Kürzel GSE lebt (wieder) Opel Astra GSe - neuer Kompakter mit historischem Sportabzeichen
26.01.2023, 08:15 Uhr
Das schwarze Opel-Logo versumpft leider im ebenso schwarzen Kühlergrill, dem Opel-"Vizor".
(Foto: Patrick Broich)
Opel holt das "GS"-Label aus der Mottenkiste und verpasst es nicht nur dem Astra. Tradition ist Trumpf, die Rüsselsheimer hatten glorreiche Zeiten mit Commodore GS/E, Monza GSE, aber auch Kadett GSI. In welche Fußstapfen tritt nun der Astra GSe?
Dass das Badge "GSe" wieder auf den Heckdeckeln verschiedener Opel-Modelle zu sehen sein würde, war irgendwie klar. Spätestens seit dem Manta GSe ElektroMod (der von einem kleinen Opel-Ingenieurteam auf elektrischen Antrieb umgemodelte Manta A) waren alle heiß auf die historische Bezeichnung. Techniker, Marketingleute und die Fanszene natürlich auch. Und ein bisschen Fan dürften die Käufer des mindestens 45.510 Euro teuren Opel Astra GSe (steht jetzt allerdings für die Elektrokomponente und nicht mehr für "Einspritzer") schließlich sein, denn niemand braucht Leistungswerte jenseits der 200-PS-Marke wirklich.

Das GSE-Badge hat durchaus historische Bedeutung. Jetzt schickt Opel wieder GSe-Modelle ins Rennen. Das diesmal klein geschriebene "e" steht für Electric.
(Foto: Patrick Broich)
Verlockend ist sicherlich die Dienstwagensteuer, die für manch einen potenziellen Kunden eine Rolle spielen mag. Denn pauschal versteuerte Privatfahrten werden beim GSe auf Basis des halbierten Bruttolistenpreises abgegolten - doch das geht ja bei der schwächeren Plug-in-Variante (180 PS Systemleistung) ebenfalls, die es jetzt übrigens auch als "GS", also ohne "e", gibt. Aber eben auch schlicht als "Elegance".
Also vielleicht doch Fans, denen in erster Linie mal ein mächtiger, spezifischer Frontspoiler ins Auge sticht plus der allerdings eher zart angedeutete Diffusor als Abschluss unterhalb des Stoßfängers - Opel will auf keinen Fall zu dick auftragen. Und so kommen GSe-spezifische 18-Zöller in sportivem Design und schwarzer Lackierung zwar ziemlich auffällig rüber, wirken aber mehr cool als anstößig. Und dass der GSe zehn Millimeter tiefer kauert als die restlichen Varianten und eine generell straffere Abstimmung (inklusive Servolenkung) aufweist, kann man ihm nicht verübeln, so ist diese Version schließlich angelegt.
Bisschen mehr Dampf hätte nicht geschadet

Mächtige und hübsch gestaltete 18-Zöller stehen dem Rüsselsheimer hervorragend.
(Foto: Patrick Broich)
Allerdings reicht sie nicht an die Schärfe der ehemaligen OPC-Modelle heran, was eigentlich schade ist. Denn die Technik für eine Schippe mehr Dampf existiert im Konzern schließlich, der Hybridstrang würde auch 300 PS hergeben, zumindest die Version mit zwei E-Maschinen. Funktioniert aber technisch nicht, wie Entwickler Christian Hartweg erklärt. Der kompakte Astra biete einfach zu wenig Bauraum und das falsche Achsen-Layout, um den zweiten Elektromotor hinten zu implementieren. Okay, vielleicht melden sich ja viele Fans zu Wort und Opel kann sich erweichen, doch noch einmal zu konstruieren.
Jetzt muss erst einmal damit gearbeitet werden, was vorhanden ist. Und vorhanden ist lediglich eine einzige lautlose Maschine mit kräftigen 110 PS. Dazu kommt ein effizienter, 1,6 Liter großer Vierzylinder-Benziner, der ansehnliche 180 PS in den Antriebscocktail gibt. Ein achtstufiger Automat mit Planetengetriebe bündelt die Power zu insgesamt 225 PS Leistung und 360 Newtonmetern Drehmoment - keinesfalls ärmlich, aber eben deutlich unterhalb der 280 Pferde, mit deren Hilfe ein Astra OPC Striche in den Asphalt brennt. Sorry, Opel, der Gedanke schwingt eben mit. Natürlich ist der GSe eben auch kein OPC, aber es wäre so schön.

