Neue "Tatort"-Ermittlerin Die Gesichter der Alina Levshin
09.10.2012, 15:49 Uhr
Paraderolle als "Skingirl" Marisa in David Wnendts Film "Kriegerin": Alina Levshin.
(Foto: Alexander Janetzko / Ascot Elite)
Für ihre Rolle als Skinhead-Mädchen in David Wnendts Drama "Kriegerin" wurde sie von der Kritik frenetisch gefeiert. Doch nicht nur das: Künftig wird Alina Levshin auch im neuen "Tatort" aus Erfurt ermitteln. Im n-tv.de Interview spricht die Schauspielerin über extreme Rollen, fliegende Fäuste, merkwürdige Freundschaftsanfragen und das Schöne am Hässlichen.
n-tv.de: Sie haben mit Ihren 28 Jahren schon reichlich Lob für Ihre Darstellungen erhalten - vom Deutschen Fernsehpreis bis hin zum Deutschen Filmpreis für Ihre Rolle in "Kriegerin". Wie fühlt sich das an?
Alina Levshin: Es ist natürlich ein schönes Gefühl, für eine Arbeit gelobt zu werden. Ich habe diese Rollen gerne gespielt und versucht, so viel Energie wie möglich reinzustecken, allein schon, weil ich etwas ganz oder gar nicht mache. Wenn die Rechnung aufgeht und das Publikum etwas mit der Geschichte und der Figur anfangen kann und sie sogar gut findet, ist das ein sehr schönes Gefühl. Es ist nur so unglaublich, dass sich das Lob in letzter Zeit so gehäuft hat. Irgendwann denkt man: gut, ich habe das sehr genossen, aber jetzt möchte ich auch weitermachen, andere spannende Rollen spielen. Es ist schon eine Ehre, wenn ein Schauspieler aufgrund einer Arbeit so viel Aufmerksamkeit bekommt, aber er muss sich dennoch immer wieder aufs Neue beweisen. Im Theater ist es am deutlichsten. Dort wird jeden Abend etwas Neues auf der Bühne geschaffen, das Stück bleibt zwar gleich, das Spiel variiert dennoch. Und das finde ich wichtig im Beruf.
Levshin spielt die junge Rechtsradikale authentisch und überzeugend.
(Foto: Alexander Janetzko / Ascot Elite)
Sie spielen das Skinhead-Mädchen Marisa in "Kriegerin" sehr authentisch. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Meine Recherchearbeit umfasste das Schauen verschiedener fiktionaler wie auch dokumentarischer Filme zum Thema. Ich habe mir Musik aus der Szene angehört, mir den Kleidungsstil auf Fotos angeschaut. Am meisten haben mir die Interview-Mitschnitte von meinem Regisseur David Wnendt geholfen. So konnte ich unterschiedliche Frauentypen studieren. Es waren Frauen mit unterschiedlicher Lebensgeschichte. Eine Frau haben wir zusammen mit David besucht. Schließlich hatten wir Proben an den Drehorten vorab und waren an originalen Schauplätzen, wie zum Beispiel dem Asylbewerberheim. Das Kennenlernen anderer Figuren und die äußere Veränderung, das heißt Kostüm und Maske, haben ihr Übriges getan.
Sie haben erklärt, besonders habe Sie an der Rolle in "Kriegerin" das "Hässliche" gereizt. Klingt für jemanden, der für den "New Faces Award" nominiert war und gerade vom Boulevard als neue "sexy" Tatort-Ermittlerin gepriesen wird, beinahe etwas skurril …
Ach, tatsächlich? Sexy, das finde ich aber sehr charmant. Es ist doch so, dass der Schauspieler wahrscheinlich eher das interessant findet, womit er sich selbst vielleicht auf den ersten Blick nicht identifizieren würde oder andere ihn identifizieren würden. Das ist häufig das Reizvolle an einer Rolle.
Neben dem Skinhead-Mädchen haben sie auch schon eine Zwangsprostituierte in der Serie "Im Angesicht des Verbrechens" oder aber eine Parawissenschaftlerin im Fernsehfilm "Schreie der Vergessenen" gespielt. Zufall? Oder haben Sie einen Hang zu extremen Rollen?
