Unterhaltung

Verdammt, so viel Talent! Esther Perbandt, anders als man denkt

Die Band: Esther Perbandt, Alexander Scheer, Lars Kwiatkowski, Daniel Nentwig und Tony Clifton.

Die Band: Esther Perbandt, Alexander Scheer, Lars Kwiatkowski, Daniel Nentwig und Tony Clifton.

Ultracool, schwarz gekleidet, groß, fette Mütze - man könnte sie so leicht in eine Schublade stecken. Muss man aber nicht. Denn wenn man mit Esther Perbandt redet und in ihre großen, klaren Augen schaut, dann denkt man an alles Mögliche, nur nicht an Schubladen. Man überlegt sich zum Beispiel, ob ihr Tag mehr Stunden hat als 24 und ob sie eventuell platzen könnte, wenn sie ihre Kreativität nicht an 1000 Dingen ausleben würde.

Der Auftritt bei Michalsky.

Der Auftritt bei Michalsky.

Aber fragen wir sie doch selbst: Im Tempodrom, kurz vor der Michalsky-Stylenite, dem größten Almauftrieb zur Beendigung der FashionWeek, treffen wir die singende Designerin, die kein bisschen aufgeregt wirkt, es aber ist, wie sie zugibt. Michael Michalsky, bekannt, verehrt und ein großer Musikliebhaber, überlässt auf seinem Runway jede Saison einem musikalischen Newcomer und einem Star die Bühne. Dieses Mal performen Rita Ora und eben Esther Perbandt zwischen Herren- und Damenkollektion des Meisters. Dass bei Esther ein paar eigene Kreationen gezeigt werden, versteht sich von selbst. Von Konkurrenz-Gehabe also keine Spur. Doch warum singt sie denn nun, die erfolgreiche Designerin von ausgefallenen, aber für die selbstbewusste Frau tragbaren Kleidern?

Esther Perbandt: Ich kann da gar nicht drumherum (lacht). Ein Muss, ein Wunsch.

n-tv.de: Du hast etwas Einzigartiges an dir und es ist dennoch schwer, dich einzuordnen.

Ich pass' in keine Schublade (lacht).

Ja, schwer. Bist du extra so vielseitig, weil du keinen Bock auf Schublade hast?

Oh, das ist ne schwere Frage. In der Tat hab' ich was gegen Schubladen-Denken. Ich habe jetzt jahrelang eine Lack-Kappe getragen, und da war ich alles von Hardcore-Lesbe über Gruftie bis Gothic. Aber es macht mir dann auch große Freude, aus der Körpersprache der anderen herauszulesen, dass es ihnen schwerfällt, mich nach genauerer Betrachtung einzuordnen. Dann ist die Verwirrung komplett.

Du hast aber schon einen speziellen Stil ...

Ja, aber ich plane das gar nicht so.

Wie lange brauchst du denn morgens, bevor du das Haus verlässt? Bei Menschen mit einem extremeren oder unverwechselbaren Stil stell' ich mir immer vor, dass es lange dauern muss. Ich zieh' meist an, was über dem Badewannenrand hängt, gucke, ob die Sonne scheint oder es regnet und ob ich Fahrrad oder Auto nehme, und dann los.

Bei mir dauert das nicht lange. Ich seh' eigentlich immer gleich aus, auch sonntags (lacht). Ich kann ja auch nur anziehen, was ich im Schrank habe, und da ist so ein Automatismus.

Ein Stichwort, was mit dir im Zusammenhang gerne genannt wird, ist Androgynität. Gibt es auch androgyne Musik?

Es gibt ja definitiv Jungs- und Mädchenmusik. Und sicher auch was für beide, aber ob das dann androgyn ist? Du stellst Fragen ... Muss ich mir mal Gedanken drüber machen. (überlegt) Also, die Texte haben schon viel mit mir zu tun, ich benutze auch viele alte Texte von mir, aber jetzt der Anfang war sehr spannend und ist so was wie ein Gebet. Man könnte es auch ein Wunschbild nennen, dass alles möglichst gleich ist. 

Da klingt wie eine übergeordnete Androgynität ...

Ich weiß nicht, ob ich das so nennen würde, es ist auf jeden Fall was Schönes (lacht).

Wie habt ihr denn nun zusammen gefunden, der Herr Michalsky und du?

Wir kannten uns nur vom Sehen, das kam mehr über seinen Geschäftspartner, den Volker Titgens, zustande. Den hab ich vor ein paar Wochen wegen etwas völlig anderem getroffen, aber ich hab' eben auch von meiner Idee erzählt, mit einer Band zu performen, und dabei meine Mode zu präsentieren. Er fand die Idee gut, wollte mich aber auch warnen.

Zum Hören und zum Anziehen.

Zum Hören und zum Anziehen.

Wovor?

Naja, erst einmal kommen die Menschen ja wegen der Mode zu einer Fashion Show, nicht wegen der Musik. Und da fragt man sich schon, ob die nicht genervt sind, wenn sie sich noch Musik anhören müssen (lacht) ...

Glaub' ich nicht, das weiß doch jeder, der eingeladen wird, dass es Musik gibt bei Michalsky.

Na mal gucken, wie der Abend läuft. Aber Blut geleckt hab ich jetzt schon. Ich will damit gerne weitermachen. Aber vor so einem großen Publikum hab' ich noch nie gespielt, überhaupt noch nicht, wenn ich mal ganz genau bin. Ich versuche eben immer wieder, meine Grenzen auszuloten. Ich brauche ständig Herausforderungen. Das ist aber auch ganz schön anstrengend (lacht).

Das glaube ich. Singen, komponieren, Mode machen, dein Tag hat doch auch nur 24 Stunden.

Ich habe zum Beispiel keine Familie.

Stimmt, das kostet viel Zeit.

Ich habe da einen Motor. Aber ich hatte jetzt drei Monate auch nur noch einen Tunnelblick. Das ist irgendwie toll, aber das ist für alle Beteiligten auch mühsam. Meine Freunde zum Beispiel.

Und danach? Fällst du dann in ein Loch?

Ja, da gibt es nochmal so ein kurzes Aufbäumen, und dann ist erstmal die Luft raus. Nach der Fashion Week werde ich meist krank ...

Bist du schnell gelangweilt?

Ja. Das muss wohl so sein. Aber es kommt ja auch immer wieder was Neues. Kein Vergleich zum Beispiel zwischen heute Abend und dem, was ich vor einiger Zeit in der Volksbühne gemacht habe, da habe ich wirklich auf jedes Detail geachtet und unendlich viel Liebe reingesteckt. Das war mein großer Traum, das haben die Leute gespürt, denke ich. Es sollte der Funke überspringen. Ich verwirkliche gerade meine Träume, und dabei geht es mir dann gar nicht um Perfektion. Es geht darum, die Dinge zu tun, die einem am Herzenliegen, was man seit Jahrenmachen will. Die Zeit vergeht so schnell. Und ich wollte eben mal so einen Auftritt wie heute Abend.

Den hätte ich auch gerne, leider kann ich überhaupt nicht singen.

(lacht) Das soll ja kein Wettkampf sein! Als meine Mutter vor vier Jahren gestorben ist, hat sie kurz zuvor alles gemacht, was sie schon immer machen wollte. Leider musste sie erst so krank werden, damit sie endlich das tut, was sie will. Und das ist mir echt eine Mahnung, das habe ich mitgenommen, ich mache das gleich, und Musik macht mich glücklich.

Mit Esther Perbandt sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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