Solide, aber kaum begeisternd Van Morrison in Neuhardenberg
09.08.2005, 15:48 Uhrvon Axel F. Busse
"Where the hell ist Neuhardenberg?", wo zum Teufel liegt Neuhardenberg, mag sich Meister Morrison gefragt haben, als ihm das Management den Termin im Schlosspark mitteilte. Carnegie Hall, ja, Finsbury Park, gern, auch ICC, natürlich – jetzt ist bewiesen, dass auch das stilvolle Schinkel-Ensemble im Märkischen östlich von Berlin die geeignete Kulisse für einen Weltstar abgeben kann.
Seit vor 40 Jahren mit "Baby please don’t go" die erste Single unter seinem Namen veröffentlicht wurde, elektrisiert "Van the Man" eine überschaubare, aber treu ergebene Fangemeinde. Niemand sonst schreibt und singt so eindringlich über Sehnsucht, Liebe, Schmerz, Trauer oder Verlangen. Manchmal auch über Freude am Leben. Und niemand sonst verbirgt auf der Bühne so konsequent die Tiefe der Gefühle, um die es in seinen Songs geht. Fast bewegungslos, in gerade Haltung und meist mit geschlossenen Augen lässt der kleine, untersetzte Mann im chronisch zu knappen Jackett seine Textzeilen heraus.
Songmaschine läuft an
Er scheint nicht in allerbester körperlicher Verfassung, als er die Parkbühne betritt. Beim Opener "Did ye get healed" kommen die Einsätze nicht so punktgenau wie gewünscht, kleinere technische Probleme irritieren. Wer den zu Übellaunigkeit und Griesgram neigenden Mann aus Belfast kennt, ahnt, dass der Auftritt kippen kann. Aber mit jedem Stück läuft die Songmaschine runder, das Publikum quittiert mit dankbarem Applaus. Es weiß zu schätzen, dass Morrison, statt aus Promotion-Gründen vor allem Titel des aktuellen, seines 35. Solo-Albums "Magic Time" zu spielen, zu allererst auf die bekannten Stücke der frühen Jahre setzt.
Die meisten im Publikum können dazu die Lippen bewegen, denn natürlich kennen und lieben sie Songs wie "Days like this" (diesmal als Reggae intoniert) oder "The Bright Side of the Road" (das schon vor 20 Jahren einer seiner Klassiker war). Dies swingende Stück vertonter Lebensfreude gibt den Einstand für den Special Guest des Abends: Candy Dulfer. An der blonden Saxophonistin hat Van Morrison schon vor etlichen Jahren Gefallen gefunden und tourt mit schöner Regelmäßigkeit mit ihr durch Europa.
Frohmatur und Griesgram
Ihr Auftritt vermittelt unversehens ein grelles Kontrastprogramm: Hier der stoisch-steife Star des Abends, der scheinbar von Band und Bühne entrückt und ohne ein einziges direktes Wort an die Zuhörer sein Programm abspult, dort die holländische Frohnatur am Saxophon, die zum Mitklatschen auffordert, lacht und die Beine zu zaghaften Tanzschritten schwingt. Die blutarme Gestik Morrisons ist keine Altersfrage, auch wenn Ende dieses Monats 60 wird. Schon immer ist allenfalls sein Gesicht Spiegel einer gewissen Beteiligung an dem, was vor sich geht.
Viel Rhythm & Blues, je eine Prise Jazz und Swing, nach dieser Rezeptur köchelt das Song-Menü vor sich hin. "Real real gone" (vom 1990er Album "Enlightement") lässt so etwas wie Stimmung aufblitzen, beim Titelstück der aktuellen CD "Magic Time" schimmert ein einsames Feuerzeug über den Köpfen der Zuhörer. Es ist, als wirke die von der irischen Diva auf der Bühne zur Schau gestellte Teilnahmslosigkeit lähmend auf die unten Stehenden.
Dennoch ist viel Beifall und kaum ein Pfiff zu hören. Morrison-Fans sind leidensfähig und schon zufrieden, wenn sie nicht so ein lustlos herunter geleiertes Konzert wie 2002 im Berliner Tempodrom mit anhören müssen. Sie sind dankbar für jede live gespielte Note, denn niemand kann so authentisch in Blues und Soul brillieren, so facettereich Jazz und Folk variieren. Dass es keine echten Zugaben gibt und der Titel "Gloria" unwiderruflich das Zeichen zum Aufbruch ist, daran haben sie sich gewöhnt – so wie der englische Geschäftsmann, der in Polen arbeitet und nach Neuhardenberg gekommen ist, um "Van the Man" zum 14. Mal seine Aufwartung zu machen.
Noch zweimal ist diesen Sommer in Deutschland die eigentümliche Magie dieses Ausnahmemusikers zu erleben: Am 19. August in der Gilde Parkbühne Hannover und tags darauf in der Stuttgarter Killesbergbühne.
Quelle: ntv.de