Dröhnen, kreischen, sägen Porsche 718 Spyder RS - Krönung des letzten Verbrenners


Mit 4,42 Metern gehört der Porsche 718 Spyder RS zu den kompakten Athleten.
(Foto: Patrick Broich)
Porsche krönt das letzte Mittelmotor-Verbrennermodell mit einem luftig-kernigen Roadster, mit dem man jede Menge Spaß haben kann. ntv.de durfte eine kleine Kostprobe nehmen.
Porsche macht überhaupt keinen Hehl daraus, dass die aktuelle Baureihe des 718 Boxster (und auch des Cayman) die letzte mit Verbrenner sein wird - also bezogen auf den 718 natürlich, beim Elfer sieht das selbstredend anders aus. Was liegt da näher, den Mittelmotorsportler noch einmal ordentlich zu krönen, bevor es bis Mitte des Jahrzehnts - so formuliert es Porsche - in diesem Segment rein elektrisch werden wird. Welch ein Zufall, dass die Topvariante 718 Spyder RS ausgerechnet 70 Jahre nach Debüt der Legende 550 Spyder erscheint. Wie dem auch sei, Jubiläen sind immer schöne Anlässe, um neue Autos noch intensiver zu feiern.
Und wie könnte das besser funktionieren als über das ebenfalls intensive Kennenlernen des entsprechenden Fahrzeugs. Das geht beim 718 Spyder RS sogar, ohne auch nur einen einzigen Meter zu fahren. Daher hat Porsche angesichts des unbeständigen Sommerwetters auf der Schwäbischen Alb vorsorglich ein großes Zelt vor dem Hotel aufgebaut, wo alle offenen 718 RS der Testflotte geparkt stehen. Und nun folgt das Kennenlernen.
Jeder Teilnehmer muss unter Aufsicht das knapp geschnittene Verdeck schließen. Klingt banal, denken Sie jetzt. Ist es aber nicht. Erst muss das Dachstück an die Windschutzscheibe gehalten werden, dann bitte den Stoff spannen, Gestänge herausholen und zurechtbiegen. Allein übrigens kaum zu schaffen. Es ist wirklich stressärmer, den RS Spyder einfach immer offen in einer Garage zu parken und wirklich nur bei absolut stabilen, trockenen Wetterverhältnissen herauszuholen. Das spart mindestens 15 Minuten bis zum luftigen Fahrerlebnis.
Neben dem Wind hat der Motor das akustische Sagen

Ein Alcantara-Kranz sorgt für griffiges Handling. Der Zuffenhausener folgt Lenkbefehlen zackig.
(Foto: Patrick Broich)
Und am besten steht diese Garage irgendwo im ländlichen Raum, denn der RS giert geradezu danach, kurvenreiche Ausflüge über einsame Landstraßen zu unternehmen. Und dabei ist angesagt: bitte wirklich auf die Straße konzentrieren! Unterhaltungen mit dem Beifahrer? Besser für später aufheben. Denn nach dem Start hat der vier Liter große Sechszylinder-Boxer (aus den 911-GT-Modellen entliehen) das akustische Sagen neben dem tosenden Wind bei offener Fahrt.
Dröhnen, kreischen, sägen - diese Tonlagen beherrscht er. Das bleibt nicht aus, wenn der - übrigens klassisch-mechanische - Drehzahlmesser bis zur 9000er-Markierung marschiert. Und ganz ehrlich, man muss den Renn-Sechsender am besten immer zwischen 7000 und 9000 Touren halten (das Maximaldrehmoment von 450 Newtonmeter liegt erst bei 6750 Umdrehungen an), damit dieses 4,42 Meter lange Stück Automobil nach vorn geht. Und freilich auch, damit es dröhnt, kreischt und sägt, denn das möchte die Fan-Community ja explizit.