Dem Zufall kann man es wahrscheinlich nicht zuschreiben, da ich bei der Wahl der Rollenangebote ja auch ein Mitspracherecht habe. Das sage ich natürlich mit einem Augenzwinkern und gleichzeitig bin ich sehr froh, dass das tatsächlich so ist. Ich bin glücklich, dass mir solche Angebote überhaupt gemacht werden. Denn darauf ist man ja angewiesen. Ich habe mir das vorher nicht ausmalen können, dass das so kommt. Für diese Chancen ist man als Schauspieler sehr dankbar. Ich interessiere mich im Moment eher für Figuren, die ich so auf Anhieb nicht meinem Wesen zuschreiben würde. Vielleicht bleibt das nicht immer so.
Sie sind in der Ukraine geboren und als Sechsjährige nach Deutschland gekommen. Haben Sie je selbst Erfahrungen mit Rechtsradikalen gemacht?
Nein, nicht wirklich. Ich war als Kind selber unvoreingenommen und habe so etwas auch nicht bewusst zu spüren bekommen.
In Deutschland hat das Thema Rechtsradikalismus aufgrund der Historie einen besonderen Stellenwert. Es heißt, Sie würden noch engen Kontakt zu Freunden und Verwandten in der Ukraine halten. Welche Rolle spielt dort das Thema?
Das ist bestimmt ein Thema, das einer kurzen Antwort nicht gerecht wird. Aber ich glaube, jeder hat individuell eigene Erfahrungen gemacht. Es ist leider so, dass jedes Land eine rechtsradikale Szene hat und dass man mehr oder weniger versucht, diese Tatsache zu ignorieren. In Deutschland stellt man sich dem Problem und das kann ein gutes Beispiel für andere Länder sein.
Im wahren Leben sieht die 28-Jährige natürlich etwas anders aus als in dem Neonazi-Drama.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Kriegerin" wurde vor dem Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle gedreht. Was haben Sie gedacht, als Sie von deren Existenz und Taten erfahren haben?
Es ist wirklich unglaublich. Beides - dass so etwas tatsächlich passiert ist und dass es so lange gedauert hat, bis es an die Öffentlichkeit gelangt ist. Dass dies noch vor unserem Kinostart passiert ist, ist sicher ein Zufall. Mit dem Thema hat sich der Regisseur aber schon vor einer Weile auseinandergesetzt, er hatte offenbar ein Gespür dafür. Das hat dem Film noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Sie haben vorgeschlagen, im Kampf gegen Rechtsextremismus zum Beispiel "Kriegerin" zur Aufklärung in Schulen vorzuführen. Das allein reicht jedoch natürlich nicht aus. Wie sollte dem Problem Ihrer Ansicht nach begegnet werden?
Ich könnte mich natürlich auf einer rechtsradikalen Demo in die Menge stürzen und mit Fäusten mein Statement abgeben. Aber dafür bin ich einfach nicht der Typ, und sinnvoll finde ich das auch nicht. Auch kann ich in der Politik noch nicht so viel Einfluss üben. Mir bleibt da tatsächlich die Aufklärungsarbeit mit Jugendlichen, welche ich persönlich für extrem sinnvoll halte. Ansonsten gibt es sicherlich viele andere Möglichkeiten, wobei ich, wie gesagt, kein Spezialist bin und noch in keinem Gremium mit einer Entscheidungskraft sitze.
Einerseits haben Sie für Ihre Darstellung der Marisa viel Lob bekommen. Andererseits setzt man sich damit natürlich auch der Gefahr aus, selbst Ziel von rechten Anfeindungen zu werden. Haben Sie das erlebt?
Nicht, dass es mir aufgefallen wäre. Ich habe absurderweise sogar Freundschaftsanfragen von, wie ich das einschätze, national gesinnten Jugendlichen bekommen. Das fand ich schon merkwürdig.
Ab 2013 ermitteln sie in Erfurt: Benjamin Kramme (l.), Friedrich Mücke und Alina Levshin.
(Foto: dapd)
Weniger problembeladen als in "Kriegerin" geht es sicher in Matthias Schweighöfers Film "Der Schlussmacher" zu, in dem Sie ebenfalls zu sehen sein werden. Was können Sie uns darüber erzählen?
