Hier kommt der Heilsbringer Moto Guzzi V85 TT - fährt in jedem Gelände?
27.03.2019, 15:54 Uhr
Mit der V85 TT hat Moto Guzzi einen echten Alleskönner ins Rennen geschickt.
(Foto: Moto Guzzi)
Seit Jahren dümpeln die Motorräder von Moto Guzzi vor sich hin. Jetzt scheinen die Italiener ein Rezept gefunden zu haben. Mit der V85 TT schicken sie eine Lichtgestalt ins Rennen, die die Marke in neue Höhen befördern könnte.
Seit Jahren wird es nicht so richtig hell um Moto Guzzi. Dabei hatte die Marke schon ganz andere Zeiten gesehen. In den 1950er Jahren fuhr man acht Weltmeistertitel ein und 2021 wird die Traditions-Motorradschmiede ihren 100. Geburtstag feiern. Momentan wird die Marke von den starken Armen der Piaggio Group über Wasser gehalten. Die Produktionszahlen sind nach wie vor überschaubar. Doch ein Licht scheint auf: Die jüngste von mehreren nur mäßig erfolgreichen Entwicklungen, die soeben in Produktion gegangene Moto Guzzi V85 TT, könnte es schaffen, als Heilsbringer in die Firmen-Annalen einzugehen.
Lichtspiel als Zeichen
Untermalt wird diese Annahme von dem Lichtspiel das sich auftut, wenn der Fahrer den Zündschlüssel dreht: An der Front leuchtet der Guzzi-Adler auf, dessen ausgebreitete Flügel sich quer über die Doppelscheinwerfer strecken. Anfangs nur der Körper, dann die Schwingen. Anders als die schwächlichen V9-Modelle Roamer und Bobber, die exzentrische MGX-21 oder die monströse California 1400 hat die V85 TT das Zeug, sich auf dem Markt ganz anders zu etablieren. Mit ihr steigt Moto Guzzi nach drei Jahren Abstinenz erneut in das Segment der Reiseenduros ein, diesmal in der Mittelklasse.
Die Zutaten, ein Mix aus hochmodernen als auch klassischen Bauteilen: Der traditionelle Zweiventil-Zylinderkopf mit OHC-Ventilsteuerung und Luft-/Ölkühlung wurde mit Titan-Einlassventilen versehen, wobei die Gas-Befehle des Fahrers elektronisch übermittelt werden. Das ermöglicht nicht nur die Installation von drei unterschiedlichen Motor-Mappings für Straße, Regen und Offroad samt verlinkter Regelung von Traktionskontrolle und ABS, sondern auch eine bei einer Reiseenduro durchaus nützliche automatische Geschwindigkeitsregelung.
"Tutto terreno"
Als Höchstleistung sind 80 PS bei 7750 Kurbelwellenumdrehungen für den V2 angegeben, dessen mächtige Zylinder Guzzi-typisch seitlich unter dem Tank in den Fahrtwind ragen. 80 Newtonmeter bei zivilen 5000 Touren werden im Datenblatt als Drehmoment-Maximum notiert. Sobald die Drehzahl-Anzeige im etwas verspielt wirkenden TFT-Display gut 3000 Umdrehungen anzeigt, ist das Triebwerk sehr präsent und schiebt die vollgetankt 229 Kilogramm schwere Guzzi nachdrücklich an. Um die 6000er Marke kommt unter kräftigem Grollen aus dem Ansaugtrakt auch Spritzigkeit auf. Wer von der TT – die Abkürzung steht für "tutto terreno", auf Deutsch "fährt in jedem Gelände" – Quirligkeit erwartet, liegt falsch: Ihre Stärke ist souveränes Gleiten, gerne auch sehr flott.
Denn ihr Fahrwerk, mit recht schmal bereiften Speichenrädern, vorn 19, hinten 17 Zoll, ist bestens geraten: Stabil bei allen Tempi und agil genug für den Kurvenswing. Die einstellbare USD-Gabel, als auch das ebenfalls verstellbare Zentralfederbein, bieten dabei auch auf schlechten Strecken guten Komfort, wobei die Grundabstimmung eher straff ist. Ein sehr gutes Gefühl vermitteln die drei Scheibenbremsen, auch das ABS regelt zeitgemäß fix und hält die Guzzi sauber in der Spur. Jenseits des Asphalts, wo Reiseenduros ja durchaus gelegentlich bewegt werden, macht die TT ihre Sache so gut, wie 17 Zentimeter Federweg und 21 Zentimeter Bodenfreiheit es eben zulassen. Ein großes Plus ist der kräftige Alu-Motorunterschutz dar.

Insgesamt ist die V85 TT aber eher ein cooler Wanderer, denn ein Raubein fürs Grobe.
(Foto: Moto Guzzi)
Insgesamt liegt der Guzzi cooles Enduro-Wandern mehr als rallyeartiges Treiben. Der Offroad-Fahrmodus (ermöglicht viel Schlupf an der Hinterhand, deaktiviert das Hinterrad-ABS und lässt dem Vorderrad-ABS mehr Freiheiten) ist nützlich, die Ergonomie (Lenker, Fußrasten, Knieschluss im Stehen) macht das sichere Dirigieren der V85 in kniffligen Situationen einfach. Da hilft auch der stets gut durchziehende V2, der niedertouriges Fahren klaglos erträgt.
Für 12.000 Euro ist viel drin
In das TT-Paket haben die Entwickler eine Menge hineingepackt: Eine beachtliche Zuladung von 219 Kilogramm bei einem akzeptablen Leergewicht von 229 Kilo mit gefülltem 23-Liter-Tank, eine moderate Sitzhöhe von 83 Zentimetern, eine große Reichweite von mehr als 400 Kilometern, stabile Speichenräder mit angenehm schmaler Bereifung zugunsten großer Handlichkeit und, nicht zu vergessen, den wartungsarmen Kardanantrieb, ein Alleinstellungsmerkmal in der Mittelklasse. Zudem findet sich im Cockpit ein TFT-Display mit hohem Info-Gehalt, dessen Oberfläche allerdings etwas verspielt ist.
Für dieses Paket erscheinen 11.990 Euro für die unifarbene Version nicht zu viel. 310 Euro mehr kostet die mehrfarbige Variante mit Gelb oder Rot, stets mit keck rotlackiertem Gitterrohrrahmen. Sie rollt auf Reifen des Typs Michelin Anakee Adventure, während die edler wirkende Uni-Version mit Metzeler Tourance Next besohlt ist. Letzterer ist eine Bank auf Asphalt, der Michelin einen Tick griffiger auf losem Untergrund. Man darf angesichts der recht geringen Bereifungsunterschiede also den persönlichen Stil entscheiden.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x