Unterhaltung

Ach, "Brigitte"!Zu schön für die deutsche Frau

06.09.2012, 15:18 Uhr
imageVon Sabine Oelmann
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Sind sie zu schön, bist du zu schwach! (Foto: picture alliance / dpa)

Schade. Experiment vorbei. Die Kleiderstangen müssen wieder ran. Und das alles, weil die Leserin es so wünscht? Naja, nicht ganz. Es ist eine generelle Überlegung, ob man mit professionellen oder Freizeit-Models arbeitet. Und, ob man andere schöne Frauen neben sich erträgt.

Jetzt weiß man gar nicht, was man an der Sache "schader" finden soll: Die Macher, die vom Konzept "normale Frau als Model" wieder wegschwenken wollen, oder die gemeine Leserin, die diese "normalen Frauen" als zu schön für eine Vorführdame in Sachen Kleidung befindet? Aber es ist, wie immer, gar nicht so einfach.

Der Ansatz von vor knapp drei Jahren war geradezu revolutionär: Nicht mehr Frauen mit Size Zero sollten der doch eher bodenständigen "Brigitte"-Leserin vermitteln, was in der kommenden Saison so angesagt ist oder was ihr stehen könnte, sondern die Frau von nebenan. Das hatte sich der jetzt scheidende Chefredakteur Andreas Lebert eigentlich ganz hübsch ausgedacht, damals, 2010.

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Herr Lebert bei der Lektüre. (Foto: picture alliance / dpa)

Statt einer Kleiderstange, deren (nicht vorhandene) Maße eine normale (was ist schon normal??) - sagen wir mal in den Größen 36-42 befindliche Frau jeden Alters - niemals erreichen wird, nahm man für sämtliche Modestrecken Frauen "von der Straße" in der bereits erwähnten Kleidergrößen-Spanne. Die konnten sich in der Redaktion bewerben, und wenn sie "normal" genug waren, wurden sie genommen. Das waren zugegeben sehr hübsche normale Frauen. Nie zu dünn, nie zu dick. Keine Pickel, Falten an der richtigen Stelle (also Lachfältchen ums Auge), und wenn graues Haar, dann mit dem richtigen Glanz. Schön. So weit, so gut. Dann gab es aber immer noch eine kleine Info dazu: Die 23-jährige Anna (Größe 36-38), ein Kind (6), alleinerziehend, arbeitet tagsüber in einem Café und studiert abends Erziehungswissenschaften. Ihre Hobbys sind Reiten und Saxofon, ab und zu geht sie in einen Kindergarten und liest dort Immigrantensprösslingen vor. Zum Glück hilft ihre Mutter (von der sie die guten Gene hat) bei der Kinderbetreuung, der Kindsvater (bei der Freiwilligen Feuerwehr) nimmt die Kleine alle zwei Wochenenden und jeden Mittwoch. Herrlich. Mittwoch ist nämlich Shopping- und Yoga-Tag bei Anna.

"Up-Grading" à la Brigidde

Oder Christa, 65, eine gemütliche Größe 42/44, verheiratet, drei Enkel, Bibliothekarin, hat zwölf Jahre mit der Familie in Frankreich gelebt und kocht für ihr Leben gern, deswegen macht sie jetzt auch professionell Marmelade, die sie am Samstag auf dem Wochenmarkt in einem schönen Bezirk ihrer Großstadt verkauft. Den Erlös spendet sie dem Tierheim, ihr Mann verdient genug. Puuh, da kann man schon neidisch werden. Wie schaffen diese Frauen das? Und dann sehen sie auch noch so gut aus und kombinieren - auch privat - H&M-Hose mit Prada-Schuhen, Mango-Mantel mit Hermès-Handtasche. Ja, das kann man machen, und tatsächlich ist das ein schlaues Konzept, Klamotten so anzuziehen. Aber irgendwie waren diese Frauen dann wohl doch immer ein bisschen zu gut, um wirklich wahr zu sein. Und das war für die "normale" Brigitte-Leserin dann vielleicht ein bisschen zu viel der Normalität - schlug sie sich doch gerade wieder mit dem Thema Kindergarten herum, der Mann konnte auch nach zehn Jahren Ehe die Spülmaschine nicht selbstständig ausräumen, und ihr Spiegel sagte ihr, dass gegen diese Augenringe auch Yves Saint Laurents "Touche Éclat" nichts ausrichten kann, schon gar nicht an einem solchen Bad Hair Day. Dann schon lieber Models angucken, deren Schönheit und dünne Oberarme man sowieso NIE erreichen wird.

Auf der anderen Seite war das ganz inspirierend, diese Power-Frauen zu sehen, man konnte sich von ihrem Elan doch ein Scheibchen abschneiden. Feststellen, dass man nicht die Einzige mit Doppel- und Dreifachbelastung ist, nicht allein auf der Welt ist mit dünnem Haar (und dass so ein pfiffiger Kurzhaarschnitt auch dir, ja DIR! stehen könnte), dass andere eben auch nur mit Wasser kochen ... Aber halt, da war es wieder, das Problem: Man selbst konnte vielleicht gar nicht kochen, nicht mal mit Wasser, und der alte Spruch "Spieglein Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land" geistert noch immer durch unsere Köpfe. Seit wir drei Jahre alt sind, messen wir uns mit anderen weiblichen Wesen: Okay, wenn die schöner ist, dann ist sie wenigstens dümmer, lautet ein Trost. Oder unglücklicher. Oder ärmer. Oder gar krank!! Nee, das wollten wir nun auch wieder nicht. Aber wir wollen auch nicht, dass ALLE anderen wieder mitgekriegt haben, dass Keilabsatz bereits seit Wochen out ist, nur wir laufen noch mit diesen Hufen herum. Zugegeben, in einer Zeitung, in der es um Mode, Lifestyle und Leben geht, wird man wahrscheinlich keine Models nehmen, die wirklich hässlich sind (was ist hässlich??), die krank sind oder arm, unglücklich aus der Wäsche schauen ... Also das gute alte Dilemma der Frau: Was will sie?

Die Leute bei der "Brigitte" sind ja nicht doof, sie wissen schon viel davon, was Frauen wollen, und nachdem sie nun erstmal fast drei Jahre für Aufregung gesorgt haben im deutschen Blätterwald mit ihren normalen Models und der Androhung des Absetzens selbiger Anfang der Woche, kehrt jetzt etwas Ruhe ein, denn natürlich sollen alle zufriedengestellt werden! Es wird eine Mischlösung geben. Da normale Models angeblich genauso viel kosten (und viel schwieriger zu beschaffen sind, da in keiner Kartei) wie richtige Models, wird die "Brigitte" auf beide Varianten umschwenken. Über die "Brigitte" gibt's also nix zu meckern, höchstens über die Leserin, die noch immer nicht selbstbewusst genug ist, andere schöne Frauen neben sich zu ertragen. Der empfehlen wir hier an dieser Stelle die schöne Umstyling-Rubrik "Vorher-Nachher" - und danach den Mut, sich hier zu bewerben.

Quelle: ntv.de