"More than honey"Killerbienen werden überleben

Bienen sterben massenweise - überall auf der Welt. Das lässt Imker und Insektenforscher ratlos zurück. Obwohl die Biene das Sexleben der Natur und damit die Nahrungsmittelindustrie wie kein anderes Insekt am Laufen hält, scheint der miserable Zustand der Bienenvölker kaum jemanden zu interessieren. Eine beeindruckende Dokumentation mit einmaligen Bildern klärt auf.
Honig ist der goldene Saft, der Wunder schafft. Aus diesem Grund wollen viele Menschen auf die gesunde Köstlichkeit aus der Natur nicht verzichten. Doch kaum einer macht sich Gedanken darum, wie Honig entsteht und welchen Preis die Bienen dafür zahlen müssen. Der Regisseur Markus Imhoof ist den Bienen mit seiner Dokumentation ganz nah gekommen und zeigt, welche Krankheiten, Umwelteinflüsse und Machenschaften des Menschen den Tieren immer mehr zu Leibe rücken.
In der mehrfach ausgezeichneten Tierdokumentation "More than honey" spielen Bienen die Hauptrolle. Imhoof filmt, wie Menschen und Bienen gemeinsam agieren, wie die Insekten als Bestäubungs- und Honigmaschinen gehalten werden und welche Folgen das für die Tiere hat. Der Regisseur zeigt ihre Lebensweise, die Züchtung der Tiere, die systematische Ausbeutung der Bienen durch den Menschen und schließlich ihren massenhaften Tod.
"Wir sind schließlich Kapitalisten"
Doch dieses Sterben, das bei Haustieren wie Rindern oder Schweinen im gleichen Ausmaß in jedem betroffenen Land eine nationale Katastrophe darstellen würde, lässt die meisten Menschen kalt, viele wissen noch nicht einmal davon. Auch John Miller, ein US amerikanischer Groß-Imker und Chef der "Miller Honey Farms", kann nicht mehr um jedes sterbende Volk trauern. Er nimmt das Sterben seiner Tiere heute eher hin und sagt: "It’s my nature – ich sehe die Probleme, aber es geht nicht anders, wir sind schließlich Kapitalisten". Miller scheint ein sympathischer Typ zu sein, der im Grunde weder Tierquäler noch Bienenhasser ist. Er macht eben seinen Job.
Auch die beiden Österreicherinnen, die Bienenköniginnen züchten, die arbeitsame und gutmütige Bienenvölker hervorbringen, kommen nicht als Feinde der Tiere daher. Genauso wenig wie der urige alte Schweizer, der seine Völker mit Leiter und Kiste bepackt noch immer selbst aus der Natur holt. Er schwört auf die ursprünglichen Bienen, die bereits sein Vater besaß und verliert sie durch Inzucht schließlich alle.
Aufwendig und gekonnt gemacht
Fünf Jahre lang ist der Regisseur für seinen Film den Bienen auf der Spur. Das hat ihn neben den USA auch in bienenlose Regionen Chinas und sogar bis nach Australien geführt. Dort nämlich setzen Wissenschaftler Bienen als Forschungsobjekte auf unbewohnten Inseln aus. Sie wollen untersuchen, ob neue Züchtungen resistenter und widerstandsfähiger sein können.
Mit modernster Kameratechnik und immensem Aufwand kann der Zuschauer den Hochzeitsflug einer Biene in der Luft miterleben, kann das Leben in Bienenstöcken beobachten und sogar die direkten Auswirkungen eines Milbenbefalls mit ansehen. Imhoof hat es durch diese Einblicke und die einmaligen Tierbilder geschafft, dass der Zuschauer einen tiefen emotionalen Bezug zu den Tieren bekommt. Jede Biene, der man beim Sterben zusehen muss, löst ein beklemmendes Gefühl aus.
Killerbienen sind robuster
Dennoch verurteilt der Regisseur in seinem Film nicht, sondern stellt dar, wie schlecht es den Bienen weltweit in Wirklichkeit geht. Er sucht nach Gründen dafür und bekommt gleich mehrere Antworten. Es geht ihm nicht um Ratschläge oder Aufrufe. Imhoof will das Bewusstsein für die Tiere wecken und damit ein Bewusstsein für die komplexen Abläufe in der Natur schaffen. Er will aufklären, welche Auswirkungen die Einmischungen durch den Menschen haben und wie weit wir von einem friedlichen Miteinander entfernt sind.
Es verwundert deshalb gar nicht, dass sich einige robuste Bienenvölker aus Labors in Brasilien befreit haben und sich hervorragend, allen Umwelteinflüssen zum Trotz, ausbreiten. Wegen ihrer Aggressivität werden diese Bienen auch als Killerbienen gefürchtet und bekämpft. "Die Killerbiene, sagt ein amerikanischer Bienenflüsterer in "More than Honey", "wird es noch geben, wenn der Mensch von der Erde verschwunden sein wird".
Imhoof, der selbst Sohn eines Imker ist, hat mit seiner Tierdokumentation "More than honey" einen sehr persönlichen Film gemacht. Es ist ihm gelungen, ohne Pathos, ohne Verurteilungen und ohne Lösungsvorschläge ein Thema im Film umzusetzen, das provoziert und nachdenklich macht und zwar so eindringlich, dass der nächste Löffel Honig im Hals stecken bleibt.