Kino

"Ondine - Das Mädchen aus dem Meer" Hübsch, mystisch, belanglos

Gingen sich (nicht nur) im Film ins Netz: "Ondine" und "Syracuse".

Gingen sich (nicht nur) im Film ins Netz: "Ondine" und "Syracuse".

(Foto: Concorde Film)

"Ondine - Das Mädchen aus dem Meer" heißt der neue Film von Neil Jordan, der ab sofort in den deutschen Kinos läuft. Der irische Regisseur hat wirklich schon tolle Filme gemacht, doch leider kann sein modernes Meerjungfrauen-Märchen da nicht mithalten.

Es gibt Besprechungen, die möchte man am liebsten gar nicht schreiben. Dann nämlich, wenn ein Sänger, ein Autor oder ein Regisseur, den man eigentlich sehr mag und schätzt, ein schlechtes Album, ein schlechtes Buch oder einen schlechten Film gemacht hat. Während einem an anderer Stelle gerne und leicht mal ein Verriss in die Tastatur fließt, sträubt man sich in diesen Fällen mit Händen und Füßen dagegen. Doch während einem das Engelchen auf der einen Schulter einflüstert, doch einfach mal ausnahmsweise die rosa-rote Brille aufzusetzen, hämmert einem das Teufelchen auf der anderen Seite ein, dass man sich selbst und den Lesern gegenüber ehrlich bleiben muss. Oder war das mit Engelchen und Teufelchen andersherum?

Der Film "Ondine - Das Mädchen aus dem Meer", der ab sofort in den deutschen Kinos läuft, ist genau so ein Fall. Leider. Der Streifen ist das neueste Werk des irischen Regisseurs Neil Jordan. Von seinen vorherigen Filmen ist der breiten Öffentlichkeit vor allem "Interview mit einem Vampir" bekannt, in dem sich Brad Pitt und Tom Cruise Seite an Seite durch die Gegend saugten. Das war 1994. Die Sporen, ein derart bildgewaltiges Epos mit der Crème de la Crème Hollywoods und Produktionskosten von rund 50 Millionen Dollar drehen zu können, hatte sich Jordan jedoch zuvor verdient.

In die Knie!

Mit "Zeit der Wölfe" (The Company of Wolves) schuf der Regisseur schon 1984 eine in jeder Hinsicht fantastische und geradezu tiefenpsychologische Interpretation von Rotkäppchen. Verzeiht man dem Film seine auf die damaligen technischen Möglichkeiten beschränkten Trickeffekte, wird man nicht nur von seiner zauberhaften Stimmung gefangen genommen werden, sondern am Ende auch das scheinbar harmlose Kindermärchen mit anderen Augen sehen.

Hat einen Hang zu Märchen: Neil Jordan.

Hat einen Hang zu Märchen: Neil Jordan.

(Foto: REUTERS)

Nicht minder grandios, um noch ein zweites Beispiel zu nennen, ist "The Crying Game", den Jordan 1992 inszenierte. Der Film ist so ziemlich alles in einem: Politdrama, Thriller und Liebesgeschichte. Und er ist geeignet, das Selbstbild so manches gestandenen Mannes gehörig ins Wanken zu bringen. Für das von ihm selbst verfasste Drehbuch zu dem Streifen erhielt Jordan 1993 den Oscar. Völlig zurecht, hören wir uns rufen - und gehen vor diesem teuflischen Engel auf unserer Schulter ein Stück weit in die Knie: Nein, "Ondine - Das Mädchen aus dem Meer" ist keinesfalls schlecht, sondern, sagen wir mal, durchwachsen.