Dieses bisschen Rest-Infotainment, also der Touchscreen, fällt auf Wunsch auch noch weg.
(Foto: Patrick Broich)
Kein Wunder, dass Porsche anbietet, das Infotainment samt Display beim stärksten Spyder einfach wegzulassen. Spart außerdem wieder ein paar Kilogramm Gewicht genau wie die bei GT- und RS-Modellen traditionellen Türöffner, die schlicht aus Seilen bestehen. Günstiger wird der Zuffenhausener ohne Touchscreen allerdings nicht.
Emotionen statt Nummern sind der Maßstab
Ein paar Zahlen gefällig? 3,4 Sekunden reichen dem zierlichen 500-PS-Racer angeblich bis 100 km/h, und nach 10,9 Sekunden stehen laut Werk 200 km/h auf dem Tacho. Doch der wahre Maßstab sind nicht schnöde Nummern, sondern Emotionen. Wie fühlt es sich an, den 1,4 Tonnen schweren Mittelmotor-Sportler um die Ecke zu wuchten? Ob auf der einsamen Landstraße oder dem Track, ob Amateur oder Profi - wenn der Spyder RS um die Kehre fliegt, weisen die Mundwinkel nach oben. Zwei Zehntel schneller oder langsamer - ist doch wurscht.

Der markante Spoiler verschafft dem Spyder RS den für schnelle Runden nötigen Abtrieb.
(Foto: Porsche)
Die montierten Semislick-Reifen Michelin Pilot Cup 2 bauen nach Erreichen ihrer Betriebstemperatur einen unglaublichen Grip auf, doch bloß Vorsicht bei Regen. Und der sucht die Region derzeit immer wieder heim, aber zum Glück gibt es genügend trockene Asphalt-Abschnitte, um ein bisschen Fahrspaß zu erleben.
Der RS macht es seinen Steuerleuten einfach, verhält sich weitgehend neutral in Kurven, schiebt beflissen-gleichmäßig auf der Geraden und bleibt quer gut kontrollierbar nicht zuletzt dank untückisch-linearer Sauger-Charakteristik. Und die Schaltarbeit verbleibt beim flink arbeitenden Siebengang-Doppelkuppler. Jetzt keine Beschwerden bitte bezüglich der einzigen Getriebeoption. Wer selbst schalten möchte, hat ja bei Porsche viele andere Möglichkeiten. Aber keine mit einer solchen Querperformance, die durch perfekte Gewichtsbalance unterstützt wird.

Nirgends lässt sich der infernalische Sound dieses Top-Porsche besser genießen als in einem Tunnel.
(Foto: Patrick Broich)
Zudem wäre da ja noch die mechanische Quersperre an der Hinterachse, um die Power bestmöglich zwischen den Rädern zu verteilen. Und damit der Ölfilm in den Laufbuchsen niemals abreißt selbst bei höchsten G-Kräften, schnabuliert die Maschine Schmiermittel aus einem dezentralen Behälter, gefördert von einer Pumpe.
Dass Porsche das Verbrenner-Ende beim 718 so erstaunlich transparent kommuniziert, macht eine gewisse Planbarkeit bei der Kaufentscheidung möglich. Aber was kommt danach? Ein Athlet mit elektrischem Antrieb, ist doch klar. Auch für diese Spezies Auto wird es Abnehmer geben, jedoch ist die Affinität zum Verbrenner in der Sportwagen-Community groß.
Auch ein gefragtes Argument übrigens für den exakt 155.575 Euro teuren 718 Spyder RS in Grundkonfiguration - weil er seinen Wert behält. Oder der Wert steigt sogar noch. Doch ganz ehrlich, wer richtiger Autoenthusiast ist, für den spielt die Wertsteigerung womöglich bloß eine untergeordnete Rolle, denn er (oder sie) verkauft den geliebten fahrbaren Untersatz vielleicht sowieso gar nicht mehr. Denn er dröhnt, kreischt und sägt. So etwas wird in Zukunft rarer.
Quelle: ntv.de