Bis(s) unter die Gürtellinie ... "Vamperifica": Blutsauger mal anders
27.08.2012, 07:37 Uhr
Ein Leben als Vampir hat so seine Vorzüge.
(Foto: Los Banditos/Ascot Elite)
Jahrhundertelang werden Vampire von Menschen gejagt und führen ein Dasein am Rand der Gesellschaft. Bis sich eines Tages Raven erhebt und die Qualen seiner Rasse blutig rächt. Ein Krieg entbrennt, an dessen Ende Raven jedoch stirbt - mit der Prophezeiung, in 200 Jahren zurückzukehren. Die 200 Jahre sind vorüber: "Heiti dei …!"

Friedrich Wilhelm Murnau gelingt mit "Nosferatu" der erste filmische Vampir-Meilenstein.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Vampirfilme haben eine lange Tradition. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beißen sie sich über die Kinoleinwände. Anfang der 1920er Jahre legt Friedrich Wilhelm Murnau mit "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" den ersten Meilenstein des Genres. Max Schreck als Graf Orlock gibt den knoblauchscheuen Blutsauger. Bela Lugosi verhilft dann in den 1930ern der Figur des Graf Dracula auf die Schwünge. Seitdem sind Hunderte Vampirfilme entstanden, allein in den letzten drei Jahren mehr als 50.
Stand am Anfang noch der Vampir an sich mit seinem unstillbaren Durst nach menschlichem Blut im Vordergrund, gab es in jüngerer Zeit auch den Versuch, sein Wesen zu vermenschlichen. Der Vampir hat plötzlich Familie, verliebt sich, bekommt sogar Nachwuchs. Da liegt ein Film über einen schwulen Vampir gar nicht so fern. Sein Name: Carmen.
Einmal anders herum
Carmen ist, wie der Name schon vermuten lässt, kein normaler Blutsauger. Er ist vor allem erst einmal ein Mensch. Ein Mensch mit Problemen. Einer Menge Problemen. Seit seiner Kindheit, seine Mutter kennt er nicht, wird er wegen seines weiblichen Namens gehänselt. Das ginge ja noch, wenn da nicht auch noch sein tuntiges Getue wäre - und das kommt bei den Mitschülern noch viel weniger an, weswegen sein Kopf öfter die Bekanntschaft einer Kloschüssel macht. Sein bester Freund ist zudem ein Mädchen: Tracey. Sie boxt ihn des Öfteren aus brenzligen Situationen. Kein Wunder, dass die beiden auch nach der Highschool die besten Freunde bleiben.
Carmen (Martin Yurkovic), Student mit dem Traum Schauspieler zu werden, und Tracey (Dreama Walker) weichen sich nicht von der Seite. Die beiden treffen sich zum Shoppen: Schuhe und extravagante Outfits, egal, Hauptsache die Kreditkarten glühen. Sie gehen gemeinsam zur Maniküre. Sie telefonieren jeden Tag. Sie tratschen in der Fast-Food-Bude oder lästern im Cafe. Ein Tag, an dem sie sich nicht sehen, ist ein verlorener Tag. Es besteht ein Zweifel: Carmen ist eine Frau, gefangen im Körper eines spindeldürren glatzköpfigen Studenten - einer abgemagerten Version des "Smashing Pumpkins"-Sängers Billy Corgan. Dumm nur, dass es zwei Vampire auf Carmen abgesehen haben.

Spitze Zähne, spitze Zunge: Carmens Lieblingsbeschäftigung ist Lästern.
(Foto: Los Banditos/Ascot Elite)
Campbell (Creighton James) und Emily (Bonnie Swencionis) wollen sein Blut, aber aus einem ganz bestimmten Grund. Denn die beiden Vampire waren einst bei der ultimativen Schlacht Gut gegen Böse dabei. Eine Schlacht, die Jahre dauerte. Eine Schlacht, an deren Ende der Vampirkönig Raven sein Leben aushauchte - mit dem Versprechen in 200 Jahren wieder zu erscheinen. Jawohl, die beiden Vampire halten den schauspielerisch wie lebenstechnisch völlig erfolglosen und talentfreien Carmen für die Reinkarnation des Überkriegers und Erlösers ihrer Rasse, Raven. Verwechslung völlig ausgeschlossen.
Und so nimmt das Unheil seinen blutigen Lauf: Carmen wird gebissen und erinnert sich danach bruchstückhaft an das, was er früher einmal gewesen war. Das tut seinem Ego so gut, dass die Freundschaft zu Tracey den Bach runtergeht, und er sich aufs brutalste an seinen Peinigern aus der Schulzeit rächt. Abgetrennte Köpfe und Blutlachen pflastern Carmens Weg. Er tötet nicht zum Selbsterhalt, sondern der Rachelust wegen. Das wiederum stößt Campbell und Emily sauer auf ("Carmen, verschwende nicht das ganze Blut! Denk' an die Vampire in Afrika. Die haben gar nichts zu Trinken"). Nach und nach spitzt sich die Lage zu - wie Carmens neue Zähne - und am Ende muss er sich zwischen seinen Freunden und seinem scheinbar vorherbestimmten Schicksal entscheiden.
"I'm a Barbie Girl"
"Vamperifica" basiert auf einem erfolgreichen gleichnamigen Buch, das von der Liebe eines schwulen Vampirs erzählt. Regisseur Bruce Ornstein macht daraus eine waschechte Horrorkomödie, gewürzt mit einigen blutrünstigen Szenen - allerdings auf billigen Effekten beruhend. Billig, weil zweitklassig, ist auch die Schauspielkunst der Hauptdarsteller - allesamt.
Ornsteins Film ist somit kein Gassenhauer, kein Straßenfeger wie die "Twilight"-Saga. Er reicht auch lange nicht an die actiongeladene und Special Effect-lastige "Underworld"-Reihe heran. Und auch der Humor greift viel zu oft in die homophobe Schublade, als das er durchgängig für Lacher sorgen könnte. Und dennoch sind einige Szenen dabei, bei denen man tief in sich hineinschmunzeln muss: So diskutieren Carmen und Tracey beispielsweise am Anfang des Films über die Bedeutung eines gewissen "F"-Worts, während im Hintergrund "I'm a Barbie Girl, in a Barbie World …" läuft.
Genau dieser absurd-schräge B-Movie-Humor ist es, der "Vamperifica" auch irgendwie sehenswert macht - freilich für eine ganz spezielle Zuschauerklientel. Eine Klientel, die sich bereits bei "Dirty Movie: Der erste schmutzige Witz in Spielfilmlänge" königlich amüsiert hat. Allzu verbissen sollte man "Vamperifica" daher nicht sehen. Vampirfilm hin oder her. Gelacht werden, darf trotzdem.
Quelle: ntv.de