Leben

Aus der Schmoll-Ecke Lang lebe die Merkel-Diktatur!

Bei der Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen am 1. August.

Bei der Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen am 1. August.

(Foto: picture alliance/dpa)

Neulich fand in Berlin ein Poetry Slam der Superspreader statt. 20.000 Leute äußerten lautstark ihre Meinung, dass das Recht auf Meinung abgeschafft worden ist. Unser Kolumnist findet: Das klingt nicht nur irre - das ist es auch.

Sehr geehrte Lesende, geschätzte Wissende, werte Irrende und Verwirrte, liebe Veganende und Fleischfressende, hochverehrte Menschen! Um Ihnen ein tolles Gefühl am Wochenende zu geben, gleichwertig zu sein und keine Geschlechterrolle einnehmen zu müssen, begrüße ich Sie heute in genderneutraler Sprache zum kolumnistischen Manifest. Schluss mit Rollenklischees und Stereotypen! Sonst käme noch irgendwer auf die Idee, ich sei ein alter weißer Mann. Was der Wahrheit leider ziemlich nahekommt. Aber egal. Schließen Sie aus meinem Alter und meiner Hautfarbe nicht, dass ich nicht versuche, mich täglich zu verbessern.

Nehmen wir die Stammbaumrecherche, die ich nun, wo sie unter dem Verdacht des politisch Inkorrekten steht, nicht wieder aufnehme. So werde ich zwar nie erfahren, wer genau mein Großvater war, der entweder in Auschwitz oder im KZ Groß-Rosen verreckt ist, weil er Juden bei der Flucht aus Polen half. Aber ein Sehr-Gutmensch wie ich folgt selbstverständlich dem politischen Zeitgeist. Also Schluss mit der Stammbaumrecherche!

Schluss mit allen Kriegen!

Als ich noch Stammbaumrecherche betrieb, fragte man mich nach dem "Mädchennamen" meiner Mutter. Heute würde ich die Zusammenarbeit umgehend einstellen und protestieren: Stopp mal, das heißt "Geburtsname"! Sie wollen doch meiner alten Mutter keine Geschlechterrolle aufzwingen, oder? Wissen Sie denn nicht, dass wir sprachlich aufpassen müssen, um die Welt von Ungemach zu befreien? Soldat_innen sind Mörder_innen. Jawoll! Sehen Sie, sehr geehrte Lesende, geschätzte Wissende, werte Irrende und Verwirrte, liebe Veganende und Fleischfressende, hochverehrte Menschen, wie das schon wirkt. Es wird nie wieder Krieg geben. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Schluss mit allen Kriegen!

Apropos Schluss. Mein Hydroxychloroquin ist alle. Und ich gehöre nach wie vor nicht zur Kinder-verspeisenden und Kinderblut-saufenden Kannibalen-Elite. Wobei ich mich frage, wie das die Vegetarenden und Veganenden - null Ahnung, wie man diese lieben Menschen gendervorbildlich nennt - in der Elite machen. Es gibt ja Schauspielende in Hollywood, die sich offen dazu bekennen, kein Fleisch zu essen. "Kellner, bringen Sie mir bitte einen mit Kinderblut getränkten Vegan-Burger." Ich wollte auch den Satz schreiben: Jahrelang habe ich damit gerechnet, dass der Libanon implodiert, nun ist er explodiert. Aber das geht nicht. Tun Sie bitte so, als hätten Sie das nicht gelesen.

Gute, böse Frau Eckhart

Denn ich darf es nicht übertreiben mit dem Sarkasmus, sonst werde ich ausgeladen. Das geht ganz flink heutzutage. Denken Sie nur an die grandiose Lisa Eckhart. Ich habe ihre bisherigen Programme live erlebt und war - wie meine Begleiterinnen - total begeistert. Ich kann nur empfehlen, Lisa Eckhart live zu sehen, weil sie da nicht nur die Kunstfigur ist, die sie sein will. Da lässt sie auch mal für ein paar Sekunden locker. Ja, die gute Frau Eckhart ist wirklich böse. In Berlin trat sie in der "Bar der Vernunft" auf, ein Tempel der Vielfalt und Toleranz. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass Lisa Eckhart einmal im Feuilleton mies wegkommt und von einem Festival wieder ausgeladen wird, weil die lokale Antifa-Zelle angekündigt hat, mit Pflastersteinen darüber abstimmen zu wollen, was deutschsprachiger Humor zu sein hat. Dabei ist Lisa Eckhart wahrlich diejenige, die gegen alle austeilt - auch gegen sich selbst. Dieter Nuhr ist gegen sie sprachliche Ödnis, im Verhältnis ungefähr wie Sebastian Fitzek zu Daniel Kehlmann.

Bleiben wir in der Welt der Satire. Neulich fand in Berlin der Poetry Slam der Superspreader statt. Sehr lustig ist ein gewisser Michael Ballweg, dessen Comedy-Quatsch-Klub "Querdenken 711" heißt. Wer Hazel Brugger mag, wird Herrn Ballweg lieben. Er klingt wie ein Gewerkschaftsfunktionär nach der 35. Streikwoche - also so gar nicht mitreißend. Deshalb nennen ihn Fans wie ich liebevoll Hazelnut Ballweg.

"Belästige die Leute nicht, sonst zerkloppe ich dir die Kamera"

Hazelnut Ballweg sagte auf dem Poetry Slam der Superspreader: "Rechtsradikales, Linksradikales, Rechtextremes, Linksextremes, Faschistisches, Menschenverachtendes hat in unserer Bewegung keinen Platz. Gleiches gilt für jegliche Art von Gewalt. Wir sind eine friedliche Bewegung, die Demokratie lebt und Meinung zulässt und das Schubladendenken Links, Mitte, Rechts ignoriert." Sofort danach forderte er, der das Schubladendenken "ignoriert", seine Zuhörer auf, die Hand zu heben, wenn sie sich zu den Linken, Rechten oder zu "allen anderen" zählen. Ist das nicht saukomisch? Ein Feingeist der friedlichen Bewegung sagte zu einer Journalistin von Spiegel TV: "Wer hat dir denn ins Gehirn geschissen? Wie krank bist du denn? Belästige die Leute nicht, sonst zerkloppe ich dir die Kamera."

Das war natürlich voll lustig gemeint, gar nicht ernst. Auch Dunja Hayalis Ängste um ihre körperliche Unversehrtheit waren Einbildung, die auf witzigen Aussagen der putzigen Superspreader beruhten, die sich Corona-Rebellen nennen, "Widerstand, Widerstand" gegen die Merkel-Diktatur riefen und ganz brav zuschauten, wenn die Polizei eines ihrer Mitglieder abführte. Denn so schlecht ist die Merkel-Diktatur ja auch wieder nicht, dass man Geldstrafen oder Knast ohne Netflix, Grillen und Internet riskieren will. Brave Widerstandskämpfer.

Der Unterschied zwischen der Nazi- und der Merkel-Diktatur ist: Widerstandskämpfer gegen Hitler kamen sofort zum Krepieren ins KZ. Widerstandskämpfer gegen Merkel fahren wieder nach Hause, freuen sich über ihr kaltes Bier, streicheln ihren Hund, hetzen im Internet gegen Drosten und kommen sofort ins Krankenhaus, falls sie sich beim lauten Rufen nach Freiheit mit dem fiesen Virus angesteckt haben. Mal sehen, ob Hazelnut Ballweg das nächste Mal ruft: Lang lebe die Merkel-Diktatur! Das wäre eine frohe Botschaft.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen