Raschel, Grusel, Knister Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett
12.11.2009, 18:48 UhrEin grausamer Anblick: Blut, überall Blut. Im Düsseldorfer Schauspielhaus wird der Star des Ensembles ermordet aufgefunden. Einen Tatort wie diesen hat selbst der erfahrene Kriminalhauptkommissar noch nicht gesehen. Doch die Leiche weist keine Schnitt- oder Stichwunden auf ...
Mit seiner neuen, jungen, ehrgeizigen, sehr hanseatischen und äußerst gut aussehenden Kollegin beginnt er im Theatermilieu zu ermitteln. Schon bald schwant dem Duo: Das städtische Kulturleben ist nicht so harmonisch wie es scheint, hinter der Fassade von Provinz-Glamour und Kulturbeflissenheit verbergen sich Interessen, Intrigen und verzweifelte (Lebens-)Lügen.
Das ist der Stoff, aus dem Krimis sind. Zumindest die der "Mörderischen Schwester" Susanne Kliem, die gerade für ihre Kurzgeschichte "Sekt im Wasserglas" mit dem Krefelder Kurzkrimi-Preis ausgezeichnet wurde. Große Freude, große Überraschung und viel Bestätigung für die 43-Jährige, die noch gar nicht so lange am Schreibtisch sitzt, um zu schreiben und die auch immer mal wieder damit hadert: "Schreiben ist eine einsame Sache. Ich habe dabei Selbstzweifel und Tiefschläge, aber auch große Glücksgefühle erfahren. Ich musste ja zuerst mein Handwerkszeug lernen und habe den Romantext viele Male überarbeiten müssen, bis er reif für eine Veröffentlichung war."
Teil zwei ist in der Mache

Sie schreibt am liebsten vormittags, und dann am liebsten in der Staatsbibliothek am Potsdamer Platz in Berlin.
Das hat sich gelohnt, denn die Autorin von "Theaterblut" arbeitet bereits an der Fortsetzung des Romans. Während der erste Roman in der Kategorie "Bretter, die die Welt bedeuten" spielt, wird ihr zweiter Krimi sich in der Weihnachtsbaumbranche abspielen. Wie kommt sie denn auf diese Idee? "Die Ideen stammen aus eigenen Erfahrungen. In allen meinen Berufen, vor allem aber am Theater, bin ich auf Menschen getroffen, für die nicht der monatliche Gehaltszettel an erster Stelle steht, sondern die im Job tiefer gehende Bedürfnisse befriedigen wollen – Liebe, Anerkennung, die Zugehörigkeit zu einer "Familie" – und daran scheitern. Da die Künstler ihre Emotionen, persönlichen Verletzungen, Befindlichkeiten in die tägliche Probenarbeit einfließen lassen, gibt es kaum so etwas wie eine "sachliche Arbeitsatmosphäre" wie vielleicht in einem Büro.
Wieviel "Ich" steckt in einem Buch, auch wenn die Handlung komplett frei erfunden ist? Susanne Kliem gibt zu: "Das ist wie bei den Schauspielern: Man gewährt den Kollegen – und später den Zuschauern oder eben den Lesern – einen tiefen Einblick in die eigene Seele, man liefert sich aus. Aber auch bei der Zeitungslektüre kommen mir Ideen. In Berichten über reale Verbrechen scheinen menschliche Abgründe auf, und manchmal beginnt dann in mir eine Geschichte zu keimen ..."
Besser spät als nie
Kliem, die sich selbst als Spätzünderin bezeichnet und durch einen Coach, der sie eigentlich für sich als Ghostwriterin gewinnen wollte und dann aber auf die Idee brachte, selbst zu schreiben, recherchiert akribisch: "Da mich vorwiegend die Psyche der Figuren fesselt, lese ich viel in psychologischen Fachbüchern. Ich stehe in engem Kontakt mit Fachleuten. Für meinen ersten Roman musste ich zunächst Informationen sammeln, wie ein Kriminalkommissariat überhaupt arbeitet, von der Tatortarbeit über Vernehmungen, die Dokumentation in Berichten, Hierarchien, bis hin zu rechtsmedizinischen Fragen. Glücklicherweise habe ich im Polizeipräsidium Düsseldorf, im KK11, kompetente und geduldige Ansprechpartner gefunden."
Süßer die Glocken nie (mehr) klingen ...
Für den nächsten Roman also begibt sie sich auf nicht ganz so bekanntes Terrain, denn in der Weihnachtsbaumbranche war sie bis jetzt nicht tätig. Aber warum müssen es denn Krimis sein? Könnte die Mutter eines Grundschülers nicht auch einen witzigen Frauenroman schreiben? "Ich liebe es, Krimis zu lesen", erzählt die gebürtige Krefelderin, die nun mit ihrer Familie in Berlin lebt. "Mich faszinieren Charaktere, die aus ihrem normalen Leben heraus in Abgründe stürzen. Was läuft in ihrer Psyche ab, was geschieht in ihren Herzen? Ein Mord ist ein Ereignis, das sehr plausibel viele Handlungen nach sich zieht: Kommissare ermitteln, Täter vertuschen, Augenzeugen retten ihre Haut, und Hinterbliebene müssen sich vielleicht rächen ..."

(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Leider werden wir uns erst Weihnachten 2010 mitgruseln können, denn erst dann wird das Thema "Familiendramen und wie man ihnen (niemals) entkommen kann" im Buchhandel erhältlich sein.
"Niederrheinleichen", Krefelder Kurzkrimipreis – die besten Kriminalgeschichten, Hrsg. Ina Coelen und Jepe Wörz, Leporello Verlag, Krefeld 2009, ISBN 978-3-936783
"Theaterblut" - Tatort Düsseldorf, Susanne Kliem, Leporello Verlag, ISBN 978-3-936783-30-8
Quelle: ntv.de