Chaos im US-Wahlkampf Lucky Luke reitet wieder
28.03.2009, 08:00 UhrMit dem Tod von Schöpfer Morris (mit bürgerlichem Namen Maurice de Bvre, 1923-2001) stand die Western-Comicserie "Lucky Luke" vor dem Aus. Wie sollte man eine außerordentlich erfolgreiche Serie, neben Asterix wohl das Aushängeschild der franko-belgischen Comic-Kunst, weiterführen ohne den markanten Strich Morris'?
Der Egmont Ehapa Verlag fand einen geschickten Zwischenweg, der die Serie in Deutschland weiterlaufen lässt, ohne auf Morris' Kunst zu verzichten. Im Wechsel veröffentlicht man Alben aus der Frühzeit des 1947 erstmals abgedruckten "lonesome cowboy", die bisher wohl nur peniblen deutschen Sammlern ein Begriff waren, und Werke aus der Feder einer neuen Generation von Comic-Künstlern.
Band 84, "Der Mann aus Washington", ist nun bereits der dritte Band von Achd (Zeichnungen) und Laurent Gerra (Szenario). Leider erscheint der Band etwas verspätet, denn - der Titel verrät es bereits - es dreht sich um die US-Politik, genauer gesagt: um den Wahlkampf um die Präsidentschaft.
Sam Palin und Perry Camby
Das bewährte Konzept der alten "Lucky Luke"-Bände, historische Persönlichkeiten und Begebenheiten in die Handlung einzubauen, wurde erfreulicherweise beibehalten. Nur gehen Achd und Gerra forscher ans Werk als Morris und sparen auch nicht die Zeitgeschichte aus - vor allem mit Anspielungen auf den gerade erst überstandenen Wahlkampf in den USA wird nicht gegeizt.
So trägt der revolverschwingende Bösewicht den Namen Sam Palin und mit Perry Camby geistert eine nicht zu übersehende Karikatur von George W. Bush durch die Handlung: "Sein Vater ist mit Erdöl steinreich geworden. Der Camby-Clan hat seine Finger in schmutzigen Geschäften aller Art und genießt die Unterstützung zahlreicher Lobbys ", heißt es über ihn.
Kein Alkohol im Weißen Haus
Der Eintritt von Camby in den Wahlkampf bringt nun auch die Handlung in Gang. Ein zweiter republikanischer Kandidat, der historisch verbürgte Rutherford B. Hayes, will sein - im Gegensatz zu Camby - moralisch integeres Programm bekannt machen und bricht zur Wahlkampftour in den Wilden Westen auf. Da der Senat jedoch um die Sicherheit des Kandidaten besorgt ist, wird ihm Lucky Luke zur Seite gestellt. Beide haben sich nun allerlei Abenteuer, Anschläge und der Alkoholfeindschaft von Hayes' Frau "Lemonade Lucy" (auch das ist historisch verbürgt) zu erwehren.
Der Ausgang des Abenteuers, das stellenweise sehr an "Kalifornien oder Tod" (Band 39) erinnert, überrascht nicht, schließlich wurde Hayes 1876 zum 19. US-Präsidenten gewählt und hatte nichts besseres zu tun, als den Alkohol aus dem Weißen Haus zu verbannen. Seine Wahl war übrigens von allerlei Betrügereien in mehreren Bundesstaaten - darunter Florida - überschattet.
Liebgewonnene Figuren
Das alles bietet natürlich eine Steilvorlage für den Comic. Und die Anlehnung an Morris' Stil ist tatsächlich spürbar, auch wenn Achd und Gerra manchmal über das Ziel hinausschießen. So artet Morris' pointierter, subtiler Stil vor allem bei den Figurenzeichnungen teilweise ins Überspitzte, Klamaukige aus. Ansonsten begegnet der Leser aber auch hier den bekannten und liebgewonnenen Figuren, vom chinesischen Eisenbahn-Arbeiter bis zum geschäftstüchtigen Bestattungsunternehmer. Und selbst Avarell Dalton hat einen Mini-Auftritt.
Auch die Anspielungen sind vielfältig: vom Go-Go-Girl Britney Schpires, den unzähligen Künstlern in Memphis - Chris Toferson, die "Jackson Brothers", Elvis und Ragtime-Legende Scott Joplin - bis zu der Mauer von Bürgermeister Erich, die in der deutschen Siedlung Hermann von einem Kohl zum Einsturz gebracht wird. Die Bandbreite reicht dabei von feinen Anspielungen bis zum Kalauer. Auch wenn dabei nicht jeder Gag zündet und die Anspielungen den Leser manchmal fast erschlagen, ist der Band doch für einige Höhepunkte gut und vor allem jenen zu empfehlen, denen das letzte Wahlkampf-Getöse noch gut in Erinnerung ist (bzw. die mit Schrecken an die kommenden Urnengänge denken).
Auf einem guten Weg
Schaut man sich die vor kurzem in derselben Reihe erschienenen Frühwerke von Morris an, so fällt auch da auf, dass der Belgier einige Zeit brauchte, bevor er seinen unverwechselbaren Stil gefunden hatte und - den kongenialen Autor Ren Goscinny an seiner Seite - mit jedem Band einen kleinen Klassiker vorgelegte. Insofern sind Achd und Gerra auf einem guten Weg. Fest steht jedenfalls: Lucky Luke sitzt noch fest im Sattel.
"Lucky Luke", Band 84: "Der Mann aus Washington" von Achd und Laurent Gerra, Egmont Ehapa Verlag Berlin 2009, Hardcover 48 Seiten 10,- (D), ISBN 978-3-7704-3283-7. Im Zeitschriftenhandel auch als Softcover erhältlich: 46 Seiten 5,50 (D).
Quelle: ntv.de