Mit einer Länge von 4,64 Metern ist der Astra Sports Tourer (Kombi) fast 30 Zentimeter länger als das Kurzheck und kann deutlich mehr einladen.
(Foto: Patrick Broich)
Doch jammern hilft nicht, egal auf welchem Niveau. Und das Niveau ist hoch angesiedelt, zumal der Astra GSe - pragmatisch orientierte Menschen bekommen sogar einen Kombi gegen einen moderat vierstelligen Aufpreis - mit einem werksangegebenen Standard-Sprint (0 bis 100 km/h) von 7,5 Sekunden kein ganz langsames Auto ist. Allerdings auch kein richtig schnelles, wenngleich er den ersten Kadett GSI 16V (150 PS) mit 235 km/h um immerhin 18 km/h übertrumpft. Selbst die Beschleunigung des gefühlt unglaublich bissigen Ur-GSI fällt mir acht Sekunden bis 100 km/h langsamer aus, da sieht man mal, was Dämmung ausmacht. Leise Autos wirken einfach phlegmatischer.
Astra GSe tourt kommod wie einst der Monza, ist aber praktischer
Papierwerte sind das eine, praktische Erfahrungen das andere. Nach wie vor gilt, dass der Astra ein feiner Tourer ist - daran ändern auch die 18-Zöller nicht viel, die einem Fahrwerk Schwerstarbeit aufbürden. So absorbiert der übergroße Kompakte (4,64 Meter Länge) im Trainingsanzug die ausgeprägten Wellen mäßig akkurat geteerter südspanischer Straßen ordentlich. Das mag auch an der sogenannten frequenz-selektiven Dämpfung liegen, die zwei Ölkreisläufe nutzt und je nach Anregung entweder den kleinen oder eben den großen Durchfluss nutzt. So wird die Bandbreite zwischen komfortabler Auslegung und sportlicher Gangart erweitert.

Schicke Rückleuchten sprechen mit ihrer LED-Technologie alle Liebhaber kunstvoller Lichtspielereien an.
(Foto: Patrick Broich)
Aber wie ist es um den Antrieb bestellt? Wirklich souverän bewegt sich der GSe im Teillastbereich. Hier zahlt die kräftige E-Maschine auf das Antriebskonto ein. Scheucht man den Astra mit Bleifuß über die Piste, wirkt er ein bisschen angestrengt. Denn die Hauptantriebsquelle ist dann der kleinvolumige Benziner, und der klingt unter Nutzung des gesamten Drehzahlbandes selbst im Sportmodus (hier wird der Sound modelliert) einen Zacken zu dünn - jedenfalls um Emotionen zu wecken, die dem "GS"-Label eigentlich angemessen wären. Hier müsste ehrlicherweise der größere Strang her. Aber hey, der inzwischen erwachsen gewordene Astra ist eben mehr auf der Tourer-Seite beim Monza GSE und weniger auf der Seite scharfer Hot-hatches, wie der erste Kadett GSI einer war. Wer weiß, vielleicht kommt ja irgendwann auch ein scharfer Corsa um die Ecke, Opel plant ja auch kräftig an rein elektrischen GSe-Modellen.
Feine Langstreckenqualität dank kommoder Alcantara-Sessel

Platzprobleme kennt der Astra nicht einmal in der zweiten Reihe. Er ist ein exzellenter Reisewagen.
(Foto: Patrick Broich)
Immerhin, wer den aktuell stärksten Astra auf der Landstraße laufen lässt und ihn urgewaltig ins Untersteuern zwingt, wird von bequemen, aber ebenso ausgeprägten "GSe Performance-Sitzen" in der Mittelbahn gehalten. Das Zitat aus der Preisliste ist schon allein deshalb spannend, weil es diese Zutat frei Haus gibt. Und weil dieses Mobiliar nicht nur vielfach elektrisch verstellbar, sondern auch noch mit körperfreundlichen sowie schick aussehenden Alcantara-Polstern überzogen ist. Hier länger zu sitzen, macht jedenfalls Spaß.
Auch wenn die ersten Runden mit dem jüngsten Astra-Derivat nicht einmal 100 Kilometer messen, ist der Gedanke angenehm, den Rüsselsheimer auch mal auf die Langstrecke zu schicken. Wer hingegen auf der Kurzstrecke unterwegs ist, kann den 1,8-Tonner dank über zwölf kWh Akkukapazität rund 60 Kilometer rein elektrisch bewegen. Die Ladedauer, um die Batterie komplett zu befüllen, fällt mit zwei Stunden übersichtlich aus, sofern mit 7,4 kW Ladeleistung gepowert wird. Natürlich muss man über entsprechende Lademöglichkeiten verfügen, das ist die Voraussetzung, um einen Plug-in-Hybrid angemessen zu nutzen. Aber das wissen potenzielle Kunden ja auch.
Solide Verarbeitung beim Astra kein Thema

Das digitale Zeitalter ist längst angekommen im Astra – zu sehen an den beiden Bildschirmen.
(Foto: Patrick Broich)
Zuletzt noch ein kurzer Blick auf das Infotainment. Mit Bildschirmfläche geizt der frische Opel freilich nicht und bietet gegen 800 Euro Aufpreis gar ein Head-up-Display, das seine Informationen in die Windschutz- statt in eine vorgelagerte Plexiglasscheibe projiziert. Sieht einfach wertiger aus und passt zur soliden Verarbeitung des neuen Astra. Die vielen Menüs auf dem Monitor erfasst man rasch, ist aber dennoch froh, dass zum Glück manch physischer Taster zur Verfügung steht. Alltägliche Dinge wie das Bedienen der Klimaanlage gelingt auf diese Weise, ohne den Monitor bemühen zu müssen.
Abmühen muss man sich auch nicht, wenn der Astra (das gilt vor allem für den Kombi) mal richtig schleppen soll. So sind knapp 1600 Liter Gepäckraumvolumen ein gewaltiges Wort und auch eine Ansage an den Wettbewerb. Hier müsste ein Kadett GSI übrigens passen. Schön, dass sich Performance und Praxistauglichkeit heute verbinden lassen. Und das auch noch mit einem Schuss Komfort obendrauf.
Quelle: ntv.de