Ist aber auch an der Zeit, Mann!Tony Christie, eleganter Crooner
Damit hätte keiner gerechnet: Tony Christie, seltsamerweise in der leicht angestaubten Schlagerecke beheimatet - wo aber so schöne Mitsing-Gelegenheiten wie "Amarillo" beheimatet sind - meldet sich zurück mit einem Album, das ganz ohne Not entstanden zu sein scheint. Mit "Now's The Time" ist ihm ein souveränes Alterswerk voller junger Ideen gelungen.
Neulich auf dem Oktoberfest: Nach "Schatzi, schenk mir ein Foto" und zum 180. Mal "Ein Stern, der deinen Namen trägt" endlich was anderes. Und alle können mitsingen: "Is this the way to Amarillo? Everynight I've been hugging my pillow, dreaming dreams of Amarillo, and sweet Marie who waits for me." Große Übereinstimmung am Tisch, ja, das ist ein Schlager, aber ein cooler, saugut, was der Tom Jones da gesungen hat. Nee, das war nicht Tom Jones, das war doch der Engelbert Humperdinck, oder doch der Dingsbums, der ach, jetzt fällt's uns endlich ein, der Tony Christie. Ja, was macht eigentlich Tony Christie?
Genau, was macht der eigentlich? Während wir da also noch "Shalalalalalala" gesungen haben, war der gute Mann im Studio und hat was Neues aufgenommen. "Now's The Time" heißt das Album und Herr Christie hat sich damit quasi selbst schonmal ein Denkmal gesetzt, auch wenn zu hoffen ist, dass das nicht sein letztes Album sein wird. Es beginnt mit dem Titelsong "Now is The Time" und genau das sagt alles: "Dieses Album hat mir die Chance gegeben, ich zu sein." Bravo, verstellt hat er sich ja lange genug, die Haare gefärbt auch, denn was tut man nicht alles - auch als echter Kerl aus Sheffield - um im schnelllebigen Musik-Geschäft forever young zu wirken. Aber jetzt, wo er 68 Jahre alt ist, die Haare schlohweiß trägt und die Musik macht, auf die er Lust hat, da wirkt er am jüngsten. Am besten, am überzeugendsten.
Der Mann kann singen - er ist ein schließlich ein Tenor, und wieviel Kraft da in ihm steckt merkt man an Songs wie "Get Christie" im James-Bond-Stil oder "Too Much Of The Sun", ein liebevoller und leicht ironischer Rückblick auf das eigene Leben und Schaffen. Anders als andere Kollegen hat Christie sich nie mit Frauen- und Alkoholgeschichten aufgehalten, sondern tatsächlich sein Familienleben gepflegt. So kommt es sicher, dass der coole Opa Vorbild für den einen oder anderen Enkel ist, genauso, wie für jüngere Kollegen, die mit ihm zusammen arbeiten wollen und ihm ihre Songs anbieten.
Sammy, Dean und Nancy lassen grüßen
Da steckt ein bisschen was von der Quirligkeit eines Sammy Davis jr. drin, ein bisschen was von der Coolness eines Dean Martin, die Sixties sind da auch zu hören, vor allem wenn er mit Roisin Murphy "7 Hills" singt, ein Song, der auch von Nancy Sinatra sein könnte - man sieht die "Schirm, Charme, Melone"-Optik direkt vor sich. Er kann auch die ganz großen Gefühle hervorrufen, das gelingt ihm bei "Steal The Sun" hervorragend, bei "Longing For You Baby" sieht man geradezu tarrantinoeske Bilder vor sich, Spaghetti-Western auch, und so geht es weiter. Motown, Pop, Lounge - der Mann, der auch schon von Jack White produziert wurde (als seine Karriere in der britischen Heimat auf Eis lag und der deutsche Markt vielversprechend klang) und der, wie er in einem Interview verriet, alles singt, was ihm vorgelegt wird, singt mit viel Gefühl, jedoch ohne sentimental zu werden. Dieser Sound gefällt auch der jungen Generation, davon ist auszugehen.
Hat er die ganzen Jahre nicht gewusst, welche Talente in ihm schlummern? Oder haben wir es einfach nicht bemerkt? Egal, man kann die Uhr nicht zurück drehen, wir leben im Hier und Jetzt und sagen: "Now Is The Time!"