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Per Gessle "Son of a Plumber"

Das muss man ihm lassen: Anders als für die meisten Zeitgenossen seiner Branche ist das Wort "Rock and Roll" für Per Gessle immer noch Ausgangs- und Bezugspunkt seiner Musik. Das war selbst während der kommerziell erfolgreichsten Phase des 1959 im schwedischen Halmstad Geborenen so, als er mit Marie Fredriksson an der Wende von 80er zu den 90er Jahren unter dem etwas schwülstigen Begriff "Powerpop" einen Hit nach dem anderen landete. Aber bei genauerem Hinsehen verbarg sich aber sogar hinter dem rokokohaften Formationsnamen "Roxette" ein klitzekleines Bisschen von dieser Urkraft der Populärmusik, der Gessle im Nebenjob huldigte, wann immer es ihm sein Hauptberuf erlaubte.

Dazu gehört zunächst das in deutschen Landen leider kaum beachtete Album "The Lonely Boys", das Gessle 1995 mit ein paar Kumpels aus seinen wilden Frühzeiten in der Band "Gyllene Tider" (Goldene Zeiten) zunächst als Bonus-CD zu dem Buch "De ensamma pojkarna" (Die einsamen Jungs) seines Landsmannes Mats Olsson einspielte und in Skandinavien ein Riesenerfolg wurde. Merseybeat vom Allerfeinsten, so perfekt produziert, dass die Beatles neidisch geworden wären. Und wohl auch die Rolling Stones. Denn auf "The Lonely Boys" ist eine Version der Jagger/Richards-Komposition "So Much In Love" zu hören, die, wenngleich nie von den Steinen aufgenommen, bis dato nur in einer nicht so überzeugenden Aufnahme der erfolglosen britischen Band The Mighty Avengers existiert hatte.

Zwei Jahre später folgte dann eine LP mit dem etwas anmaßenden Titel "The World According To Per Gessle", in der Gessle versuchte, so etwas wie den Sprung der Beatles von "Love Me Do" zu "Sergeant Pepper's Lonely Hearts Club Band" nachzuvollziehen. Was nicht ganz gelang, denn manches auf der Scheibe blieb stellenweise doch recht powerpoppig.

Nun also "Son Of A Plumber", was zunächst ein sehr liebenswertes Bekenntnis zu seinem Vater ist, der Klempner war. Zugegeben: Man muss die CDs zweimal hören, dann legt man sie weg oder dudelt sie von morgens bis abends. Der Rezensent hat sich für letzteres entschieden, was Nachbarn schon auf die Idee brachte, dem armen Mann doch ein paar CDs zu kaufen, auf dass er von diesem Gessle lasse. Auf dem Doppelalbum des Klempnersohns is' nix mehr mit Powerpop und so. Der Sprung zu dem Epoche machenden Werk der Beatles ist gelungen.

Da gibt es Gitarrenriffs, denen die Verwandtschaft zu "Fixing A Hole" aufs Griffbrett geschrieben steht. Anklänge an George Harrisons Indienausflüge sind ebenso dabei wie ein Synthesizer, der an Emerson, Lake and Palmers "Lucky Man" erinnert. Dann wieder eine Hommage an Chris Montez' "The More I See You" oder eine Verbeugung vor der Instrumentalversion von "This Boy" aus dem Film "A Hard Day’s Night". An anderer Stelle sind Andenflöten zu hören. In "A Substitute For The Real Deal" gibt es Streicher und ein wohl temperiertes Spinett.

Apropos: Ein Ersatz für wahre Beatmusik ist "Son Of A Plumber" beileibe nicht. Es ist vielleicht die Beatmusik, die es gäbe, wenn die Liverpooler Band noch wäre. Und insofern ist die Musik des Handwerkersprösslings dann doch ein Beatlessubstitut.

Per Gessle: Son Of A Plumber, 2CD, EMI Capitol

Quelle: ntv.de

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