Korrupt, korrupter, Harrelson "Rampart": Ein Bad Cop und sein Gesetz
20.08.2012, 07:38 Uhr
Wollt ihr mir etwa ans Bein pissen? Dave Brown schaut sich das Ganze in aller Ruhe an.
(Foto: Ascot Elite)
"Ich bin kein Rassist, ich hasse alle Menschen gleich." Nach diesem Motto prügelt sich LAPD-Cop Dave Brown durch seinen Arbeitsalltag. Für ihn gibt es nur ein Gesetz: sein Gesetz. Doch dann flimmern Bilder über alle TV-Sender, die zeigen, wie er einen Verdächtigen fast tot prügelt. "Shit", sagt Brown, aber das ist erst der Anfang.
Korrupte Cops, gewaltliebende Cops, rassistische Cops, "Bad Cops": Eindrucksvolle Filme über sie gibt es zuhauf. Da wäre der mit Oscars überhäufte "L.A. Confidential". "Bad Lieutenant" mit einem überragenden Harvey Keitel, "Training Day", der Denzel Washington für die Darstellung des korrupten Detectives Alonzo Harris einen Oscar einbrachte. Oder auch "Copland", ebenfalls mit Keitel, aber darüber hinaus noch mit einem richtig gut schauspielernden Sylvester Stallone - und Ray Liotta. Und nicht zu vergessen Martin Scorseses Oscar-prämiertes Meisterwerk "Departed" mit Jack Nicholson, Matt Damon und Leonardo DiCaprio.
Nun kommt ein weiterer hochklassiger Streifen dazu: "Rampart" von Regisseur Oren Moverman ("The Messenger"). Das Drehbuch stammt von James Ellroy, dessen Roman "L.A. Confidential" die Vorlage für den gleichnamigen Film lieferte. Im Mittelpunkt von "Rampart" steht der Polizist Dave Brown (Woody Harrelson; "Natural Born Killers"). Im Mittelpunkt stimmt nicht ganz: Brown ist die Geschichte. Er säuft im Dienst. Er prügelt auf Verdächtige ein. Er bedroht sie. Frei von jedem moralischen Bedenken bekämpft er das Verbrechen in seiner Stadt auf seine ganz eigene Weise. Er sieht sich als letzte Bastion im immerwährenden Kampf um Recht und Ordnung, bei dem nur ein einziges Gesetz gilt: sein Gesetz.
"Ich bin kein Rassist"
In Los Angeles, Ende der 1990er Jahre, kommt er damit durch. Um der Gewalt der kriminellen Gangs Herr zu werden, ist vielen Polizisten jedes Mittel recht. Aber Brown treibt das Ganze auf die Spitze. Als er in einen Verkehrsunfall verwickelt wird und der schuldige Fahrer fliehen will, rastet Brown aus. Er prügelt mit seinem Schlagstock auf ihn ein, lässt nicht von seinem sich bereits am Boden krümmenden Opfer ab. Browns Problem: Eine Kamera filmt ihn dabei. Das Material landet im Fernsehen und dort in der Heavy Rotation.
Hoch die Gläser und dann ab ins Bett: Brown lässt in einer Bar seinen Arbeitstag ausklingen und lernt dabei Linda (Robin Wright) kennen.
(Foto: Ascot Elite)
Eine Untersuchung wird angesetzt. Er muss zum Polizeichef, zur Psychologin. Aber Brown lässt sich nicht so einfach an den Karren pissen. Hinter seiner Sonnenbrille verzieht er keine Miene. Kein Muskel zuckt. Die Whisky-Flasche locker in der Hand schwingend, harrt er cool der Dinge, die da auf ihn zukommen und verkennt den Ernst der Lage, denn sein Leben ist bereits dabei, den Bach runterzugehen.
Seine älteste Tochter beschimpft Brown als Rassisten, Misanthrop, Chauvinisten, Sexisten, Homophoben. Aber seine beiden Töchter und die beiden dazugehörigen Mütter, zwei Schwestern, mit denen er auch verheiratet war, sind im Grunde das einzige, was ihm abseits der Arbeit Normalität verspricht. Ein geregeltes Familienleben. Danach scheint sich Brown am meisten zu sehen, wohl wissend, dass die Chance darauf längst hinterm Horizont verschwunden ist.
"Ich hasse alle Menschen"
"Rampart" ist kein normaler 90-Minuten-Hollywood-Popcorn-Spielfilm. "Rampart" ist eine Studie über einen einzelnen realen Menschen. Einen Cop. Und Harrelson mimt diesen Cop nicht, er ist dieser bigotte, chauvinistische, sexistische, rassistische, homophobe, korrupte Polizist. Wenn man ihn sieht, wünscht man sich unweigerlich, dass er einen nicht zu einer Verkehrskontrolle herauswinkt. Man weiß sofort, dass er das Rücklicht zerschlagen und mit dem Schlagstock nachdrücklich darauf hinweisen wird, dass das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher ist. Wenn man seine verspiegelte Sonnenbrille im Rückspiegel aufblitzen sieht, überkommt einen der Drang, das Gaspedal bis zum Bodenblech durchzutreten und abzuhauen.
Und Harrelson, der für die schauspielerische Leistung in "Rampart" mit Kritikerlob überhäuft wurde, ist nicht der einzige Stardarsteller: Sigourney Weaver ("Avatar", "Alien") ist ebenso mit von der Partie wie Steve Buscemi ("The Big Lebowski") , Robin Wright ("State Of Play"), Anne Heche ("Wag The Dog"), Cynthia Nixon ("Sex And the City“), Ice Cube ("21 Jump Street"), Ned Beatty ("Im Sumpf des Verbrechens") und Ben Foster.
Mit Harrelson und Foster arbeitete Overman bereits bei seinem vielbeachteten Debüt "The Messenger" zusammen. Allerdings: Wenn man schon so ein Staraufgebot am Set hat, sollte man das auch nutzen. Im Film selbst gehen sowohl Weaver, als auch Buscemi und Foster komplett unter. Der Rest wird von Harrelson an die Wand gespielt.
Alles in allem ist "Rampart" kein leicht verdaulicher Film. Als Zuschauer schluckt man öfter und zuckt das ein oder andere Mal auch zusammen. Aber genau diese Intensität ist es, die den Film im Gedächtnis bleiben lässt. Dave Brown ist einer der besten "Bad Cops" aller Zeiten!
Quelle: ntv.de