Immer noch ein Fan-Auto? Mercedes-AMG GLC 63 S - so fährt der stärkste Vierzylinder


Ein AMG war auch schon mal auffälliger. Der vierzylindrige Bolide wirkt optisch dezent.
(Foto: Patrick Broich)
Mit dem Mercedes-AMG GLC 63 S E-Performance rollt der zweite Vierzylinder auf die Straße, der eigentlich acht Töpfe unter der Haube tragen müsste. Können die Fans mit diesem Antrieb dennoch leben?
Was hat das Team aus Affalterbach nicht alles gemacht, um den 63er GLC der jüngsten Generation attraktiv zu machen. Wobei jüngste Generation bedeutet: vier Zylinder. Und vier Zylinder stoßen in dieser Klasse jedoch meistens auf erbitterte Ablehnung. Aber, liebe 63er-Interessenten, ihr müsst diesem GLC eine Chance geben. Und die Rede ist ja sowieso von einem Mittelklasse-SUV, nicht von einer sportiven Limousine oder etwa einem schnittigen Coupé, muss es denn da unbedingt der Achtzylinder sein? Die Beantwortung dieser Frage sei auf das Ende dieses Textes verschoben.

Nein, das sind keine Pizzateller hinter den Felgen. Die mächtigen Bremsschreiben sprechen für ausgezeichnete Verzögerung.
(Foto: Patrick Broich)
Zunächst einmal sollte man sich vor Augen führen, was für einen Hightech-Antriebsstrang die Schwaben überhaupt implantiert haben in diesen Allradler. Da ist der schlicht anmutende Zweiliter erst einmal die profane Komponente, soweit richtig. Aber dann kommt es dicke. Er wird aufgeladen durch einen elektrisch unterstützten Turbolader und verfügt außerdem über einen riemengetriebenen Startergenerator. Die reine Verbrennerleistung kann sich sehen lassen mit 476 PS.
Und dann kommen ja noch elektrische Pferdchen in der Anzahl von 204 Einheiten dazu - wirkend auf die Hinterachse und mit einem eigenen Zweigang-Getriebe ausgestattet. Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Elektropart an der Hinterachse ersetzt nicht etwa den physischen Allradantrieb - dieser bleibt erhalten.
Auch der Vierzylinder klingt drahtig
Die Neugierde steigt, die Hand bewegt sich Richtung Startknopf. Und - die Elektroeinheit mit dem knapp fünf kWh großen Akku sorgt dafür, dass der Verbrenner schweigt. Und was nun? Einfach ein bisschen das Fahrprogramm zurechtkonfigurieren. Der Antrieb sollte sportlich eingestellt werden und das elektronisch verstellbare Fahrwerk im Zweifel komfortabel. Und zack, springt der Tech-Vierzylinder an. Und grummelt unruhig, als wolle er mit aller Macht prompt zum Angriff blasen.

Aus den potent aussehenden Vierkant-Endrohren ertönt hier leider nur Vierzylinder-Klang. Der Diffusor ist nicht nur zum Spaß hier.
(Foto: Patrick Broich)
Jetzt mal ehrlich, der stärkste GLC mit dem obligatorischen "S" im Schriftzug und 680 PS Systemleistung tritt dir einfach nur ins Kreuz, wenn du die beiden Maschinen mit voller Last über die Achsen herfallen lässt. Klar, dann wüten auch 1020 Newtonmeter Drehmoment (lässt sich grafisch schön darstellen auf dem Display). Aber mal ganz langsam. Fünf kWh Akkukapazität, das klingt jetzt schon ein bisschen skurril, oder? Was bitte ist das denn für ein Plug-in-Hybrid? Richtig, jedenfalls keiner, der darauf ausgelegt ist, besonders weit rein elektrisch bewegt zu werden. Das geht nämlich bloß zwölf Kilometer lang gemäß WLTP.
Dass man den Stromspeicher dennoch per Typ-2-Stecker laden kann, ist fast ein bisschen komisch. Es ist eigentlich nur eine Spielerei. Man bekommt die Anzeige für den Batterieladestand im virtuellen Kombiinstrument auch ohne externes Zufüttern wieder in Richtung voll bewegt. Und das ziemlich zügig - Energie schnell aufnehmen und wieder abgeben ist die Fertigkeit dieses Akkus. Und zwar sowohl per Rekuperation als auch mit dem Verbrenner.
An dieser Stelle müssen langsam mal Zahlen her: Nach 3,5 Sekunden stehen laut Werk 100 km/h auf dem Tacho, die Topspeed liegt bei 275 km/h. Und auch wenn jetzt kein Messwert vorliegt, das gefühlte Spurtvermögen selbst im oberen Geschwindigkeitsbereich ist einfach irre druckvoll. Und zwar so druckvoll, dass bei Einsetzen der freiwillig gewählten Tempobegrenzung ein regelrechtes Bremsmoment zu spüren ist. Also lässt sich festhalten: Der 63er ist wirklich unglaublich schnell.
Der GLC geht gut um die Kurve
Und die Querperformance? Auch ohne sich auf dem Track ausgetobt zu haben, passt das Resultat gefühlt. Maßnahmen zur Erhöhung der Stabilität wie die Domstrebe im Motorraum demonstrieren, dass es die Schwaben ernst meinen mit zügigen Runden.

