Unterhaltung

"Tatort" mit Odenthal und Kopper We need to talk about Ron

Allzeit bereit: Andreas Hoppe als Kommissar Mario Kopper.

Allzeit bereit: Andreas Hoppe als Kommissar Mario Kopper.

(Foto: SWR/Stephanie Schweigert)

Auf einem Feldweg wird Ron erschossen aufgefunden. Zwischen den üblichen Verdächtigen - Lehrer, Verehrerin und Kumpel - dauert es etwas, bis Lena Odenthal und Mario Kopper Licht ins Dunkel bringen. Am Ende aber lässt einen "Freunde bis in den Tod" ratlos zurück.

"Würdest du gerne Julia ficken?" Das ist der erste Satz, den der Zuschauer in der jüngsten SWR-Ausgabe des "Tatort" zu hören bekommt. Die Bilder der nächtlichen Autofahrt sind grobkörnig, die Typo des Vorspanns ist zerkratzt, die Schnitte kommen schnell. Der jugendliche Beifahrer, an den die Worte gerichtet sind, hat Todesangst. Das Tempo steigt: die nächtliche Irrfahrt endet mit einer Vollbremsung in letzter Sekunde. Vor einer Holzwand.

Die Spurensuche für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Kopper gestaltet sich schwierig.

Die Spurensuche für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Kopper gestaltet sich schwierig.

(Foto: SWR/Alexander Kluge)

Als nach der aufreibenden Anfangssequenz endlich Ruhe einkehrt, der Wind durch Wald und Wiese geht, das körperlose Rauschen fast ein wenig an die berühmten Park-Szenen aus Antonionis "Blow up" erinnert, ist Roland Klaas, der Junge hinterm Steuer, tot. Erschossen liegt er auf einem Feldweg. Zwischen seinem gebrochenen Blick und der Herbstsonne stehen Mario Kopper und Lena Odenthal, für die die nächste Anlaufstelle auf der Hand liegt: die Schule des Jungen, den alle nur Ron nannten.

Es dauert ein wenig, und das ist durchaus die Qualität des mittlerweile 58. Falles der dienstältesten "Tatort"-Ermittlerin, bis sich erste Spuren aufzeigen. Nicht im Sinne von gemächlich, sondern mit aller Ruhe, dabei ohne den üblichen WG- und Rotwein-Flachs des Duos, identifizieren sie die Hauptfiguren rund um den Ermordeten, dessen Charisma die einen anzog, die anderen irritierte.

Auf dem Handy des Ermordeten entdeckt Kopper schließlich eine Spielszenerie, die ihm bekannt vorkommt: Es handelt sich um die Gänge der Schule. Ron hatte das Szenario zwecks Training am Computer nachgebaut. Sein Plan in der Realität: ein Amoklauf an der verhassten Penne. Alle sollten dran glauben. "Weil die Welt scheiße ist", so einfach ist das. "Sie lohnt sich nicht. Alle, die es klarer sehen, besser wissen, die werden umgebracht!" Alles Lüge, alle falsch, allesamt zum Tode verurteilt. Doch beim Waffenkauf kommt es zum Streit, ein Schuss fällt. Der Amokläufer in spe ist nicht mehr. Am Ende versucht Manu noch, das Werk seines besten Freundes zu vollenden. Alles vergebens, Lena Odenthal stoppt ihn in letzter Minute.

Ein subtiler Kniff

Nach dem Kindergarten-"Polizeiruf" der Vorwoche geht man in Ludwigshafen diesmal zwei Altersstufen höher zu Werke. Und was ist schwieriger, als solche "Milieus" authentisch wiederzugeben, von denen sich die Script-Autoren zumeist doch mehr als eine Armlänge entfernt befinden? Ob Rocker-Clubs oder Fußballvereine, Schlachterei-Filialen, Kindergärten oder eben Schulen - die Darstellungen im "Tatort" reichen von leidlich gelungen bis grotesk abwegig.

Das Ermittler-Team überbringt Rons Mutter (Nina Kronjäger) die Nachricht vom Tod ihres Sohnes.

Das Ermittler-Team überbringt Rons Mutter (Nina Kronjäger) die Nachricht vom Tod ihres Sohnes.

(Foto: SWR/Alexander Kluge)

Drehbuchautor Harald Göckeritz weiß um die Fußangeln und löst das Problem mit einem subtilen Kniff. Er lässt Schulhof-Talk Schulhof-Talk sein, verzichtet darauf, das vielköpfige Kollegium einzubeziehen, selbst die gebrochenen Eltern werden zu Staffage. Stattdessen reduziert er das Personal aufs Minimum: Kumpel Manu, Chemielehrer Haller, Flohmarkt-Hehler Ösner. Und Julia. Dass die ein bisschen viel von "deleten" und "strange", von "Freaks" und "checken" spricht, zeigt schon die Gefahr, sich im allzu fernen Duktus zu verheddern. Seinem Ensemble und der unterkühlten Führung von Regisseur Nicolai Rohde verdankt es der Fall, dass er nicht aus den Fugen gerät. Seine jugendlichen Darsteller Leonie Benesch (Julia) und Joel Basman (Manu) tragen die Story scheinbar mühelos und allein.

Wie nach einem echten Amoklauf

Rohdes unaufgeregte Inszenierung ist es denn auch, die den in der zweiten Hälften latent schwächelnden Plot auffängt. Gegen den Strich, wo es der Story dient (Anfangssequenz, die Spielszenen auf dem Handy), voller Ruhe, wo die Dialoge und Gesichter der Agierenden die Geschichte vorantreiben. Dennoch: Die ausgelegten Spuren in Rons Biografie bekommt der "Tatort" nicht ganz miteinander verwoben.

Den Zuschauer - und das ist beinah meta-realistisch - hinterlässt der Fall ähnlich ratlos wie ein Amoklauf im wirklichen Leben. Warum denn wollte Ron, den doch alle Frauen irgendwie klasse und selbst seine Feinde zumindest faszinierend fanden, alle, sich und seinen besten Freund eingeschlossen, umbringen? Klar, die Welt ist schlecht. Aber reicht das als Motiv? Der Chemielehrer ist ein Zocker. Muss man ihn deswegen gleich abknallen?

Zudem bleiben Fragen offen: Warum befragen Kopper und Odenthal nicht einen einzigen Mitschüler? Woher hatte Manu am Ende die Sporttasche mit den Sprengsätzen? Und wann bekommt Kopper endlich seinen Führerschein wieder?

Quelle: ntv.de

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