Ein Märchen - natürlich

Auf den ersten Blick erzählt Neil Jordan wieder einmal ein Märchen. Im Gegensatz zu Rotkäppchen spielt dieses jedoch nicht in grauer Vorzeit, sondern im Hier und Jetzt. Dem irischen Fischer Syracuse (Colin Farrell) gelingt eines Tages ein außergewöhnlicher Fang: In seinem Netz verfängt sich eine bildschöne junge Frau (Alicja Bachleda-Curus). Sie ist halb ertrunken und verstört, scheint keine Vergangenheit zu haben und nicht von dieser Welt zu sein. Ihr Name sei, so sagt sie, Ondine.

Da Ondine außer ihm keine Menschen sehen will, versteckt Syracuse sie zunächst im Haus seiner verstorbenen Mutter. Zugleich jedoch macht er seine kleine, an den Rollstuhl gefesselte Tochter Annie (Alison Barry) neugierig, als er sie während eines Arztbesuchs mit der als Märchen verpackten Geschichte von Ondine zu trösten versucht. Das Mädchen macht die junge Frau alsbald ausfindig. Nicht nur für Annie ist klar, dass es sich bei Ondine um eine Mensch gewordene Meerjungfrau handelt. Auch Syracuse erliegt diesem Glauben mehr und mehr, scheint Ondine doch übersinnliche Fähigkeiten zu haben.

Es hat gefunkt, funkt aber nicht

Soweit, so romantisch und poetisch. Zu den Stärken des Films zählen zweifelsohne seine eindringlichen Bilder. Kein Zufall, denn für sie zeichnet kein Geringerer als Christopher Doyle verantwortlich, normalerweise Haus- und Hof-Kameramann des insbesondere für seine Filmästhetik geschätzten Regisseurs Wong Kar-Wai. Doch trotz dieses Trumpfs schafft es der Streifen nicht, den Zuschauer richtig in den Bann zu ziehen.

Gibt den Fischer mit Hafenarbeiter-Irisch: Colin Farrell.

Gibt den Fischer mit Hafenarbeiter-Irisch: Colin Farrell.

(Foto: REUTERS)

Während es zwischen Colin Farrell und Alicja Bachleda-Curus am Set auch in der Realität funkte - beide wurden ein Paar, bekamen ein Kind miteinander und trennten sich vor kurzem wieder voneinander -, springt dieser Funke leider im Film nicht über. Zwar gibt der auch tatsächlich aus Irland stammende Farrell einen ganz passablen irischen Fischer ab, doch Bachleda-Curus bleibt in ihrer Rolle als verführerisches Fabelwesen seltsam blass. Trotz der eigentlich mystischen Geschichte mag so recht keine träumerische Stimmung aufkommen. Statt nachdenklich zu stimmen, wirken viele der verworrenen Dialoge langatmig und gestelzt. Da man in der Geschichte nie ganz versinkt, können auch ihre Wendung und Auflösung am Ende den Betrachter nicht vom Hocker reißen.

Doch lieber synchronisiert?

Zu Gunsten Jordans und zu Ungunsten des Kritikers muss gesagt werden, dass Farrell seine Rolle im schönsten Hafenarbeiter-Irisch bestreitet. Das entspricht natürlich dem Milieu des von ihm dargestellten Fischers Syracuse. Wer kein Muttersprachler ist, braucht jedoch auch bei guten Englischkenntnissen starke Konzentration, um dem Gesagten stets folgen zu können. Möglicherweise machte es dies noch schwerer, sich mit dem Film treiben zu lassen. Freunde von Originalfassungen seien jedenfalls vorgewarnt.

Das hast Du gut gemacht, höre ich eine Stimme in mein eines Ohr flüstern. Nein, ruft mir zugleich jenes engelsgleiche Teufelchen auf der anderen Seite entgegen - und diesmal gehe ich ein Stück weit vor ihm in die Knie: Bevor Sie sich "Ondine - Das Mädchen aus dem Meer" jetzt im Kino ansehen, werte Leser, besorgen Sie sich lieber "The Crying Game" aus dem Netz oder Ihrer Videothek. Da haben Sie wirklich mehr davon.

Quelle: ntv.de

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