Bitte mal auf die rechte Seite schauen: So viele Fahrparameter, die man alle einzeln einstellen kann, können auch unglücklich machen.
(Foto: Patrick Broich)
Und da wäre noch die Hinterachslenkung mit einem Lenkwinkel von 2,5 Grad, um den 2,3-Tonner flinker um die Kurven zu wuchten (und um ihn beim Rangieren handlicher zu machen). Für eine Familienkutsche, die der GLC ja strenggenommen ist, sollten die sportlichen Skills mehr als reichen. Und wer will schon mit einem SUV auf die Rennstrecke? Selbst wenn in den Tiefen der Fahrprogrammkonfiguration irgendwo die Vokabel "Track" zu finden ist.
Zumindest unterstützen die Sessel definitiv die sanfte Tour, obschon betont ausgeprägte Wangen keinesfalls fehlen, um die Passagiere bei launiger Kurvenfahrt in der Mittelbahn zu halten.

Für die nie erwachsen werdenden User gibt es sogenannte grafische Goodies auf dem großen Display.
(Foto: Patrick Broich)
Wer möchte, kann deutlich drahtigere Stühle wählen mit dem "Performance Sitz-Paket" - doch der stärkste GLC soll sich ja ein Quäntchen Restkomfort bewahren. Und das macht er auch, zumal sein Fahrwerk in der komfortabelsten Stufe recht geschmeidig anmutet. Man ist jedoch irgendwie immer hin- und hergerissen und mit dem griffigen Wildlederlenkrad in der Hand juckt es schon, die mögliche Querperformance auszunutzen.
Aber bitte nicht, wenn der über 1500 Liter fassende Kofferraum gerade voll beladen ist. Denn: Ganz unpraktisch ist der stärkste GLC schließlich auch nicht. Und die Kombination aus Nutzwert und Performance erzeugt schließlich den Reiz eines GLC mit dem AMG-Label.
Aber Butter bei die Fische, macht diese Mittelklasse genauso an wie früher, auch wenn den potent aussehenden Vierkant-Endrohren eben kein bassiger V8-Sound entweicht? Die Frage ist einfach beantwortet: Wer V8-Fan ist, wird mit der 4,75 Meter langen Mittelklasse kaum glücklich. Wem es einfach bloß um Performance geht, kann mit dem effizienten Antrieb (lässt sich mit unter acht Litern fahren) sehr wohl glücklich werden, zumal der 63 jetzt auch keineswegs übel klingt.
Mit einem Grundpreis von 122.082 Euro braucht man allerdings auch finanzielle Performance. Und einen Steuervorteil für Dienstwagenfahrer oder Firmeninhaber gibt es bei diesem PHEV nicht - zu kleiner Akku. Ob der Vierzylinder-Triebstrang für das sportlichste Format der Mercedes-Mittelklasse die richtige Wahl ist, muss die Zeit zeigen. Freude macht dieser AMG jedenfalls. Vermisst wird der Achtzylinder aber schon.
Quelle: ntv.de