Verlassen, abgetakelt und vergessen Mias Hirn in Scherben
27.03.2011, 10:50 UhrEine Ehepause braucht Boris, mit dem Mia 30 Jahre verheiratet ist. Die Banalität der Tatsache, dass sich Männer jeden Tag von ihren alternden Frauen befreien, lässt Mia schier verrückt werden. Zur Heilung verbringt sie einen "Sommer ohne Männer".
Nach 30 Jahren Ehe kann man schon mal das Verlangen nach einer Pause entwickeln. Boris' Pause ist seine Laborassistentin und hat eine deutlich üppigere Oberweite als seine Ehefrau Mia. Die hochsensible Dichterin dreht durch, nachdem Boris das Wort Pause ausgesprochen hat und findet sich in der Psychiatrie wieder.
Anderthalb Wochen verbringt sie dort, konsumiert größere Mengen Haldol und hat wirklich verrückte Gedanken. Doch der Sommer steht vor der Tür, und diesen "Sommer ohne Männer" verbringt Mia an ihrem Heimatort, wo ihre Mutter hochbetagt noch immer lebt. Um ihre Tage zu füllen, gibt Mia zudem einen Lyrikkurs für Jugendliche, zu dem sich nicht wirklich überraschend nur junge Mädchen anmelden.
Das pralle Frauenleben
So verbringt die Mittfünfzigerin Mia die Tage einerseits mit pubertierenden jungen Frauen und andererseits mit den hochbetagten Freundinnen ihrer Mutter. Die einen brechen auf ins Leben, die anderen nehmen Abschied von Möglichkeiten, den Freundinnen und schließlich vom Leben. Gesellschaft bekommt Mia zudem von einer Nachbarin mit zwei Kindern, deren Ehemann nur gelegentlich auftaucht. Manchmal schreibt Boris eine e-mail, außerdem erhält sie Textmitteilungen auf ihrem Handy von einem Unbekannten, aus denen sich ein Gespräch entwickelt.
Mia genießt ihre Tage ohne Boris zunehmend, sie taucht ein in die Welt ihrer Lyrik-Mädchen, die die gnadenlosen Spiele heranwachsender Mädchen spielen, bis eine von ihnen zusammenbricht. Sie hat Teil am Leben der Greisinnen, von denen eine in ihren Handarbeiten seit Jahren erotische Spielereien verbirgt und eine stirbt. Sie steht ihrer Nachbarin zur Seite, die mit den Kindern oft überfordert ist. Zwischendurch denkt sie über ihr Leben mit Boris nach und über Frauenleben überhaupt. Gelegentlich beruhigt Mia die gemeinsame Tochter, was die psychische Gesundheit ihrer Mutter angeht.
Verrücktes Leben
Wieder einmal behandelt Siri Hustvedt ihr Kernthema, das Ringen um die Bewahrung der eigenen Identität. Im Ton ironisch und gleichzeitig gnadenlos mit sich selbst lässt Hustvedt ihre Mia durch die Phasen weiblichen Lebens gehen, Jugend, Mutterschaft und Greisin. "In der Menopause, verlassen, abgetakelt und vergessen, wie ich war, blieb jetzt nichts mehr für mich übrig. Ich legte den Kopf auf den Schreibtisch, dachte verbittert, dass nicht einmal der mir gehörte, und fing an zu weinen." Doch der Sommer ohne Männer vergeht, Mia kommt in der Gesellschaft der anderen Frauen zur Ruhe und gesundet, um am Ende von Boris wieder heftig umworben zu werden. Ein wirkliches Lesevergnügen, gar nicht männderfeindlich und nicht nur für Frauen.
Quelle: ntv.de