Online-Autokauf nimmt Fahrt auf Klick, klick, Autoglück
09.01.2022, 15:59 Uhr
Auch der Autokauf wird sich in den kommenden Jahren zunehmend ins Internet verlagern. Darüber sind sich Experten einig.
(Foto: dpa)
Es gibt eigentlich nichts, was man nicht im Internet kaufen kann. Eine letzte Bastion schien bisher der Neuwagenkauf zu sein. Aber auch hier verschieben sich die Dinge. Es sind vor allem die Preise und der Komfort, die den Onlinehandel von neuen Autos in Zukunft weitaus attraktiver machen als der Gang zum Händler.
In der Corona-Pandemie war der Autokauf zeitweise nur kontaktlos möglich. Der Neuwagenvertrieb über das Internet dürfte aber auch in Zukunft eine weitaus wichtigere Rolle spielen als er das bis dato tat. Es sind hier vor allem die Fahrzeughersteller, die die Entwicklung vorantreiben.
Bis Mitte des Jahrzehnts werden mehr als 30 Prozent aller Neuwagen in Europa über das Internet verkauft, prognostiziert eine Studie der Unternehmensberatung Bain. Triebkraft hinter der Entwicklung sind zum einen die jüngeren, digital-affinen Kunden, für die das Einkaufen im Internet eine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen haben auch die Hersteller selbst ein Interesse, zumindest einen Teil des Vertriebs in die eigenen Hände zu bekommen, um am teuren Händlernetz zu sparen.
Einige Marken wie Tesla, Polestar oder Lynk & Co verzichten bereits ganz oder teilweise auf physische Stützpunkte, andere wie Mercedes bieten zumindest die Option, das eigene Auto online zu kaufen. Daneben verkaufen auch Portale wie Autohero.de, meinauto.de oder yesauto.com Fahrzeuge direkt über das Netz.
Selbst die Deutschen offen für Online-Autokauf
Und selbst die in Deutschland traditionell eher konservative Neuwagenkundschaft ist, ob der deutlichen Preisunterschiede zum Kauf beim Händler, offen für den Online-Kauf, wie eine Umfrage der Sachverständigenorganisation KÜS zeigt. Rund 12 Prozent der Teilnehmer würden den kompletten Autokauf auf jeden Fall im Netz durchführen - von der Fahrzeugpräsentation bis zur Unterschrift. Lediglich 8 Prozent lehnten den Online-Kauf komplett ab.
Eine relativ hohe Zustimmung hat auch Franz Reiner beobachtet, Vorstandschef bei Daimler Mobility: "Der Online-Kauf wird auch in Deutschland definitiv wichtiger. Die Corona-Pandemie hat das Kundenverhalten verändert. Zwar sind andere Teile der Welt schneller adaptiv, vor allem die Chinesen und die skandinavischen Länder. Aber Mitteleuropa hat zuletzt kräftig zugelegt bei der Akzeptanz des Fahrzeugkaufs im Internet."
Komfortgewinn und Preisnachlässe sind der Anreiz

Der Komfort und die Preisnachlässe für Neuwagen sollen das Zugpferd für den Onlinehandel werden.
(Foto: Mercedes)
Dabei spielen nicht zuletzt die positiven Erfahrungen im Online-Kauf von anderen Gebrauchsgütern eine Rolle. Relativ verlässliche Händler- und Produkt-Bewertungssysteme sowie die verbraucherfreundlichen Rückgaberegelungen haben in der Vergangenheit schnell Vertrauen geschaffen. Und zwar quer durch alle Altersklassen; auch die Senioren bilden online längst keine abgehängte Gruppe mehr.
Alle gemeinsam sollen auf lange Sicht nicht nur von einem Komfortgewinn, sondern auch von einem Preisvorteil profitieren, denn ein zentraler Online-Vertrieb über den Hersteller oder einen Drittanbieter umgeht das jahrzehntelang gewachsen indirekten Vertriebssystem über die Vertragshändler. "Der stationäre Autohandel ist sehr teuer. Der Kunde bezahlt gut 10 Prozent des Neuwagenpreises nur für den Handel", erläutert Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research in Duisburg. Würde man den Händler aus der Vermarktungskette zwischen Fabrik und Kunden ausklinken, könnte man viel Geld sparen.
Größtes Hemmnis ist die Technik
Größtes Hemmnis dürfte aktuell noch die Technik sein. Doch auch dort gibt es Fortschritte. Daimler Mobility etwa arbeitet am nahtlosen Online-Kauferlebnis. Zu den wichtigsten Komponenten zählt die Automatisierung des Kreditantrags-Prozesses. "Heute können wir bereits in über 80 Ländern vollautomatisch erzielen", sagt Daimler-Mobility-Chef Reiner. "Das heißt, der Antrag kommt digital rein, wird digital geprüft, ohne dass es da jemanden gibt, der drauf schaut. Anschließend kriegt der Kunde oder der Händler innerhalb von Sekunden die Kreditzusage." Anfang 2021 hatten die Stuttgarter bereits die Möglichkeit einer digitale Vertragsunterschrift eingeführt, so dass mittlerweile die komplette Kaufabwicklung vom Computer aus erfolgen kann.

Ob die Premiummarken vollends auf den persönlichen Kontakt mit ihren Kunden verzichten, darf bezweifelt werden.
(Foto: dpa)
Einen unlösbaren Konflikt mit dem Vertragshandel sieht Reiner selbst langfristig nicht. "Die Händler sind nicht nur bereit für die Digitalisierung des Autokaufs, sondern sie fordern das ein. Weil auch die Kunden das einfordern." Gerade eine Luxusmarke kann zudem von einem Händler profitieren, der den emotionalen Kaufvorgang aus dem nüchternen Netz heraushebt und als Gesicht für den Kunden fungiert.
Einen Mercedes kauft man zumindest in der Vorstellung der Markenstrategen nicht wie jeden beliebigen Gebrauchsgegenstand. Auch in anderer Hinsicht ist ein realer Ansprechpartner wichtig: Denn alle Autos müssen regelmäßig zur Inspektion oder repariert werden. Und das lässt sich auf absehbare Zeit nicht online erledigen.
Quelle: ntv.de, Holger Holzer, sp-x