Kino

Diven aus der zweiten Reihe Oscar-gekrönte Doku feiert Backgroundsängerinnen

Regisseur und Produzent Morgan Neville, die Sängerinnen Darlene Love und  Judith Hill (2.u.4.v.l.) sowie Produzentin Caitrin Rogers (r) freuen sich über den Erfolg des Films - hier bekamen sie den Preis für "Best Documentary" bei den Independent Spirit Awards in Santa Monica am 1. März 2014.

Regisseur und Produzent Morgan Neville, die Sängerinnen Darlene Love und Judith Hill (2.u.4.v.l.) sowie Produzentin Caitrin Rogers (r) freuen sich über den Erfolg des Films - hier bekamen sie den Preis für "Best Documentary" bei den Independent Spirit Awards in Santa Monica am 1. März 2014.

(Foto: REUTERS)

Sie führen ein Schattendasein, haben aber vielen Hits den letzten Schliff verpasst. "20 Feet from Stardom" holt Backgroundsängerinnen endlich ins Rampenlicht. Zu Wort kommen Mick Jagger, Bruce Springsteen und Stevie Wonder.

Endlich so richtig anerkannt: Darlene Love mit ihrem Oscar 2014.

Endlich so richtig anerkannt: Darlene Love mit ihrem Oscar 2014.

(Foto: imago/Future Image)

Bei dieser Stimmgewalt hielt es Bill Murray nicht mehr auf dem Sitz. Mit seinen spontanen Standing Ovations für Sängerin Darlene Love war der Schauspieler bei der diesjährigen Oscar-Verleihung in guter Gesellschaft. Auch Stars wie Brad Pitt, Angelina Jolie und John Travolta zollten der 72-Jährigen stehend Respekt, als sie auf der Bühne eine Gospelhymne schmetterte. Love feierte den Oscar-Gewinn des Dokumentarfilms "20 Feet from Stardom" und stellte auch gleich eindrucksvoll dessen Hauptthese unter Beweis: dass nämlich hinter Musikgrößen wie David Bowie oder Mick Jagger nicht selten Backgroundsängerinnen stehen, die selbst das Zeug zum Superstar hätten.

Zu verdanken ist der Film dem Drogenkonsum des Produzenten Gil Friesen. Der ehemalige Chef der Plattenfirma A&M Records hatte sich während eines Konzerts von Leonard Cohen einen Joint genehmigt und konnte sich im bekifften Zustand plötzlich nicht mehr von dessen Backgroundsängerinnen losreißen. Wer waren bloß diese Frauen im Hintergrund? Regisseur Morgan Neville gibt auf diese Frage eine faszinierende Antwort, die Jahrzehnte Musikgeschichte widerspiegelt, von unglaublichen Talenten und Triumphen, aber auch von bitteren Enttäuschungen erzählt.

Vom Kirchenchor ins Musikstudio

In den 1950er-Jahren waren Backgroundsängerinnen noch proppere weiße Hausfrauen, die musikalisch nicht allzuviel drauf hatten, dafür aber hübsch ihre Arme im Takt bewegen konnten, wie sich Bette Midler vor der Kamera erinnert. In den Swinging Sixties aber stießen junge, in Gospelchören geschulte, afro-amerikanische Sängerinnen in die Studios vor, allen voran Darlene Love mit ihrem Trio The Blossoms. Die Inbrunst, mit der sie früher in der Kirche Gott gepriesen hatten, brachten sie ins Musikgeschäft und schon bald wollten alle diese Stimmen im Hintergrund, darunter Frank Sinatra für seinen Evergreen "That's Life". Ray Charles legte sich die Raelettes als Background-Girlgroup zu, Ike und Tina Turner ließen die Ikettes für sich singen und tanzen.

Backgroundsängerinnen aus den USA waren auch der beste Weg für britische Rocker wie David Bowie oder Joe Cocker, sich den begehrten "schwarzen" Sound zu verpassen. So kam es, dass eines Nachts Merry Clayton aus dem Bett geklingelt wurde und wenig später im Nachthemd und mit Lockenwicklern im Haar Mick Jagger im Studio gegenüberstand. Sie hätten bei "Gimme Shelter" nach einer Frauenstimme für die "anzüglichen" Liedzeilen über Vergewaltigung und Mord gesucht, erzählt der Frontmann der Rolling Stones. Clayton packte der Ehrgeiz, es diesen englischen Bürschlein mal so richtig zu zeigen. Ihre stimmliche Intensität entlockt Jagger auch über 40 Jahre später noch ein ungläubiges Lachen.

Sprung ins Rampenlicht ist schwierig
Bruce Springsteen kann sich auf Darlene verlassen.

Bruce Springsteen kann sich auf Darlene verlassen.

(Foto: REUTERS)

Trotz ihrer Nähe zu den Stars und der Anerkennung ihrer Kollegen gelingt es aber nur wenigen Künstlerinnen, die titelgebende Distanz aus dem Hintergrund ins Rampenlicht zu überbrücken.

Und so erzählt "20 Feet from Stardom" denn auch davon, dass selbst das größte Talent nicht ausreichen kann, im Musikgeschäft an die Spitze vorzudringen oder doch wenigstens von dem Beruf leben zu können. "Es geht nicht um Fairness, es geht nicht wirklich um Talent", meint Sting und macht vielmehr die richtigen Umstände und pures Glück für eine erfolgreiche Solokarriere verantwortlich. Oder es fehlt am unbedingten Willen zur Selbstvermarktung: "Du braucht Narzissmus, du brauchst das Ego", bringt es Bruce Springsteen auf den Punkt.

Judith Hill hatte Pech ...

Judith Hill hatte Pech ...

(Foto: imago/Future Image)

Und manchmal schlägt wie im Fall von Judith Hill auch einfach das Schicksal zu. Die Sängerin hatte den Jackpot geknackt und sollte an der Seite von Michael Jackson auf Tour gehen. Dann starb der "King of Pop" völlig unerwartet während der Proben. Hinzu kommt, dass es seit den 90er-Jahren für Backgroundsängerinnen ohnehin weniger Arbeit gibt. HipHop und Grunge hatten keine Verwendung mehr für sie, Kostendruck und die technischen Möglichkeiten, Stimmen am Computer einfach in Form zu tunen, taten ein Übriges.

Darlene Love war ein spätes Happy End vergönnt. Nach diversen Rückschlägen hatte sie sich schon als Putzfrau verdingt, mit 40 Jahren dann aber doch noch ein Solo-Comeback gewagt. Der Umzug von Kalifornien nach New York brachte den Erfolg.

Seit 1986 war sie jedes Jahr zu Weihnachten Gast in der Talkshow von David Letterman, 2011 wurde Love in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Bei den Oscars gelang ihr schließlich der ganz große Auftritt. Nach "20 Feet from Stardom" wünscht man ihren Kolleginnen vom ganzen Herzen einen ähnlichen Erfolg. Und achtet beim nächsten Konzertbesuch besonders genau auf die Sängerinnen im Hintergrund.

"20 Feet from Stardom" startet am 24. April in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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