Kino

Working classy girl Respekt, Amy Macdonald

Seit mehr oder weniger vier Jahren ist sie auf Tour!

Seit mehr oder weniger vier Jahren ist sie auf Tour!

Die Frau, die bisher immer so ein bisschen gewirkt hat, als würde sie sich an ihrer Gitarre festhalten, beweist, dass dieser Eindruck nicht stimmt. Es ist sogar so, dass sie ihre Gitarre ganz fest im Griff hat. Genauso wie ihre Stimme, die Jungs in ihrer Band und ein ganzes Orchester, das ihr zu Füßen liegt.

Früher gab es U- und E-Musik, heute verschmilzt das manchmal zu EU-Musik und EU steht dann nicht nur für Europa, sondern für "euphorisch" - und so war auch die Stimmung in der Rockhal, als Amy Macdonald mit ihrer Band und dem 65-köpfigen Orchester der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) Luxemburg rockte. 

Das renommierte Orchester feierte mit der 23-jährigen Schottin eine Premiere, vor der alle Beteiligten ziemlichen Respekt hatten: Eine Live-Performance von Amy Macdonald mit Orchesterverstärkung. Sie selbst fand das vor der Show recht beeindruckend, sagte aber auch: "Wir haben das geprobt, es hat super geklappt, und alles ist so perfekt geplant, dass schon nichts schief gehen wird." Sie sollte Recht behalten.

Kreischen und wippen

Ihre Songs wurden neu arrangiert von Dirigent Gast Waltzing, der gemeinsam mit Macdonalds Produzent Pete Wilkinson auch die Partituren für die symphonische Umsetzung geschrieben hat. Die Weltpremiere ist gleichzeitig der Auftakt der Reihe Premium Live des Saarländischen Rundfunks (SR), in deren Rahmen zukünftig regelmäßig große Namen der Popwelt mit dem DRP in der luxemburgischen Rockhal auftreten werden. Die Beteiligten waren sich jedoch sicher, dass es keinen besseren Start hätte geben können als mit Amy Macdonald, die mit ihren Hits ein breites Publikum anspricht.

Keine Zeit zum Relaxen ...

Keine Zeit zum Relaxen ...

"Ich weiß, dass meine Fans von 3 bis 99 Jahre alt sind", erzählt Amy, "und das finde ich toll". Sie mag die Mixtur aus jungen Mädchen, die kreischen, hüpfen und ihren Namen rufen, "ich spiele aber auch gerne vor den Älteren, die nur ein bisschen mit dem Fuß wippen", schmunzelt sie. Klar, die Stimmung ist ausgelassener, wenn sie im Glasgower "Barrowland Ballroom" auftritt, wenn alle die Hymne "Caledonia" mitsingen und man die Gänsehaut quasi jedes Einzelnen spüren kann, aber Amy ist eben für alle da.

Und so ist sie heute auch für die da, die sonst vielleicht nicht so sehr auf die Musik stehen, die ihre Kinder hören, denn heute sind ganze Familien zu ihrem Konzert erschienen. Amy Macdonald erzählt auf der Bühne viel zu den einzelnen Liedern, die sie singt, und so erfahren wir auch, dass sie befürchtet, kein Mensch im ausverkauften Saal würde ihr schottisches Englisch verstehen. Zögerliches Lachen verrät, dass sie damit nicht ganz falsch liegt, im Laufe des Abends läuft das aber ganz prima.

Amy als Fan

Die Mischung macht es bei ihr wohl aus: Langsames, Schnelles, Dramatisches, dann wieder heiter - sie textet ihre Songs so, wie ihr das Leben begegnet. Auf die Frage, ob sie sich denn alle großen Dramen des Lebens vorgenommen hat, guckt sie mit großen Augen und sagt: "Wenn das Leben nun mal so ist? Ich schreibe und singe von dem, was um mich herum passiert." Und das sind eben Themen wie Klimawandel, Probleme mit der Liebe, auch der tote Hund wird gewürdigt, genauso wie Michael Jackson. So schmal und blass und ungeschminkt, wie sie da auf dem Sofa sitzt, traut man ihr unbedingt zu, dass sie alles, was ihr passiert, in einen authentischen Song verwandelt.

"Wenn das Leben nun mal so ist?"

"Wenn das Leben nun mal so ist?"

