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"Blackout" legt Europa lahm Erst fällt der Strom aus, und dann?

Ein Stromausfall kann durchaus romantisch sein. Gehen die Lampen plötzlich aus, macht es sich der eine bei Kerzenschein mit einem guten Buch gemütlich, andere sorgen dafür, dass neun Monate später die Kreißsäle gut ausgelastet sind, wieder ein anderer genießt einfach die fast unwirkliche Stimmung. Alle wissen: Der Strom kommt zurück. Was aber, wenn nicht?

Die Katastrophe beginnt an einem eiskalten Februarabend in Italien. Plötzlich rasen auf stockdunklen Kreuzungen Autos ineinander, Menschen sind in U-Bahnen eingesperrt, Fahrstühle bleiben zwischen zwei Stockwerken hängen. Gleichzeitig herrscht in den Zentralen der Stromversorger und Netzbetreiber höchste Alarmstufe. Denn einmal aus dem Gleichgewicht gebracht, sind die fragilen Energienetze kaum noch zu stabilisieren - die Kettenreaktion ist nicht mehr aufzuhalten. Entsetzt müssen die Experten mit ansehen, wie in ganz Europa die Stromversorgung zusammenbricht.

Was passiert, wenn Terroristen Europa den Strom abdrehen? Die Antworten von Autor Marc Elsberg sind nicht wirklich beruhigend.

Was passiert, wenn Terroristen Europa den Strom abdrehen? Die Antworten von Autor Marc Elsberg sind nicht wirklich beruhigend.

(Foto: Clemens Lechner)

Hinter dem Blackout steckt ein gezielter Cyberangriff. Und die Verursacher haben an alles gedacht; aber nicht mit Piero Manzano gerechnet. Der IT-Spezialist aus Mailand nimmt in seiner Wohnung den Smart Meter, einen in ganz Italien eingebauten intelligenten Stromzähler, unter die Lupe und stellt fest, dass der manipuliert worden ist. So kommt er den Angreifern auf die Spur - und gerät bei dem Versuch, die zuständigen Behörden zu informieren, als verurteilter Hacker und G8-Aktivist selbst ins Visier von Europol. In dem verzweifelten Versuch, die Katastrophe doch noch zu stoppen, muss er sich quer durch ein Europa schlagen, in dem 500 Millionen Menschen bald ums pure Überleben kämpfen.

Denn bereits nach kurzer Zeit spitzt sich die Situation dramatisch zu. Nichts geht mehr: Die Wasserversorgung bricht komplett zusammen, Duschen und Toilettenspülungen funktionieren nicht mehr; Telefon und Internet versagen den Dienst, und nur wer ein batteriebetriebenes Radio sein Eigen nennt, kann sich noch über die aktuelle Lage informieren; die Regale der Supermärkte sind geplündert, Nachschub kann nicht angeliefert werden - wie auch: ohne Benzin fließt der Verkehr nicht mehr. Schon bald prügeln sich Menschen um Essen, rauben sich schließlich gegenseitig aus. In vielen Städten eskaliert die Gewalt auf den Straßen, in einigen Ländern nutzen Militärs die Gunst der Stunde und putschen sich an die Macht.

Der Thriller ist bei Blanvalet erschienen und kostet 19,99 Euro.

Der Thriller ist bei Blanvalet erschienen und kostet 19,99 Euro.

Als dann, nach wenigen Tagen, auch die Notstromaggregate erschöpft sind, kann die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern nicht mehr aufrecht erhalten werden. Auf den Intensivstationen der Kliniken spielen sich tragische Szenen ab. Währenddessen steuern einige Atomkraftwerke unaufhaltsam auf den Gau zu, Menschen werden "vorsichtshalber" evakuiert, Panik bricht aus. Denn was passiert, wenn in den Reaktoren das Kühlwasser nicht mehr temperieren werden kann, hat sich der Welt spätestens seit der Katastrophe im japanischen Fukushima ins Gedächtnis gebrannt.

