantrieb entscheiden werden.
Selbstbewusst weist Jaguar darauf hin, dass der F-Pace beim Innenraum-Zuschnitt mit besseren Daten aufwarten kann, als die Hauptkonkurrenten. Die gute Beinfreiheit im Fond fällt auf, auch die Kopffreiheit, obwohl die Rücksitze höher eingebaut sind als die vorderen Plätze und die Dachlinie nach hinten abfällt. Die Lehnen der teilbaren Rückbank sind ebenfalls in der Neigung verstellbar. Durch den verlängerten hinteren Überhang werden 650 Liter Gepäckraum generiert, die Ladekante ist 77 Zentimeter hoch. Die Anhängelast beträgt maximal 2,4 Tonnen. Auch wenn die Innendesigner darauf verweisen können, dass Land Rover es genau macht, erscheint die Platzierung der vorderen Fensterheber-Tasten oben auf der Türverkleidung alles andere als optimal. Außerdem wäre für ein Fahrzeug, dem der Hersteller das Label "Premium" anheftet, eine Höhenverstellung für die Sicherheitsgurte wünschenswert.
Spaß jenseits der Straße möglich
Bergige Testrouten hinterließen im Vierzylinder-Allradler eine Bordcomputer-Anzeige von neun Litern Verbrauch je 100 Kilometer, denen ein Laborwert von 5,3 Litern gegenüber steht. Einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genehmigte sich auch der Dreiliter-Benziner, der nach NEFZ-Norm mit 8,9 Litern auskommen soll. Dort wurden nach Ende der Testfahrt zwölf Liter protokolliert. Eine Bodenfreiheit von 213 Millimetern und eine optionale Ausstattung mit einer teilautonomen Berg- und Talfahrhilfe, die Beschränkung auf reine Lenkarbeit zulässt, erlauben gefahrlose Ausritte ins Gelände. Das Schmankerl für freizeitaktive Fahrerinnen und Fahrer: Mit einem elektronischen, wasserfesten Armband kann man das Auto für 360 Euro extra verriegeln und wieder öffnen, so dass der Schlüssel bei sportlichen Ausflügen nicht stört.
Nach seinem Selbstverständnis ist Jaguar ein Hersteller, der "schöne, schnelle Autos" baut. Diese Einschätzung ist schwer zu widerlegen, doch darf auch der Komfort nicht zu kurz kommen. So ist beispielsweise die Fahrwerksabstimmung eine zentrale Kenngröße, an der sich das subjektive Erleben der Insassen bemisst. Die durchzugsstarken Motoren sorgen in Relation zum Fahrzeuggewicht – etwa zwei Tonnen bei einem luxuriös ausgestatteten Dreiliter-Diesel - für ausreichend Temperament, an der Lenkpräzision gibt es nichts zu tadeln. Allerdings könnte die Programmierung der 8-Gang-Automatik noch schneller auf Unterbrechung der Gaszufuhr reagieren und die Drehzahlen mindern, wenn es erforderlich ist. Der erhöhte Schwerpunkt sorgt dafür, dass in schnellen Kurven eine gewisse Seitenneigung nicht wegzudiskutieren ist. Insgesamt schlägt der Charakter zwischen spitzer Dynamik und sänftenartiger Bequemlichkeit etwas mehr zur komfortableren Seite aus.
Quelle: ntv.de