Wenn es um Abstürze oder Exzesse, Alkohol und Drogen geht in ihren Texten (wie beispielsweise in "Poison Prince") dann allerdings verarbeitet sie da garantiert keine eigenen Erfahrungen, sondern widmet dies einem Mann, der sie sehr inspiriert hat und den sie in Gefahr sieht: Pete Doherty. "Ich war ein Riesen-Fan der Libertines, und er ist so ein großes Talent, aber es ist grausam mit anzusehen, wie er das durch seine Art zu leben verschwendet." Das sagt sie nicht anklagend, nicht besserwisserisch und schon gar nicht erzürnt, sondern aus reinem Mitgefühl.

Das Bild, das sie später auf der Bühne abgibt, ist wesentlich glamouröser, doch auch hier wirkt sie echt. Paillettenkleid, smokey eyes, toupiertes Haar und blickdichte Strümpfe machen sie zwar ein bisschen älter, aber das kann man sich mit Anfang zwanzig ja auch leisten. So wie sie da steht auf der Bühne, den Takt mit den Beinen vorgibt, dass man Angst um ihre Kniescheiben haben muss, ist sie höchstprofessionell. Sie ist bei der Arbeit, und die macht sie klasse. Immer wieder lobt sie die Musiker, sowohl ihre Band als auch das Orchester, und oft wirkt sie fast ein bisschen überrascht, dass tatsächlich alles so gut klappt.

"Danke für die Info!"

"Es hat wahnsinnig Spaß gemacht", erzählt später Gesine Kolb, die bei der Produktion auch Neuland betreten hat. Die Violinistin, die schon in der Jury von "Jugend musiziert" saß und Professorin am Conservatoire de Musique du Luxembourg ist,  schwärmt von der Natürlichkeit und Professionalität der Sängerin. "Sie kann uns gar nicht sehen, denn wir sitzen ja hinter ihr, und trotzdem gelingt es Amy Macdonald, jeden Einsatz perfekt zu treffen und eine Harmonie zwischen ihr und dem Orchester herzustellen," so Kolb. Am harmonischen Klang ist Dirigent Gast Waltzing, Komponist zahlreicher Titelmelodien für TV- und Filmproduktionen, auch nicht ganz unschuldig - ihm applaudiert die mit Preisen überhäufte Senkrechtstarterin zwischendurch immer wieder.

Apropos Preise: "Amy, was hälst du davon, dass du mehr Downloads hast als Lady Gaga?", frage ich sie hinter der Bühne. "Oh, wow, das wusste ich gar nicht. Aber cool, danke für die Information." Würde sie gerne mal mit der Lady zusammenarbeiten? "Ach, die Frage stellt sich eigentlich nicht. Wir machen ja etwas vollkommen anderes. Aber sie ist toll." Und wer wäre dann Amys Traumpartner? "Bruce Springsteen", kommt es wie aus der Pistole geschossen. "Er ist genial, ich liebe seine Musik!" "Weiß er von deinen Plänen?" "Nein", gibt sie zu und kichert, "er kennt mich ja gar nicht". Bei aller Liebe zum Understatement - aber da wäre ich mir nicht so sicher.

Amy Macdonald ist im November auf Deutschlandtournee, ein paar Tickets gibt es noch. Wer sie nicht sehen kann, der sollte sich die Deluxe-Veröffentlichung des Luxembourg-Konzerts, die gleich nach ihrer großen Deutschlandtournee (8. bis 15. November) erscheint, gönnen. Gönnt sich Amy dann auch mal eine Auszeit? "Ja, wir sind seit vier Jahren auf Tour, das Leben im Bus und aus dem Koffer ist nicht so einfach. Aber meine Band sind auch meine Freunde, deswegen ist es gar nicht schlimm", erzählt sie und wirkt dabei doch etwas erschöpft. Was wird sie tun, wenn sie sich mal ausruhen kann, neue Songs schreiben? "Nein, die entstehen aus einer Inspiration heraus. Wenn ich mal etwas mehr Zeit haben sollte, dann werde ich wahrscheinlich den ganzen Tag vor dem Fernseher liegen", sagt sie und guckt dabei, als ob sie sich entschuldigen will, nicht etwas Spannenderes berichten zu können. Ich sage ihr, dass das völlig okay ist, wenn man ansonsten immer alle Leute mit der Musik glücklich macht.

Quelle: ntv.de

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