Bücher

Deutscher Jude und jüdischer DeutscherSeligmann gefällt es in Deutschland

28.11.2010, 10:48 Uhr
imagevon Solveig Bach

Mit zehn Jahren kommt Rafael Seligmann nach Deutschland. 1957 ist die Bundesrepublik noch jung und voller Widersprüche. Seligmann wollte nie der Musterjude sein, doch je älter er wird, desto klarer wird ihm seine jüdische Zugehörigkeit. Deutsch ist seine Sprache, Deutschland ist sein Land, jüdisch ist sein Herz. Seligmann ist angekommen, nach einem turbulenten Leben.

Rafael Seligmann ist in diesem Jahr 63 Jahre alt. Da kann man schon ein gewisses Bedürfnis verspüren, zurückzuschauen. Und Seligmann hat einiges erlebt. 1947 wird er als Sohn emigrierter Juden in Tel Aviv geboren. Doch nach zehn Jahren im gelobten Land kann der Vater die Familie dort einfach nicht mehr ernähren. Es zieht ihn zurück nach Deutschland, dessen Kultur ihm fehlt, und er beruhigt den zehnjährigen Rafi: "Deutschland wird dir gefallen."

Zunächst allerdings lebt die Familie in beengten Verhältnissen, der Vater sucht Arbeit, Seligmann erlebt in der Schule, dass der Antisemitismus der Nazizeit längst nicht verschwunden ist - bei Lehrern nicht und auch nicht bei Mitschülern und deren Eltern. In der Schule hat Seligmann zudem das Problem, dass er in der vierten Klasse noch einmal Lesen und Schreiben lernen muss. Auch wenn er nie ein begnadeter Schüler wird, kämpft sich Seligmann durch die Schulzeit, immer in Händel mit seiner übermächtigen und überfürsorglichen Mutter verstrickt. Er lernt Fernsehtechniker, einen Beruf, den er nicht besonders schätzt und auch nie ausüben wird.

Schreiben als Passion

Denn irgendwann wird er sich doch noch seiner eigentlichen Bedürfnisse bewusst und widersetzt sich den Plänen der Mutter. Er holt das Abitur nach und studiert Politische Wissenschaften und Strategie, Neuere und Bayerische Geschichte. 1982 promoviert er schließlich über Israels Sicherheitspolitik. Er arbeitet als Journalist und als politischer Analyst, doch es zieht ihn zur Schriftstellerei. 1989 erscheint sein erster Roman "Rubinsteins Versteigerung", für den er nicht mehr und nicht weniger als die Wiederbelebung zeitgenössischer jüdischer Literatur in Deutschland in Anspruch nimmt.

Immer wieder wird Seligmann auf seine jüdische Herkunft gestoßen, manchmal im familiären Raum, beispielweise wenn sein Vater stirbt oder wenn er mit einer jüdischen Frau de facto "zwangsverheiratet" wird, obwohl er eigentlich eine andere nichtjüdische Frau liebt, aber keine Ordnung in sein emotionales Chaos bringen kann. Aber auch wenn er sich immer wieder freiwillig oder erzwungen mit dem Leben in Israel beschäftigt. Er verbringt ein Studienjahr dort, kann sich aber nicht zum Dienst in der israelischen Armee entschließen, die tatsächlich im Kriegseinsatz ist. Er setzt sich mit dem politischen Stil Israels auseinander, ist aber gleichzeitig befremdet, wenn er diesen in Deutschland rechtfertigen soll.

Analyse der eigenen Befindlichkeiten

Das alles beschreibt Seligmann mit viel Ironie und gelegentlich auch Sprachwitz, allerdings oft genug auch mit einer kräftigen Prise Selbstgefälligkeit. Einerseits redet er einer schonungslosen Ehrlichkeit das Wort, die er auch auf sich selbst und seine Familie anwendet, andererseits scheint er oft seltsam emotional unbeteiligt, etwa wenn es um seine zahlreichen amourösen Verwicklungen und das Scheitern von Beziehungen oder den Tod der Eltern geht.

Zwischendurch blitzt allerdings immer wieder der brillante Analyst politischer Zusammenhänge auf, zeigt sich Seligmann meinungsstark und auch unerschrocken, beispielweise wenn er einen Ausblick auf die Entwicklung des Nahostkonfliktes und möglich Lösungen wagt. Doch man erfährt auch viel von der Ambivalenz jüdischen Lebens in Deutschland, nicht umsonst hat Seligmann inzwischen eine Wohnung in Berlin und eine in Tel Aviv.

"Deutschland wird dir gefallen" im n-tv shop kaufen