Liebe, Vergebung, Tod Der beste Clooney aller Zeiten
14.09.2010, 13:07 Uhr
"Lass uns gehen." "Ja, warum nicht?"
(Foto: AP)
Der eine macht ganz außergewöhnlich gute Aufnahmen, der andere lässt sich ganz außergewöhnlich gut aufnehmen. Corbijn hinter, Clooney vor der Kamera, in einer Geschichte über die Liebe, den Tod und die Erlösung - ein Meisterwerk.
Eins steht mal fest: Ich werde mir die Haare nicht blondieren, George steht immer noch auf Brünette. Aber ganz von vorne: So haben wir George Clooney schon lange nicht mehr gesehen. Eigentlich noch nie. Wer Fan des Mannes ist, der seine Karriere in der Arzt-Serie "Emergency Room" begann, der dann ab 1996 in "From Dusk Till Dawn" (böse), über "O Brother, Where Are Thou?" (odysseenhaft), "The Perfect Storm" (feucht, aber nicht fröhlich), die "Ocean's"-Trilogie (cool), "Good Night, And Good Luck" (oscarverdächtig), "Syriana" (unrasiert), "Burn After Reading (heiß), "Up In The Air" (busy) bis zu "Men Who Stare At Goats" (tierisch gut) zu sehen war, der sieht jetzt einen Mann, der noch nie so wenig geredet hat und doch mit seinen Blicken, seinen Taten alles sagt.
Berlin, Regent Hotel, schwerer Teppich, verschnörkelte Lampen - nicht gerade das Ambiente, in dem man sich einen Fotografen wie Anton Corbijn vorstellt. Hier wartet er jedoch und begrüßt jeden Journalisten mit Handschlag. Im Interview gesteht der Regisseur dann, dass der Film bereits die unterschiedlichsten Reaktionen ausgelöst hat - bei der Autorin in der Tat nur eine: Begeisterung. Damit ist sie nicht alleine, in den USA schoss "The American" sofort an die Spitze der Kino-Charts - und das ist nicht verwunderlich.
Genug vom Töten
Die Geschichte, die Corbijn verfilmt hat, beruht auf dem Buch des britischen Autors Martin Booth, das 1991 unter dem Originaltitel "A Very Private Gentleman" erschien. Die Story, die als smarter Thriller verkauft wird, eigentlich aber die Charakterstudie eines einsamen Mannes ist, der sein Leben lang Waffen gebaut und damit getötet hat, ist an sich schnell erzählt: Jack, ein Auftragskiller, hat genug vom Töten, er will aussteigen, denn er beginnt Fehler zu machen. Ein ganz großer Fehler ist seine Schwäche für attraktive Frauen, sie macht ihn nachlässig. Als er sich in ein kleines Bergdorf in den Abbruzzen zurückzieht, um sich auf seinen letzten Auftrag vorzubereiten, beginnt gleichzeitig ein neuer Lebensabschnitt und er begreift, wie einsam und misstrauisch er geworden ist. Seine engsten Vertrauten werden der alte Priester (Paolo Bonacelli) und die wunderschöne Hure Clara (Violante Placido). Clooney, Bonacelli - dessen Gesicht uns noch aus "Night On Earth" vertraut ist - die unglaublich sinnliche und vollkommen unprostiuiert wirkende Placido im Zusammenspiel mit der mysteriösen Mathilde (Thekla Reuten) bilden ein Quartett, das man noch den ganzen Tag im Kopf behält.
Wer wird wen erschießen?
Außerdem gibt es quasi noch drei weitere, unsichtbare Größen in dem Film: Die eine heißt Anton Corbijn, dessen Kamera die Gesichter (und Körper!) der Schauspieler auf so intime Art abtastet, dass man die erotische Spannung zwischen Jack und Clara spürt, die Spannung zwischen Jack und dem lebensweisen Priester kaum erträgt, und die Spannung zwischen Jack und der Auftraggeberin (wer wird wen erschießen und wie attraktiv finden sie sich gegenseitig, um dies doch noch zu verhindern?) nicht einordnen kann.
Die andere Größe ist nicht wirklich unsichtbar: Die Landschaft. Vor allem die Aufnahmen aus der Vogelperspektive verleiten den Zuschauer zum Schwärmen für die Schroffheit dieser italienischen Landschaft, und last but auf jeden Fall not least: Die Musik. Ein sehr guter Freund Corbijns hat sie beigesteuert, und als das Studio in Los Angeles hörte, dass der Holländer einen deutschen Musiker mit der Filmmusik für einen Hollywood-Thriller, der in Italien spielt, beauftragt hatte, googelten sie erstmal seinen Namen: Herbert Grönemeyer.
