I'm sexy and I know it Das Supantalent 2011
18.12.2011, 04:16 Uhr
Mit James Last ins Glück: Leo Rojas.
Pan-ne oder pan-tastisch? Das "Supertalent" 2011 ist Panflöten-Spieler Leo Rojas. Mit großem Abstand setzte er sich in der RTL-Show gegen die Konkurrenz durch. Oder, um es mit Dieter Bohlen zu sagen: Auf seine Flöte standen nicht nur Sylvie van der Vaart und Motsi Mabuse.
Meine Güte! Hätte man das doch nur mal eher gewusst. Dann wäre man ja all den drolligen Panflöten-Schamanen in den Fußgängerzonen dieser Welt mit ganz anderen Augen begegnet. So aber hat man diese Gaucho-Truppen in ihren Wildleder-Trachten - bei denen man sich nie so ganz sicher war, ob es tatsächlich mehrere von ihnen gibt oder nur eine, die zufällig gerade immer am selben Ort wie man selbst ist - eigentlich stets links liegen gelassen. Und auch wenn ihre selbst gebrannten CDs nur ein paar Euros kosten sollten, wäre man doch nie in Versuchung geraten, ihnen eine abzukaufen. Einige Cent aus der gutmenschlichen Spendierlaune des Augenblicks heraus in den Schlapphut auf dem Bürgersteig vielleicht, okay. Aber zu Hause anhören würde man sich die Anden-Folklore dann ja doch ganz sicher nicht.
Möglicherweise muss man da nun umdenken. Schließlich ist dem aus Ecuador stammenden Leo Rojas das gelungen, woran Petruta Küpper als Drittplatzierte 2009 noch knapp gescheitert war: Er hat die RTL-Casting-Show "Das Supertalent" mit der Panflöte gewonnen. Mit Winnetou-Outfit, Medizinmann-Habitus und dem alten James-Last-Kracher "Der einsame Hirte". Apropos Hirte: Die bisherigen "Supertalent"-Gewinner könnten mittlerweile tatsächlich eine ziemlich illustre Blaskapelle mit mehrstimmiger Gesangsbegleitung bilden: Michael Hirte an der Mundharmonika, Leo Rojas an der Panflöte und Ricardo Marinello sowie Freddy Sahin-Scholl am Mikrofon. Hundedame PrimaDonna würde die Bühnen-Show anheizen. Oder dazu bellen.
Punk's not dead?
Man möchte all den jungen Menschen, die auf eine Musikkarriere hoffen, nur noch zurufen: Lernt nicht Gitarre. Oder Schlagzeug. Und schon gar nicht Klavier. Denn dass das in die Hose geht, konnte man ebenfalls im "Supertalent"-Finale live miterleben. Der Schweizer Ricky Kam spielte mit seinen sechs Jahren zwar schon fast wie ein Großer, verhaute sich jedoch ein paar Mal auch ordentlich auf den Tasten. In der Folge reichte es für den von Jurorin Sylvie van der Vaart zum "Wunderkind" erklärten Jungen "nur" noch für den dritten Platz.
Noch schlimmer traf es den Hobby-Pianisten Jörg Perreten. Liegt der Popper tot im Keller, war der Punker einfach schneller, heißt es ja eigentlich. Doch in diesem Fall knipste "Pop-Titan" Dieter Bohlen dem 23-Jährigen mit dem Irokesen-Schnitt, der von seinem Leben auf der Straße gerne auf den Pfad der Tugend einschwenken würde, die Lichter aus. Nachdem auch Perreten seine Interpretation von Metallicas "Nothing else matters" auf dem Klavier ziemlich vergeigt hatte, bescheinigte ihm Jury-Chef Bohlen, in dem Finale fehl am Platz zu sein. Das saß. So sehr, dass der junge Mann wohl am liebsten fluchtartig zurück auf die Straße gerannt wäre und Moderator Marco Schreyl kurzerhand einfach stehen ließ. Punk's not dead - für einen Augenblick wollte man das da tatsächlich glauben.
Auch verrenkte Gliedmaßen, Akrobatik auf Krücken und sogar Popping - gemeint ist natürlich der so bezeichnete Tanzstil - gerieten neben dem Flötenspiel von Leo Rojas zur Luftnummer. Oleksandr Yenivatov konnte mit seiner Verbiege-Show, die allein beim Zusehen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, am Ende beim Publikum ebenso wenig punkten wie der seit einer frühen Erkrankung an Kinderlähmung gehandicapte Dergin Tokmak mit seiner Gehhilfen-Choreografie. Der Slowake Miroslav Zilka hatte es - nicht nur zur Freude von Jury-Mitglied Motsi Mabuse - als einziger Tänzer bis in die Runde der letzten Zehn beim "Supertalent" geschafft. Doch auch wenn er sein Bestes gab, seiner musikalischen Begleitung durch LMFAOs "Sexy and I know it" gerecht zu werden, reichte es letztlich nicht dafür, um den Titel mitzutanzen.
Sänger ohne Chance
Blieben noch die Sänger, die es von Bohlens Gnaden bis ins Finale geschafft hatten: Die Italienerin Desire Capaldo lieferte mit dem Musical-Klassiker "Memories" zwar den technisch zweifellos einwandfreisten Gesangsauftritt ab, doch offenbar hatten die RTL-Zuschauer keine Lust auf ein weiteres "Supertalent" mit Falsett-Stimme. Stattdessen wählten sie - ganz so, wie zuvor von der Jury empfohlen - den Baden-Württemberger Sven Müller auf den zweiten Platz der nunmehr fünften Staffel der Casting-Sendung. "I have a dream" sang der 34-Jährige, der als Spielsüchtiger einst 250.000 Euro Schulden angehäuft hatte - doch der Traum vom Sieg und dem zugehörigen Gewinn von 100.000 Euro ist für ihn in letzter Minute geplatzt.
Keine allzu großen Hoffnungen darauf durfte sich wohl von Anfang an Julian Pecher machen. Der 20-Jährige aus dem schönen Fürth, der trotz Mädchenschwarm-Ausstrahlung solo ist und dessen echt total rührselige Schicksalsgeschichte darin bestand, dass er von seiner Freundin sitzen gelassen wurde, blieb bei seinem Vortrag des Jupiter-Jones-Songs "Still" erschreckend farblos. Das kann man von Mark Ashley indes nicht gerade behaupten. Im rosa Anzug sang er "You're my heart you're my soul" von Modern Talking wieder einmal derart originalgetreu nach, dass man kaum glauben kann, dass Thomas Anders nicht auch schwul ist (nein, ist er natürlich nicht!). Sei's drum: Dieter Bohlen hatte es der Karaoke-Sänger, der ihn als 38-jähriger Mann vergöttert wie das sonst nur Zahnspangen-tragende "Bravo"-Leserinnen mit "Twilight"-Stars tun, derart angetan, dass er ihn bis ins Finale mitgeschleift hat. Genutzt hat's nichts.
Stattdessen nun also Panflöte. Keine Frage: Menschlich und persönlich ist der Sieg Leo Rojas durchaus zu gönnen. Bestimmt kann er seiner Familie mit der Gewinnsumme in Ecuador ein schönes Eigenheim bauen. Doch ob er sich als bleibende Casting-Konstante erweist, bleibt abzuwarten. Schon in knapp einem Jahr dürfte die Suche nach dem nächsten "Supertalent" beginnen. Ein Maultrommel- oder Triangel-Spieler würde sich dann im Konzert der bisherigen Gewinner sicher hervorragend machen.
Quelle: ntv.de