Dieser Film hat zwar auch ernste Themen zu verhandeln, ist aber dennoch durch und durch eine Komödie. Ich hatte schon sehr viel Spaß beim Lesen und habe deshalb große Lust auf diesen Gastauftritt gehabt. Es ist auch ein bisschen extrem, aber natürlich ganz anders als meine anderen Rollen. Ich habe gemerkt, dass komödiantisch zu spielen gar nicht so einfach ist. Es hat mir große Freude bereitet, mit Matthias zu spielen, und ich freue mich schon sehr auf das Ergebnis.
Vor allem hat jedoch iIr Engagement als neues Mitglied des künftigen MDR-"Tatorts" aus Erfurt Schlagzeilen gemacht. Wie ist es dazu gekommen?
Ich wurde für ein neues "Tatort"-Konzept vorgeschlagen, welches ich sehr interessant fand, auch wenn ich daran gezweifelt habe, dass es überhaupt im Sender auf Zustimmung trifft. Der MDR hat sich dann schließlich für uns als neues "Tatort"-Team entschieden, und darüber sind wir drei natürlich überglücklich.
Es gibt Menschen, denen ist der "Tatort" am Sonntagabend heilig. Wie ist das bei Ihnen? Sind Sie eine "Tatort"-Guckerin?
Ja, ich finde dieses Format sehr gelungen und wichtig in der Fernsehlandschaft. Allerdings kann ich es nicht immer einrichten, den "Tatort" zu sehen. Aber glücklicherweise gibt es ja die Mediathek.
Mit teilweise mehr als zehn Millionen Zuschauern und einer über 40-jährigen Geschichte ist die Serie in jedem Fall eine Institution im deutschen Fernsehen. Wie groß ist der Respekt davor, darin eine Rolle zu übernehmen?
Ich habe in der Tat großen Respekt davor und sehr große Lust da einzusteigen. Es ist eine große Chance und ich werde hundert Prozent meiner Energie geben, um den Zuschauern ein großes Krimi-Vergnügen zu bereiten. Ich hoffe, wir werden sie nicht enttäuschen.
Neben Ihnen werden Friedrich Mücke und Benjamin Kramme ermitteln. Was sagen Sie zu den männlichen Kollegen?
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Mit Friedrich hatte ich noch nicht das Vergnügen, zu drehen, Benjamin kenne ich schon aus der Hochschulzeit, er war auf der "Konrad Wolf" (Hochschule für Funk und Fernsehen in Potsdam, Anm. d. Red.) zwei Klassen über mir. Ich bin selber sehr gespannt auf diese Kombination.
Sie werden als Polizei-Praktikantin in die Serie eingeführt. Hätten Sie sich im echten Leben so ein Praktikum je vorstellen können?
Ach, warum nicht. Ich bin ja von Natur aus sehr neugierig. Ich glaube, ich hätte nichts dagegen, Polizei-Luft zu schnuppern. Vor dem Drehstart gibt es auch eine Einführung in die Polizeiarbeit, Schießtraining und Ähnliches, auf diese Schulungen freue ich mich schon sehr. Das Tolle an der Schauspielerei ist ja, dass man so viel ausprobieren darf.
Sie werden das jüngste Ermittler-Team der gesamten "Tatort"-Reihe sein. Der MDR hat schon einmal neue und moderne Akzente versprochen. Wie sollten die Ihrer Ansicht nach aussehen?
Es wird ganz bestimmt ein klassischer "Tatort" bleiben, aber da wir ja nun tatsächlich etwas jünger sind als viele unserer Kommissar-Kollegen, wird sich das sicherlich bemerkbar machen. Ich hoffe, der Zuschauer wird offen und interessiert sein. Wie es genau aussehen wird, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Vieles ist noch in Entwicklung, soviel ich weiß.
Bis zur Ausstrahlung des ersten "Tatorts" mit Ihnen wird noch einige Zeit vergehen - Ende 2013 wird es soweit sein. Werden Sie vor dem Fernseher sitzen, wenn Ihr erster Fall über den Bildschirm flimmert? Und wenn ja, wo und mit wem - alleine, mit Ihrer Familie oder gar auf einer "Tatort"-Party?
Ich glaube, dass ich bestimmt im Kvartira Nr. 62, der Bar meines Mannes, die Folge mit Freunden und allen, die sonst noch Lust haben, genießen werde. "Tatort" wird dort jeden Sonntag gezeigt - warum nicht auch der Thüringer "Tatort". Zusammen schauen ist immer noch am schönsten!
Mit Alina Levshin sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de