Meisterregisseur Roman Polanski Der Mann, der in die Abgründe blickt
18.08.2013, 07:33 Uhr
Umstritten und genial: Regisseur Roman Polanski.
(Foto: REUTERS)
Roman Polanski hat in seinem Leben düstere Zeiten durchlitten: Als Kind verlor er seine Mutter und überlebte nur knapp den Holocaust. Seine Ehefrau Sharon Tate wurde Ende der 60er Jahre von Satanisten brutal ermordet. Die Meisterwerke des französisch-polnischen Filmemachers sind keine leichte Kost. Nun wird er 80 Jahre alt.
Roman Polanski lebt in Paris und liebt die Schweiz. Nicht nur, weil man ihm in Gstaad Hähnchen und Wein als Zeichen der Solidarität brachte, als er in seinem Haus wegen eines lang zurückliegenden Sexualdelikts unter Hausarrest stand. Der Filmemacher fand in dem Nobelort vor 40 Jahren Unterschlupf und Schutz. "Nach dem Mord an meiner schwangeren Frau und drei meiner Freunde flüchtete ich vor den Medien hierher", gestand Polanski in einem Interview mit dem Westschweizer Radio- und Fernsehsender RTS.
Angst, Verzweiflung und Tod begleiten die Biografie des polnisch-französischen Regisseurs, der am 18. August 80 Jahre alt wird. Im Laufe seines Lebens ist ihm ein dickes Fell gewachsen. "Ich bin aus hartem Material. Aus mir könnte man Nägel machen", spöttelt der Ausnahme-Regisseur in dem Interview. An den Tod habe er sich gewöhnt, so wie sich Chirurgen an offene Bäuche gewöhnt haben, erklärte er leicht verbittert.
Die zweite Frau wird ermordet
Als kleiner Junge erlebte der 1933 in Paris als Rajmund Roman Liebling geborene Polanski die Gräueltaten der Nazis: Seine Eltern, polnische Juden, kehrten mit ihm wenige Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Polen zurück. Während der NS-Besatzung zunächst im Krakauer Ghetto eingesperrt, wurden die Eltern schließlich in Konzentrationslager deportiert, nur der Vater überlebte. Polanski schlug sich zusammen mit anderen Kindern in Wäldern der Region durch, kam bei Bauern unter und überlebte so den Krieg.
Im Jahr 1969 wurden seine im achten Monat schwangere Frau Sharon Tate und vier weitere Personen von Anhängern der okkulten Manson-Sekte in Polanskis kalifornischer Villa auf bestialische Weise getötet. Polanski entging den Mördern, weil er sich zum Zeitpunkt des grausamen Verbrechens nicht in der Villa aufhielt. Der Regisseur verließ Hollywood vorübergehend, um dann 1974 mit dem Detektiv-Thriller "Chinatown" zurückzukehren.
1977 folgt die Fortsetzung der Polanski-Saga. Er wird festgenommen. Im Haus von Jack Nicholson hat er eine 13-Jährige mit Drogen und Champagner zum Sex verführt. In Kalifornien gilt Intimverkehr mit Minderjährigen als Vergewaltigung. Er bekennt sich schuldig und sitzt 42 Tage in Untersuchungshaft. Um einem Prozess in Amerika zu entkommen, flüchtet er nach Paris.
Parallelen zwischen Leben und Werk
Parallelen zwischen Polanskis Werk und seinem Leben wurden immer wieder gezogen, Tod und Gewalt sind dort Konstanten. In den Filmen des immer noch sehr jungenhaft wirkenden Filmemachers geht es um Menschen, die dem Bösen ausgeliefert sind - entweder in ihren Ängsten oder aber in ihrer wirklichen Welt. "Man muss Gewalt zeigen, wie sie ist. Wenn man sie nicht realistisch zeigt, ist das unmoralisch und schädlich", sagte Polanski einmal. "Venus im Pelzmantel" ist ein Sado-Maso -Drama, das er dieses Jahr in Cannes präsentiert hat; "Der Gott des Gemetzels" aus dem Jahr 2011 ein Psychodrama, in dem sich zwei Paare zerfetzen. Der Meister der Klaustrophobie brilliert.

Polanski seit 1989 mit der französischen Schauspielerin Emmanuelle Seigner verheiratet.
(Foto: REUTERS)
Der vielfach ausgezeichnete Politthriller "Ghostwriter" handelt von Mord und politischen Intrigen. Den nervenaufreibenden Film hat er in der Haftanstalt in Zürich fertiggestellt. Polanski wurde auf dem Weg zum Zurich Film Festival Ende September 2009 bei der Einreise in die Schweiz festgenommen. Die USA hatten 2005 wegen des weit zurückliegenden Sexualdelikts einen internationalen Haftbefehl bewirkt. Nach seiner "provisorischen Auslieferungshaft" wurde er mit elektronischen Fußfesseln in den Hausarrest entlassen. Im Juli 2010 lehnte die Schweiz den Auslieferungsantrag ab. Nach knapp einem Jahr war Polanski wieder frei.
Nur wenige blicken so tief in menschliche Abgründe. "Macbeth" und sein zum Kultfilm gewordener Horrorstreifen "Rosemary's Baby" sind Stücke, die mit einem Blutbad enden und im Wahnsinn. Ein Meilenstein in der Tradition des "Film noir" war auch sein 1974 für mehrere Oscars nominiertes Werk "Chinatown": ein schonungsloser und brutaler Detektiv-Thriller.
Oscar für den persönlichsten Film
Die Vergangenheit holt den 1933 in Paris geborenen Filmemacher immer wieder ein. In dem mehrfach preisgekrönten Film "Der Pianist" - für den er 2003 den Oscar als bester Regisseur erhielt - arbeitet Polanski erstmals das Trauma seiner Kindheit auf. Die authentische Geschichte handelt von einem hoch angesehenen jüdischen Klavierspieler. Wladyslaw Szpilman entkommt den Abtransporten in die Ghettos. In ständiger Angst und völlig ausgehungert wartet er auf das Ende des Krieges. "Das ist mein persönlichster Film, denn ich habe meine eigenen Erinnerungen verwendet", sagte Polanski später über den Streifen.
Seit Mitte der 70er Jahre ist Polanski französischer Staatsbürger, seit 1989 ist er mit der französischen Schauspielerin Emmanuelle Seigner verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Früher war er ein Weit- und Vielreisender. Heute lebt er in Paris und verbringt seine Ferien in Gstaad. Ob ihm das Reisen nicht fehle? Die Antwort, die Polanski in dem Anfang 2012 geführten RTS-Interview gab, kam ohne zu zögern. Nein, er wolle nur noch seiner Familie nahe sein, von der ein Jahr lang getrennt lebte.
Quelle: ntv.de, sni/dpa/AFP