Die Achillesferse der Gesellschaft

In seinem Thriller "Blackout. Morgen ist es zu spät" beschreibt Marc Elsberg ein wahres Horrorszenario. Er schildert den europaweiten Zusammenbruch der Stromnetze aus verschiedenen Perspektiven, wobei die Motive der Angreifer nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr geht es dem Autor um die Auswirkungen des Blackouts auf das alltägliche Leben, um die Reaktionen von Politik und zuständigen Unternehmen: Er verfolgt private Schicksale, beschreibt die Verzweiflung von Kraftwerksbetreibern und Stromlieferanten bei ihrer Suche nach möglichen Auslösern, die Hilfskoordination der nationalen Krisenstäbe und die hindernisreiche Jagd nach den Verursachern. Dabei steuert er verschiedene Stationen in ganz Europa an und wechselt so rasant die Schauplätze, dass dem Leser fast der Atem wegbleibt.

Intelligentes Stromnetz

Das sogenannte Smart Grid soll in der Lage sein, den Stromverbrauch zu kontrollieren, d.h. beispielsweise Verbrauchsspitzen zu erkennen, um gezielt Strom in die Netze einzuspeisen. Die dafür notwendigen Daten werden auf der Grundlage der Smart Meter erhoben. Die Geräte sollen nach dem Willen der EU bald in allen europäischen Haushalten den analogen Zählkasten ersetzen. In Deutschland ist die Installation bei Totalsanierungen und Neubauten seit Anfang 2010 gesetzlich vorgeschrieben. Die Verbrauchsdaten werden von den Smart Metern im Sekundentakt über das Internet an den Stromlieferanten übermittelt.

Aus Gründen des Datenschutzes sind die intelligenten Stromzähler stark in der Kritik, da anhand der ständig übermittelten Angaben exakte Aussagen über Lebensgewohnheiten und -umstände der in einem Haushalt lebenden Personen gemacht werden können  – vom morgendlichen Verlassen des Hauses bis hin zum abendlichen Ausknipsen der Nachttischlampe.

Dass die Verbrauchskontrolle über das Internet erfolgt, lässt Experten die Sicherheit des intelligenten Stromnetzes in Zweifel ziehen. Unbefugte könnten Daten abfangen, ausspionieren und manipulieren. Derzeit wird daran gearbeitet, Sicherheitslücken zu minimieren.

Entstanden sind 800 Thriller-Seiten vom Feinsten, auf denen Elsberg es versteht, ein erschreckendes und erschreckend realistisches Bild eines Blackouts zu zeichnen. Er zeigt, was den meisten gar nicht bewusst ist: Wie abhängig wir vom Strom sind. Und wie verwundbar es die Gesellschaft macht – wenn die Kontrolle der überlebensnotwendigen Energie in die falschen Hände gerät.

Das führt unweigerlich zu der Frage: Wie wahrscheinlich ist eine solche Katastrophe eigentlich? Tatsache ist, dass die Smart Meter, die Elsberg als Ausgangspunkt seines totalen Blackouts wählt, keine Erfindung und alles andere als unumstritten sind. Sie sollen die Basis für das in Europa geplante "Intelligente Stromnetz" bilden und eine optimale Steuerung des Energiebedarfs sichern. In naher Zukunft in allen Haushalten der EU-Mitgliedstaaten installiert, schicken sie dann alle paar Sekunden Informationen über den Stromverbrauch via Internet an den Energieversorger. Diese Vernetzung könnte zum Sicherheitsproblem werden und Dritten ein Einfallstor öffnen, um gezielt Geräte und Stromverteilung zu sabotieren, warnen Experten.

Und Hackerangriffe sind in der vernetzten Welt bereits Normalität. Es ist kein Geheimnis, dass Stromkonzerne ebenso wie Regierungen täglich Attacken aus dem Netz parieren müssen. Es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass Bundesbehörden den Worst Case durchgespielt und zwei Tage lang zusammen mit Energielieferanten ihr Krisenmanagement und ihre Reaktionsschnelligkeit bei einem flächendeckenden Stromausfall erprobt haben.

Es handelt sich also um aktuelle und hochbrisante Themen, die Elsberg in seinem präzise recherchierten Roman aufgreift. Am Ende hat man das Gefühl, um einige Erkenntnisse reicher zu sein. Zur Beruhigung kann das allerdings nicht wirklich beitragen. Und so dürften sich selbst unerschrockene Leser dabei ertappen, einen Notfallplan zu schmieden und die Vorräte an Wasserflaschen, Konserven und Batterien zu überdenken.

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Quelle: ntv.de

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