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Ehrlichkeit, Hilfe und Bier Wie Beziehungen das erste Kind überstehen

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So stellen sich viele Ersteltern das Leben mit Baby vor, der Alltag ist oft herausfordernder.

So stellen sich viele Ersteltern das Leben mit Baby vor, der Alltag ist oft herausfordernder.

(Foto: IMAGO/Westend61)

Frischgebackene Eltern haben alles Mögliche auf dem Zettel. Was meist nicht darauf steht: die Pflege der eigenen Beziehung. Dabei braucht es dafür gar nicht so viel - und wer sich rechtzeitig kümmert, kann später Schlimmeres verhindern.

Als Lisa und Jörn erfahren, dass sie Eltern werden, sind sich die beiden einig: "An unserer Beziehung wird das nichts ändern." Und arbeiten in den nächsten sieben Monaten daran, dem neuen Familienmitglied die Ankunft in der Welt zu erleichtern: Umzug in eine neue Wohnung, ein Bücherregal voller Babyratgeber, Krippe, Kindersitz, Klamotten, die Klassiker eben. Zur Geburt ihres Sohnes fühlen sich Lisa und Jörn bereit.

"Relativ häufig werden wir aus einer vermeintlich sicheren Situation heraus Eltern", sagt Gina Senarighi, Autorin des Buchs "Mehr Liebe, weniger Streit". "Wir denken, dass wir alles mit links schaffen, dass uns nichts mehr umhauen kann. Und sind blind für die Dinge, die sich auf einen Schlag ändern können." Und das können jede Menge sein: Für Lisa und Jörn fühlt sich die neue Situation an, als hätte jemand ihre Welt auf den Kopf gestellt und kräftig geschüttelt, eine Krise jagt die nächste.

"Die stärksten Paare sind häufig diejenigen, die sich keine Hilfe suchen. Und das bereuen viele von ihnen später." Deshalb raten Experten wie Senarighi dazu, die Beziehung schon vor der Ankunft des ersten Kindes babyfest zu machen - noch bevor Schlafentzug, Hormonkarussell und die allgemeine Überforderung mit der neuen Elternrolle das ungleich schwerer machen. Die Idee dahinter: Wer sich rechtzeitig kümmert, verhindert später Schlimmeres.

Trigger erkennen, Arbeit aufteilen

"Enttäuschung und Anpassung sind ständige Begleiter im ersten Jahr", sagt Senarighi. Um die Dinge nicht noch schwerer zu machen als ohnehin schon, hält die Paartherapeutin es für entscheidend zu lernen, welche Situationen einen triggern und Wege zu finden, sich in diesen Situationen selbst zu beruhigen. Gemeinsam herauszufinden, welcher Partner was besser kann, sei ein wichtiger zweiter Schritt. "Und sich das Gelernte ehrlich einzugestehen und umzusetzen, ist nicht nur die Königsdisziplin. Sondern auch unbedingt notwendig, denn Kinder triggern uns auf Arten, die wir selten antizipieren können."

In Jörns Fall: Babygeschrei. "Dass ich kein großer Fan davon bin, angeschrien zu werden, war mir zwar schon vor der Geburt unseres Sohnes klar", sagt er. "Wie schwer es mir aber fallen würde, in den vielen Situationen cool zu bleiben, in denen so ein Baby nun mal schreit, wusste ich nicht." Die Hilflosigkeit, die ihn am Anfang überkam, wenn er gefühlt alles ausprobiert hatte, nichts helfen wollte und wieder mal Lisa einspringen musste, empfand er als erschreckend. "Mit viel Arbeit und einer gewissen Gewöhnung ist das zwar viel besser geworden, aber wenn ich die Wahl habe, nehme ich immer noch lieber den Staubsauger in die Hand oder kümmere mich um das Chaos, das nach jeder Fütterung in der Küche zurückbleibt."

Ein weiterer entscheidender Punkt: Die Fähigkeit, Konflikte gemeinsam zu lösen. "Wenn Sie als Paar keine Erfahrung darin haben, Konflikte miteinander zu lösen, liegt das mit ziemlicher Sicherheit nicht daran, dass es davor keine Probleme gab - Sie haben sie bisher einfach nur vermieden." Eine Strategie, die spätestens dann nicht mehr funktioniert, wenn Kinder ins Spiel kommen. "Es ist nicht die Abwesenheit von Konflikten, die gesunde Paare auszeichnet. Sondern die Fähigkeit, konstruktive Konflikte zu führen."

Hilfe, Hilfe und noch mehr Hilfe

Doch selbst, wer alle diese beziehungstechnischen Hausaufgaben gemacht hat, wird sich schwertun, wenn der Support von außen fehlt. Verwandte und Freunde, die beim Kochen und Putzen helfen oder auch mal den Kinderwagen durch die Gegend schieben, sind Gold wert. Wer darauf - aus welchen Gründen auch immer - keinen Zugriff hat, sollte ernsthaft darüber nachdenken, eine Haushaltshilfe oder ein Kindermädchen zu engagieren, das ein oder mehrmals die Woche kommt, raten Experten. Viele Hilfsangebote sind in Deutschland sogar kostenfrei verfügbar: Das vom Familienministerium geförderte "Nationale Zentrum Frühe Hilfen" ist eine gute erste Anlaufstelle, hier finden Interessierte nach Eingabe ihrer Postleitzahl schnelle Hilfe in ihrer Nähe.

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Und auch hier gilt: Je früher man sich kümmert, desto besser. Denn: "Wenn das Baby erstmal da ist, schalten Eltern ganz automatisch in einen Krisenmodus um. Viele von uns verstecken und isolieren sich dann. Die Menschen, die man vorher schon um Hilfe gebeten hat, sind genau zur richtigen Zeit da, um das zu verhindern." Senarighi empfiehlt, mindestens einen Freund oder ein Familienmitglied an der Seite zu haben, die einspringen können, damit die Eltern auch mal Pause haben.

Einfach mal gemeinsam auf der Couch liegen und aneinandergekuschelt die Lieblingsserie genießen oder zusammen für eine Stunde auf ein Bier ums Eck zu gehen, während sich die Oma oder der beste Freund um das Baby kümmern. Das können kleine Oasen sein, an denen die Partner wieder Kraft schöpfen können. "Schreiben Sie sich das in den Kalender", empfiehlt die Psychologin. "Denn genau dann, wenn Sie es brauchen, werden Sie von der ganzen Care-Arbeit so erschöpft sein, dass Sie keine Lust auf genau die Dinge haben, die Ihnen guttun würden. Es klingt so banal, aber es sind diese kurzen Verschnaufpausen, die dabei helfen können, Ihre Beziehung zu retten."

Quelle: ntv.de

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