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Man kann sich nicht entscheiden Porsche 993 Carrera Turbo vs. 992 Turbo S Coupé

Gegen den 992 wirkt sein Vorfahre, der 993, fast schon klein.

Gegen den 992 wirkt sein Vorfahre, der 993, fast schon klein.

(Foto: Patrick Broich)

Erster Turbo mit Allrad, erstmals über 400 PS - der seit 1995 verkaufte 993 Turbo war und ist noch heute ein Dampfhammer. Wie sich der ikonische Elfer als Turbo binnen fast dreier Jahrzehnte verändert hat, versuchen wir anhand des 992 zu klären. Denn auch er tritt hier als Turbo-Version an.

Um mal eine Sache klarzustellen: Der Porsche 911 Turbo als Modellversion ist eigentlich nichts Besonderes mehr. Denn heute ist jeder Basis-Carrera schon turboaufgeladen, während sich die hartgesottenen Fans nach einem Sauger sehnen, den es ja in Form des aktuellen 992 GT3 durchaus noch gibt. In der ersten Hälfte der Neunziger waren Turbomotoren zwar nicht mehr per se spektakulär (jeder ordentliche Diesel war aufgeladen), aber noch immer reizvoll, vor allem als Benziner.

Bei echten Porsche-Fans steht der 993 (links) natürlich ganz hoch im Kurs.

Bei echten Porsche-Fans steht der 993 (links) natürlich ganz hoch im Kurs.

(Foto: Patrick Broich)

Gut, ein 993 Turbo war schon etwa Besonderes und ist es auch heute noch. Die Begegnung nach längerer Zeit mit dem ersten Elfer der Neunzigerjahre führt unweigerlich in ein breites Grinsen, das mehr oder weniger stark ausgeprägt anhält, bis man sich wieder von dem Youngtimer trennt. Das erste Zusammentreffen lässt schmunzeln, sobald man den Größenvergleich mit dem 992 hautnah erlebt. Um satte 29 Zentimeter ist der 992 (auf 4,54 Meter) im Vergleich zum 993 gewachsen, die Breite legte um zehn Zentimeter auf heute 1,90 Meter zu. Und so ist der 993 mit dem Radstand des Ur-Elfers, zumindest seit dem Jahr 1968, wahrlich ein kleines Auto.

Der letzte luftgekühlte 911er

Aber jetzt wird nicht weiter über Formate sinniert, sondern eingestiegen in den 993. Man sitzt in dem kompakt anmutenden Supersportler ganz hervorragend, und die Klaviatur an Rundinstrumenten mit dem großen Drehzahlmesser in der Mitte fühlt sich ausgehend vom Ur-Elfer irgendwie authentischer an als heute. Es ist halt noch das heimelige Cockpit der alten Zeit, obwohl erste modernistische Züge sichtbar werden. Sei es die LED-Anzeige für den Ladedruck, beispielsweise in digitaler Form im Tourenzähler oder das dicke, etwas unförmige Airbag-Lenkrad. Dagegen stehen die im Kern altmodischen Heizungsregler, wenngleich modisch abgerundet, und viele simple Kippschalter. An der Umluft-Taste erkennt der informierte User die Klimaanlage, na ja, war im 993 Turbo sowieso serienmäßig. Es kribbelt in den Fingern, der Schlüssel links des Lenkrads will endlich gedreht werden.

Die Klaviatur an analogen Rundinstrumenten fühlt sich im 993 irgendwie authentisch an.

Die Klaviatur an analogen Rundinstrumenten fühlt sich im 993 irgendwie authentisch an.

(Foto: Patrick Broich)

Und da springt der Turbo auch schon an, erinnert mit typisch singender Soundkulisse, dass man im Elfer sitzt. Aber in was für einem denn eigentlich? Der 993 ist die letzte luftgekühlte Ausführung, was für viele Menschen ganz bedeutend ist. Man darf den damaligen Aufschrei in der 911-Gemeinde getrost mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen, zumal für jede Generation immer irgendeine Technologie die letzte ist. Das letzte Auto ohne ESP, der letzte Saugrohreinspritzer, der letzte Sauger, der letzter Verbrenner - und so weiter. Moment, der letzte Turbo ohne Vortriebshilfen, ja, das ist der 993 ja auch noch.

Ein Laune-Auto durch und durch

Stimmt nicht ganz, denn er ist der erste 911 Turbo mit Allradantrieb, auch eine Art Vortriebshilfe. Damit dürfte nicht jeder Neuwagenkunde zufrieden gewesen sein, wenngleich man um viele Jahre früher schon eingeführten 959 womöglich einen Vorboten hätte sehen können. Aber es ergibt Sinn, denn 408 oder hier in der ab Werk leistungsgesteigerten Variante gar 450 Pferde sind mit nur einer angetriebenen Achse einfach schwierig zu handhaben. So darf man selbst mit dem Wissen um fehlende Traktionshüter auf der Geraden mal beherzt das rechte Pedal niederdrücken, ohne gleich in den Graben zu fliegen. Der 993 ist ein Laune-Auto durch und durch. Weht unten herum noch ein vergleichsweise laues Lüftchen, setzt spätestens nach Überschreiten der 3000 Touren-Marke unerbittlicher Schub ein - etwas mehr als vier Sekunden vergehen bis zur 100 km/h-Marke.

Das Turboloch gibt es natürlich auch im 993.

Das Turboloch gibt es natürlich auch im 993.

(Foto: Patrick Broich)

Das berühmte Turboloch konnten die Ingenieure nie verhindern, trotz Einsatz zweier kleiner, besser ansprechender Lader, statt eines großen. Ein kleiner Ausflug in eine der vielen menschenleeren Gegenden Nordrhein-Westfalens beweist, dass Landstraßen-Passagen wie gemacht sind für den betagten Elfer. Während der Fahrt fühlt sich der längst zum mehrfachen automobilen Urgroßvater gereifte 993 so richtig flink an. Er ist mit 1,5 Tonnen ja auch verhältnismäßig leicht, und die seinerzeit neu entwickelte Alu-Mehrlenker-Hinterachse ist zumindest eine große Hilfe, den Allradler sicher um die Ecken fliegen zu lassen. Man muss sich schon arg disziplinieren, um nicht im deutlich ordnungswidrigen Bereich zu operieren. Wer es ausreizt, landet am Ende irgendwo nahe der 300 Sachen.

Es gibt ein Luxusproblem

Zeit für einen Cockpit-Wechsel. Der 992 ist heute das Standardwerk für die eierlegende Wollmilchsau unter den Sportlern. Mit dem Zuffenhausener einen spontanen Ritt von Köln in die Alpen oder die norddeutsche Tiefebene? Kein Problem. Denn er hat Sitze, die ihre Passagiere in der Kehre fest umklammern und zusätzlich ausgeprägten Komfort für die Langstrecke bieten. Doch es gilt zu schauen, was der Elfer insbesondere als Sportwagen vermittelt. Er ist ein modernes Infotainment-Biest, das zwar noch die Rundinstrumente in die Neuzeit herübergerettet hat, aber irgendwie nur in stilisierter Form.

Das Cockpit des 992 hochmodern und digitalisiert.

Das Cockpit des 992 hochmodern und digitalisiert.

(Foto: Patrick Broich)

Fünf Skalen sind es beziehungsweise Flächen, denn bis auf die erhabene mittlere Skala mit einer einzigen mechanischen Anzeigenadel für den Drehzahlmesser werden die restlichen Instrumente auf einer reinen TFT-Fläche nachgebildet. Ist aber doch eine charmante Idee, das Porsche-Jahr 2022 so zu gestalten, dass alte und junge Kunden Freude an einer Legende haben, die sich immer wieder neu erfinden muss.

Ein Problem ist allerdings, zugegebenermaßen ein Luxusproblem, dass der neue Turbo S die Messlatte bei der Querdynamik äußerst hoch legt. So hoch, dass es ohne Track eigentlich kaum möglich ist, die Fertigkeiten des Autos wirklich auszureizen. Und so viel Können haben ohnehin nur die wenigsten Fahrer. Das immer mehr mündet mittlerweile in 650 PS und führt dazu, das Turbo S Coupé binnen 2,7 Sekunden auf Landstraßentempo und binnen 8,7 Sekunden auf 200 km/h zu katapultieren. Was soll man sagen, wie sich das anfühlt, kann man nur erspüren.

Mit seinen 650 PS steht der 992 Turbo S natürlich leistungsmäßig weit über seinem Vorgänger.

Mit seinen 650 PS steht der 992 Turbo S natürlich leistungsmäßig weit über seinem Vorgänger.

(Foto: Patrick Broich)

Extreme Nackenmuskel-Beanspruchung bedeutet das oder die Tatsache, während eines Volllast-Experiments einfach kaum mehr was aus dem Handschuhfach holen zu können - man klebt einfach nur in der Rückenlehne. Ebenso beeindruckend ist, wie wahnsinnig dieser Porsche wieder bremst. Ein Druck auf das linke Pedal selbst bei höchsten Tempi bringt jedoch nicht nur eine irre Verzögerung, sondern hält die Sportwagen-Ikone maximal stabil in der Spur, was ein allzeit sicheres Gefühl vermittelt. Und darüber hinaus sorgen technische Finessen wie adaptive Dämpferregelung und Hinterachslenkung für maximale Querperformance.

Ein Fan-Auto durch und durch

Die entscheidende Frage aber ist, ob der 911 Turbo noch ein Fan-Auto ist. Oder ob sich der Turbo-Effekt längst abgenutzt hat, weil seine Technologie ja ohnehin längst nicht mehr aus der Masse heraussticht und die Performance ins Irrwitzige abgedriftet ist. Und man muss sich auch fragen, worin überhaupt noch eine Steigerung liegen könnte, die der Mensch ja irgendwie mag. Wie viel Leistung soll der Nachfolger haben? Tausend PS? Na ja, zugegeben, die Performance ist eigentlich nicht mehr alles, was zählt. Sie hat ein Niveau erreicht, das gefühlt kaum noch zu übertrumpfen ist.

Aber ja, der Turbo bleibt ein Fan-Auto durch und durch. Er hebt sich ab durch Exklusivität, marschiert im Alltag spürbar besser als die Carreras (wer umsteigt, dem fehlt plötzlich etwas) und erfreut durch tollen Motorklang. Der mag zwar designed sein, vermittelt dem Fahrer aber auf freudvolle Weise, dass er in einem Elfer sitzt. Und nicht zuletzt fasziniert, wie der Turbo entspannt Autobahn-Kilometer abspult, um dann auf dem Track Rekordzeiten in den Asphalt zu brennen.

Also, 993 oder 992? Zwischen den beiden kann man sich nicht wirklich entscheiden, sondern muss einfach beide haben. Der 993 ist auf den ersten Blick aufregender, aufwühlender, fordernder und anstrengender - ja, das Autofahren bedeutet hier mehr Arbeit. So kompensiert er das Fahrleistungsdefizit gegenüber dem Neuwagen-Modell, ohne dabei an Fahrspaß einbüßen zu müssen. Und mal ehrlich: In der Farbkombination blau und gelb geben die beiden Fotokandidaten doch ein veritables Traumpaar ab, nicht wahr?

Quelle: ntv.de, Von Patrick Broich

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