"Große bürgerliche Kacke"Castorf kriegt die Krise
Alles ist so sinnlos, doch man muss ja noch Geld verdienen. Aber früher war alles besser, klar. Volksbühnen-Intendant Frank Castorf scheint die Lust auf Theater vergangen zu sein.
Der Berliner Regisseur Frank Castorf vermisst bei jungen Theatermachern die Wut im Bauch. "Ich sehe überall nur noch diese jungen Karriereregisseure, die schlecht abkupfern, was wir vor 10 oder 15 Jahren gemacht haben", beklagt der 60 Jahre alte Volksbühnen-Intendant im "Cicero".
"Die haben keine Wut mehr, sondern wollen im Apparat nach oben", schimpfte Castorf. "Das alles ist große bürgerliche Kacke."
Es gebe eben "den alten Zadek und den Stuttgarter Peymann" nicht mehr, sagte Castorf mit Blick auf das politische Engagement der Regisseure Peter Zadek und Claus Peymann. Zadek starb im Juli 2009, Peymann war in den 70er Jahren Intendant am Schauspiel Stuttgart.
"Wir müssen uns fragen, ob wir nicht längst überflüssig sind", meint er zum derzeitigen Zustand des Theaters. "Das Theater vor 20 Jahren hatte die Kraft, die Kommunikation zwischen den Systemen zu garantieren - zwischen dem Osten und dem Westen, dem Kommunismus und dem Kapitalismus, zwischen oben und unten. Das gibt es so heute alles nicht mehr." Heute sei ja sogar der Skandal vom Bürgertum vereinnahmt worden, sagte Castorf.
Aber: "Ich finde, das Theater hat noch was zu sagen. Außerdem habe ich sechs Kinder und muss noch ein bisschen Geld verdienen." Castorfs Vertrag an der Volksbühne ist gerade bis zum Ende der Spielzeit 2015/16 verlängert worden. In seiner jüngsten Inszenierung, "Die Marquise von O." - in der auch der Castorfsche Kartoffelsalat nicht fehlt - lässt er den Vater der Marquise sagen, noch bis 2016 sei das hier sein Zuhause, und alles sei "so sinnlos geworden". Der Berliner "Tagesspiegel" urteilte über die Inszenierung: "Nicht einmal die Selbstreferenzialität ist hier mehr das, was sie mal war."