Der wahrscheinlich erfolgreichste und beliebteste Musiker der deutschen Gegenwart hat schon oft Filmmusik komponiert, nur eben noch nicht für eine Hollywood-Produktion. In "The American" beweist er, dass man ihm einen solchen Film zutrauen kann. Fragt man Anton Corbijn nach seiner Freundschaft zu Grönemeyer und all den Stars, die er schon vor seiner Kameralinse hatte (U2, Depeche Mode, Frank Sinatra, eigentlich sämtliche Musik-Größen der letzten 50 Jahre) erntet man nur Schulterzucken: "Nervös war ich nur bei der Begegnung mit Nelson Mandela", erzählt der Regie-Quereinsteiger, dessen Musikdrama "Control" (2007) allerorten für Begeisterung sorgte. "Über die Jahre sind Bono & Co. einfach meine Freunde geworden. Diese Aufgeregtheit Stars gegenüber ist so typisch deutsch", lächelt er milde und fühlt sich dann aber doch ein bisschen geschmeichelt, als ich ihm meinen Fotoband "Star Trak" von Anton Corbijn für eine Widmung hinhalte.
George ist wieder da

Regisseur Anton Corbijn (r), mit Herbert Grönemeyer, dem belgischen Filmbösewicht Johan Leysen und Thekla Reuten.
(Foto: dpa)
Ich persönlich hatte mit George Clooney ja eher abgeschlossen. Ich fand ihn in den letzten Jahren zu albern, zu satt, zu sehr auf Frauengeschichten reduziert, zu sehr auf seine sogenannten Männerkumpel konzentriert - seine Filme habe ich trotzdem fast alle gesehen. Dabei verfolge ich seine Karriere wirklich von Anfang an, seit er Doug Ross, der "ER"-Kinderarzt mit den sanften Händen und den warmen Plüschaugen war. Damals gehörte George nur mir, doch dann kamen die ganzen anderen Brünetten.
Zu dem Zeitpunkt bekam ich auch Corbijns Bildband "Star Trak" geschenkt, mit Porträts von Stars und Sternchen. George Clooney war damals noch nicht vor seiner Linse, er war ja auch zu busy in der Notaufnahme und noch kein Star. Jetzt sind 15 Jahre vergangen, die beiden Männer sind aufeinandergetroffen und Corbijn erzählt, wie es war, als er Clooney, seiner ersten Wahl für die Rolle des Jack, das Drehmanuskript für "The American" zugeschickt hatte: "George hat es in einer Nacht gelesen und wollte sofort dabei sein." Er erzählt das nicht mit stolz geschwellter Brust, sondern so, als ob es das Natürlichste von der Welt sei, mit George Clooney zu drehen: "George ist so ein witziger Mann, alle am Set waren begeistert von ihm. Er hat die Gabe, für jeden einzelnen die richtigen Worte zu finden und verhält sich überhaupt nicht wie ein Star. Er verbringt die Drehpausen mit den Statisten, zieht sich nicht in den Wohnwagen zurück und hat eine entspannte Art, Smalltalk zu halten. Darum beneide ich ihn."
Signore Farfalle
Der Film, den Clooney auch produziert hat, lebt zu 70 Prozent durch ihn: Er sagt nicht viel, er baut ein Gewehr zusammen, und er liebt eine Frau. Das ist hübsch anzuschauen, denn der Frauenschwarm ist so fit und durchtrainiert wie schon lange nicht mehr! Seine Partnerin geht so natürlich mit ihm um, dass man sich an Elisabetta Canalis' Stelle (Clooneys Verlobter) sicher gewünscht hätte, Herr Corbijn hätte doch bloß wirklich einen richtigen Action-Thriller gedreht. Oder einen Western - Corbijns liebstes Film-Metier.
Clooney ist ein raffinierter Killer - selbst, als er auf Socken unterwegs ist, um in den engen, typischen Gassen des Bergdorfs keine unnötigen Geräusche zu machen, ist er sexy. Der Schluss des Films ist nicht ganz so einleuchtend, wie man es sich wünschen würde. Aber auch, wenn es hauptsächlich ums Morden geht - es ist ein Film über die Unmöglichkeit der Liebe, die Vorbereitung auf den Tod, das Handwerk, den Glauben an das Gute, die Schönheit, und immer wieder Vergebung und Erlösung, wie Corbijn im Gespräch betont. Am Ende bleiben die Worte: "Komm mit mir!" "Wohin?" "Egal, nur fort von hier" "Ja, warum nicht!?" "Ti amo!" im Raum stehen.
In einer Parabel, in der es um Vergebung und Moral geht, ist das Ende nicht immer absehbar - auch nicht immer schön.
Quelle: ntv.de